nd-aktuell.de / 05.07.2025 / Kultur

Der Biergarnitur-Fußball

Die schlimmsten Klubs der Welt,): 1. FC Kaiserslautern

Frédéric Valin
Die einen begreifen Fußball nur, die anderen machen ihn unangreifbar: so wie Youri Djorkaeff
Die einen begreifen Fußball nur, die anderen machen ihn unangreifbar: so wie Youri Djorkaeff

Ist nicht der ehrlichste Hass der Selbsthass? Es gibt sicher Fußballvereine, die ich mehr hasse als meinen, sei es RB Leipzig, PSG oder Hoffenheim. Aber dieser Hass flackert schwach gegen die Gefühle meinem eigenen Verein gegenüber; das liegt an den Zumutungen, die mir dieser, mein eigener Verein, auferlegt hat.

Der erste Mann, den ich liebte, war Pavel Kuka, der zweite Youri Djorkaeff. Das war eine in mehrerlei Hinsicht sowohl glückliche als auch unglückliche Wahl. Die meisten, die sich mit Fußball etwas auskennen, werden erraten haben, welchem Verein mein Herz gehört: dem 1. FC Kaiserslautern. Aber um ehrlich zu sein, bin ich eher ein verfemter Verehrer – alle meine Helden hat dieser Verein beschissen behandelt. Und schlimmer noch: Die Idee des Fußballs, wie ich ihn liebe, hat er immer verraten.

Lautern steht für Biergarnitur-Fußball, männliche Tugenden, großkotziges Auftreten, eine gewisse Hoppla-hier-komm-ich-igkeit. Steht umso mehr dafür, als dass der Verein damals – 1998 – mit dieser Art breitbeinigem Neandertaler-Fußball sogar die deutsche Meisterschaft gewinnen konnte – als Aufsteiger! Es ist ein Verein, in dem eine saubere, dem Gegner wohltuend wehtuende Grätsche mehr gilt als ein Tunnel. Was gerne – wie zum Beispiel auf Schalke auch – auf eine gewisse Verwurzelung im Arbeiter*innenmilieu zurückgeführt wird; was natürlich Quatsch ist. Jede Arbeitermannschaft braucht vorne einen Zauberer, und da haben sich sowohl Verantwortliche als auch Fans dann irgendwann statt für Djorkaeff für diesen Hütchenspieler Basler entschieden, einer, dessen Verständnis vom Spiel darin liegt, dass er gewinnt. Um jeden Preis.

Ich liebe nicht nur meinen Verein, vor allem liebe ich den Fußball. Ich mag die Prinzipien, die er transportiert, die Idee, die er hat. Ich mag vor allem das schöne Spiel, das in seiner Verletzlichkeit mir eine Art von Transzendenz verschafft, die ich sonst in der Religion suchen müsste. Mein Lieblingsspieler aller Zeiten ist Ronaldinho. Eleganz, Witz, Einfallsreichtum, geradezu Genie: Das hat er mehr verkörpert als alle anderen Spieler, die ich mein Lebtag je sah (es kann sein, dass es noch andere gab, die älter waren; wie Stefano vermutlich, vielleicht auch Matthias Sindelar).

Bisher sind in dieser Reihe erschienen:
Tumb ist die Hoffnung[1] (Schalke 04) von Alfons Huckebrink
Sorry, Musterknabe[2] (Arminia Bielefeld) von Fritz Tietz

Glatt wie ein Weseraal[3] (Paris Saint-Germain) von Christian Klemm
Wenn der Kinderglaube[4] stirbt (FC Barcelona) von Frank Jöricke

Ich habe Lautern nie wegen seiner Erfolge geliebt – und den Fußball auch nie deswegen, weil jemand gewinnt. Ich hatte eine Beziehung zu diesem schleichenden Igel, der Kuka war, und diesem seltsam schlauen Rennwiesel im Mittelfeld, der mehr Ideen hatte als Zehen am Fuß. Anders als die anderen Helden jener Zeit – Kadlec, Schjønberg, Ratinho – waren sie seltsam ineffektiv, aber ihr Touch war zum Träumen und ihr Spielverständnis weniger provinziell.

Um es kurz zu machen: Ich mag Olaf Marschall, aber ich liebe Youri Djorkaeff. Der eine hat Fußball begriffen. Der andere hat Fußball unangreifbar gemacht. Und ich hasse den FCK dafür, dass er von Fußball nichts mehr wissen will; er will nur Erfolg. Aber für mich ist das so: Erfolg hab ich selber, ich würde gern Fußball sehen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192081.klub-wm-tumb-ist-die-hoffnung.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192097.arminia-bielefeld-sorry-musterknabe.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192197.klub-wm-paris-saint-germain-glatt-wie-ein-weseraal.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192286.klub-wm-fc-barcelona-wenn-der-kinderglaube-stirbt.html