nd-aktuell.de / 03.07.2025 / Politik

Eingebürgerte Deutsche: Deportieren oder ghettoisieren

Neue Rechte und AfD streiten über den Umgang mit eingebürgerten Deutschen

Sebastian Weiermann
Immer wieder wird in Schnellroda auch protestiert. Hier gegen eine AfD-Veranstaltung im Frühjahr 2020.
Immer wieder wird in Schnellroda auch protestiert. Hier gegen eine AfD-Veranstaltung im Frühjahr 2020.

Es wird gefeiert an diesem Wochenende im sachsen-anhaltinischen Schnellroda. Der neurechte Antaios-Verlag[1] von Götz Kubitschek hat zum Sommerfest in das Dorf geladen. Rund 500 Menschen aus der extremen Rechten werden erwartet, von der jungen Nachwuchsaktivistin bis zum etablierten AfD-Politiker. Neben der Werbung für den Verlag dient das Fest auch der Vernetzung und Diskussion.[2] Auf eine mit Spannung erwartete Debatte müssen die Gäste in Schnellroda aber verzichten. Der österreichische Identitären-Aktivist Martin Sellner möchte nicht mit dem Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah über »Remigration« diskutieren. Dabei tobt die Debatte in den virtuellen rechten Räumen schon seit Wochen und hat auch darüber hinaus Wellen geschlagen.

Krah ist eine schillernde Figur[3] in der AfD. Bei der Europawahl im vergangenen Jahr sorgten verharmlosende Äußerungen Krahs über die SS vor der Europawahl für ein Zerwürfnis zwischen der AfD und bedeutenden anderen europäischen Rechtsparteien. Im Europaparlament gefiel es Krah nicht, er trat bei der Bundestagswahl im Chemnitzer Umland an und ist nun direkt gewählter Abgeordneter. Zwischendurch gab es noch einen Skandal um einen Mitarbeiter Krahs, der für China spioniert haben soll, und erst im Mai wurde bekannt, dass wegen Bestechlichkeit im Amt und des Verdachts der Geldwäsche gegen Krah ermittelt wird. Beim Antaios-Verlag hat Krah außerdem ein Buch mit dem Titel »Politik von rechts« veröffentlicht. Kurzum, der Mann ist umtriebig. Und eine wichtige Stimme in der AfD und ihrem völkischen Umfeld. Seit einigen Monaten überraschte Krah, vornehmlich auf seinem X-Account, mit Äußerungen, aus denen hervorging, dass er einige migrationspolitische Positionen überdacht hat. Auf eine Anfrage des Recherchenetzwerks Correctiv erklärte Krah, »die Frage der Multiethnizität des Staatsvolks neu zu durchdenken«. Im Mai schrieb er in einem Beitrag auf X, der Staat könne »die Veränderungen, die Masseneinwanderung bringt, nicht rückgängig machen«. Eine Absage an das Konzept »Remigration«, wie es Martin Sellner vertritt. Und eine Absage an den Gedanken vom ethnisch-homogenen Deutschland, der zum Kern extrem rechter Ideologien[4] gehört.

Anfang Juni musste Krah dann im Podcast »Kanal Schnellroda« die kritischen Fragen von Götz Kubitschek[5] und dessen Partnerin Ellen Kositza beantworten. In einem Leitartikel der »Zeit« wurde die Debatte kurz darauf zum »Interessantesten, was politische Parteien und ihr intellektuelles Vorfeld zuletzt hervorgebracht haben«, geadelt. Ulf Poschardt schrieb in der »Welt« auf Krah bezogen, »dass ein Teil der Partei sich in Richtung Koalitionsfähigkeit entwickeln will«.

Dabei ist die Debatte zwischen Krah und Kubitschek eigentlich relativ simpel. Krah argumentiert, die Unterscheidung zwischen ethnischen Deutschen und solchen, die nur Staatsbürger sind, sei für den Staat ein No-Go. Das habe die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster[6] zur Einstufung der AfD durch den Verfassungsschutz gezeigt. Der Staat kenne bei dem Thema keine Späße, wer einen deutschen Pass hat, sei nun mal Deutscher. Damit müsse man umgehen. Das Remigrationskonzept von Martin Sellner, das in großen Teilen der Neuen Rechten verteidigt wird, sei uneindeutig und werde vom politischen Gegner zum Nachteil der AfD ausgelegt. Was Krah meint: Unter »Remigration« verstehen viele extrem Rechte auch die Deportation von deutschen Staatsbürgern, deren Wurzeln im Ausland liegen. Ein politischer Ansatz, der glasklar verfassungsfeindlich ist.

Krah schlägt nun vor, die Existenz von deutschen Staatsbürgern mit migrantischer Geschichte als gegeben hinzunehmen. Entscheidend sei, die Grenzen zu schließen, jegliche Zuwanderung zu beenden und diejenigen abzuschieben, die keinen deutschen Pass haben. In Krahs Zukunftsvision leben Deutsche mit Migrationsgeschichte zusammen in bestimmten Gebieten, er spricht von Syrer*innen, die ins Ruhrgebiet zögen, und könnten dort dann auch eine gewisse Selbstverwaltung haben. Mit anderen Worten: Krah wünscht sich ein Deutschland, in dem alle nicht ethnisch Deutschen in besseren Ghettos zusammenleben. Eine Vision, die mit dem Grundgesetz nur schlecht vereinbar ist.

Krahs Vorstellung ist alllerdings noch die vermeintlich harmlose. In der Podcast-Diskussion argumentieren Götz Kubitschek und Ellen Kositza leidenschaftlich gegen Krah. Sein Staatsverständnis halten sie für liberalen Unfug. Kubitschek ist es wichtig, dass »jedes Volk eine Abstammungsgemeinschaft« ist und »ein Mindestmaß an Homogenität zum Nationalstaat« dazugehört. Gesetze könnten verändert und »das Illegitime« könne korrigiert werden. Was Kubitschek zum Ausdruck bringt, ist Blut-und-Boden-Denken, und seine Korrekturen laufen auf die Deportation von »Kulturfremden« hinaus, unabhängig davon, ob diese einen deutschen Pass haben oder nicht. Eine Politikvorstellung, die verfassungsfeindlich ist.

Auf die Podcast-Debatte folgten in den vergangenen Wochen noch allerlei Wort- und Videobeiträge. Klarer Tenor: Krah wird als wankelmütig wahrgenommen. Sein Zukunftsbild sei gefährlich, Deutschland könne enden wie der Libanon. Andere betonen, dass Krah versuche, die »Brandmauer« in die AfD zu verlegen. Positionen wie die von Kubitschek und Sellner würden ausgegrenzt, um die Partei koalitionsfähig für die Union zu machen. Damit einher geht die Warnung, die AfD könnte massiv an Wähler*innen verlieren, wenn sie sich einhegen lässt.

Wanja Seifert ist beim antifaschistischen Kollektiv »IfS dichtmachen«[7] aktiv, dass seit Jahren zur Neuen Rechten in und um Schnellroda arbeitet und am Samstag eine Demonstration gegen das Sommerfest[8] organisiert hat. Seifert schätzt die Debatte um Krah als Teil von »permanenten organisatorischen und ideologischen Rückzugsgefechten« ein, die von Kubitschek und Co aber als Erfolge verkauft würden. Zumindest Verkaufserfolge dürften die Debatten Kubitschek bescheren. Ein neues Buch von Maximilan Krah wurde vom Verlag angekündigt.

Seifert erklärt, die AfD erziele vor allem in Umfragen Erfolge, bleibe bei Wahlen aber regelmäßig hinter den eigenen Erwartungen[9] zurück. »Das erzeugt Frust bei den potenziellen Wähler*innen und, gepaart mit den zaghaften Einhegungsversuchen durch Politik und Sicherheitsbehörden, für Panik und Veränderungsdruck in weiten Teilen der AfD und dem rechtsextremen Umfeld[10] in Schnellroda«, erklärt der Antifaschist.

Wie die Debatte um Krah und »Remigration« ausgeht, ist für Seifert ungewiss. Der Blick ins europäische Ausland, wo extrem rechte Parteien teilweise erfolgreicher als die AfD sind, zeige aber einen Weg, der »Kubitschek und Co nicht gefallen dürfte und für eine weitere Marginalisierung der Schnellroda-Bubble in der AfD sorgen wird«. Seifert sagt, aus antifaschistischer Perspektive müsse man genau da ansetzen: »Protest und Widerspruch werden, auch wenn das in der extremen Rechten niemand zugeben will, weit über die eigene Blase hinaus wahrgenommen und setzen Themen und Stimmungen, gegen die die Rechte regelmäßig nur stumpfen Hass und menschenverachtende Hetze als Antwort hat.« Das gelte es immer wieder deutlich zu machen, »auch und insbesondere« wenn hunderte Rechte zum Feiern nach Schnellroda kommen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186018.frankfurter-buchmesse-nazis-lernen-lesen.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183671.das-beste-aus-dem-nd-denken-der-neuen-rechten-ornament-und-theoriekitsch.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182352.europawahlen-afd-und-krah-zu-viel-nazi-positionen-fuer-europas-rechte.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1184902.rechtsextremismus-extreme-rechte-der-wahn-der-metapolitik.html
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188218.abschiebetickets-von-der-neuen-rechten-bis-zu-neonazis-n-lob-fuer-die-afd.html
  6. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1182130.urteil-des-oberverwaltungsgerichts-die-afd-ist-ein-verdachtsfall.html
  7. https://ifsdichtmachen.noblogs.org/
  8. https://ifsdichtmachen.noblogs.org/post/2025/05/14/schnellroda-5-7-2025-antifa-sommer-statt-faschistische-kaffeefahrt/
  9. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189292.alternative-fuer-deutschland-afd-gewonnen-und-trotzdem-unzufrieden.html
  10. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192196.extreme-rechte-afd-stiftung-hofft-auf-millionenfoerderung.html