nd-aktuell.de / 07.07.2025 / Kultur

Kampf bis zum Sieg

Der Rechtsruck drückt sich selbst in den absurdesten Nischen aus. Beispiel: Werbung für den Beruf des Landschaftsgärtners

Thomas Blum
Am Ende ist es doch nur Werbung für einen Müsliriegel, sieht aber aus wie ein Mix aus Riefenstahl- und Naturkitsch-Doku.
Am Ende ist es doch nur Werbung für einen Müsliriegel, sieht aber aus wie ein Mix aus Riefenstahl- und Naturkitsch-Doku.

In Zeiten, in denen die Neonazipartei, die offiziell keine sein will, die zweitstärkste Fraktion im Deutschen Bundestag stellt und in denen dieser Umstand von den meisten Bundesbürgern so selbstverständlich hingenommen wird wie der Wechsel der Jahreszeiten, ändert sich auch das, was man gemeinhin das Kulturleben nennt: In den sogenannten bürgerlichen Medien, vom »Spiegel« bis zur »Welt«, herrscht bereits ganz offen ein Ton, mit dem man sich schon jetzt an eine künftige Regierung unter Beteiligung der AfD anschmiegt (man muss als Journalist seine Karriere ja ein bisschen vorplanen); Orte der sogenannten Gegenkultur gehen pleite oder verschwinden ganz; die Opernhäuser nehmen lieber wieder Wagner ins Programm als Schönberg; und im Fernsehprogramm nimmt der Anteil an volkstümelndem Trash rasant zu. Am deutlichsten zeigen sich die einschlägigen Tendenzen allerdings in der permanent neue Bilder produzierenden Werbung.

Ein Beispiel: In dem Fitness-Studio, das ich gelegentlich aufsuche, wurden vor Kurzem neue Crosstrainer aufgestellt, die mit Computerbildschirmen ausgestattet sind, auf welchen in Endlosschleife Reklame-Clips abgespielt werden, auf denen glücklich strahlende Menschen vor Sonnenauf- und Sonnenuntergangspanoramen durch lichtdurchflutete Landschaften wandern oder radeln. Diese Clips sind Ausschnitte aus 20- bis 30-minütigen Filmen, die ein Fitness-Konzern in Auftrag gegeben hat, der diese Filme offenbar zusammen mit seinen Trainingsgeräten verkauft. Die Crosstrainer bieten Trainingswilligen, die eines der Geräte benutzen möchten, eine immense Zahl von sogenannten Workout-Programmen an, aus welchen man sich eines aussuchen kann. Begleitend zu sämtlichen »Workouts« (Wandern in Norditalien, Joggen an einem thailändischen Strand) werden dann die oben genannten Filme abgespielt.

Der Beruf des Landschaftsgärtners ist einer, den man bislang nicht zwingend mit deutschem Heldentum, maskulinistischem Dicke-Eier-Gehabe, Heimatkitsch und Kampf bis zum Sieg in Verbindung brachte.

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Die Ästhetik ist stets die gleiche. Ein Beispiel für die Machart dieser Heile-Welt-Filme sei hier kurz skizziert: aufputschende, pathetische Fanfarenklänge oder beruhigende einlullende Entspannungs-Muzak, Kameraschwenks über wogende Getreidefelder und strahlend blauen Himmel. Die Kamera zoomt auf einen muskulösen großen bärtigen weißen Mann Mitte 30 in Fitnesskleidung, der ganz dem gegenwärtig herrschenden Schönheitsideal entspricht. Der Mann strahlt fortwährend übers ganze Gesicht und spricht dummes Zeug im handelsüblichen Motivationstrainerjargon (»Du musst an dich glauben, der Weg ist das Ziel, du schaffst das, jeder Tag bringt eine neue Chance, Erfolg ist das Ergebnis von Entschlossenheit«, und so weiter). Dazu macht er, wandernd und sich dabei immer wieder zur ihm folgenden Kamera (also zum Betrachter) umdrehend, motivierende Gesten.

Die Bildsprache und der Stil dieser etwa halbstündigen Filme schwankt zwischen Frühstücksmargarinewerbung, Hardcore-Naturkitsch und Leni Riefenstahls Nazi-Olympiade-Film von 1936. Sie weisen allesamt zahlreiche Merkmale faschistischer Ästhetik auf: von der Idolisierung und Heroisierung der Trainerfigur und der Verherrlichung bestimmter Körperformen sowie genormter »Frauen«- und »Männer«-Typen (Frauen: Trophy-Wife, Männer: sexy Holzfäller) über die monumentalisierende Inszenierung einer idealisierten, von jeder Irritation und jeglichem Unrat gesäuberten Natur, die via Musik und Optik glorifiziert wird, bis zu den üblichen eindimensionalen Botschaften, die den Betrachter in ein imaginiertes widerspruchsfreies Kollektiv integrieren wollen (Erzeugung eines »Wir«-Gefühls, »Du bist Teil eines großen Ganzen«).

Ein zweites Beispiel ist die aktuelle Reklamekampagne des Ausbildungsförderwerks Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau e.V. (AuGaLa), das Heranwachsende für den Beruf des Landschaftsgärtners begeistern möchte. Auf dem Hauptmotiv der Kampagne, das seine Bildsprache bei den Filmplakaten von Action-Blockbustern entliehen hat, sind drei junge Leute (eine Frau, zwei Männer) zu sehen, die mit einem ernsten Blick, der ausdrücken soll, dass sie auf Leben und Tod zu allem entschlossen sind, auf den Betrachter zugehen, wobei sie als eine Art einträchtiges Kumpeltrio agieren, als unzertrennliches Team, als Task Force. Gekleidet sind sie nach Art des Working-Class-Actionhelden, den wir aus Filmen mit Bruce Willis oder Sylvester Stallone kennen: Workwear im »Carhartt«-Stil, Holzfällerhemd, Sweatshirt oder Hoodie mit hervorgehobenen Schweißflecken.

Ihre Arbeitsgeräte tragen oder halten sie stolz und siegessicher, wie Elitesoldaten ihre großkalibrigen Waffen halten. Im Bildhintergrund ist der verhasste Großstadtmoloch zu sehen (anonyme graue Hochhausbauten, die Asphaltkultur, Dekadenz und Entgrenzung symbolisieren sollen), während sich unsere drei Helden im Bildvordergrund zwischen grünen Bäumen auf einer blühenden Wiese befinden, also inmitten des »Kraftquells Natur«, der deutschen Heimaterde, der sie tapfer und wagemutig ihre Arbeit und ihr Leben widmen.

Der Slogan auf dem Bild lautet: »Eine*r wie du bringt Ordnung in den Großstadtdschungel.« Auch auf anderen Motiven dieser Plakatserie werden die darauf abgebildeten, naturburschenhaft ausstaffierten jungen Leute in heroischen Posen gezeigt, als jederzeit einsatzbereite Aktivbürger, Anpacker, Aufräumer und Ordnungschaffer. Und ähnlich wie in den eingangs erwähnten Fitnessvideos wird die Natur in Szene gesetzt als sowohl »heil und rein« als auch als »wild und abenteuerlich«.

Ich bin mir nicht sicher, ob in einer besseren Zukunft Reklamefilme und -bilder nicht grundsätzlich und vollständig abgeschafft werden sollten. Sicher ist jedenfalls: Der Beruf des Landschaftsgärtners ist einer, den man bislang nicht zwingend mit deutschem Heldentum, maskulinistischem Dicke-Eier-Gehabe, Heimatkitsch und Kampf bis zum Sieg in Verbindung brachte. Aber was soll man machen. Die Zeiten sind so, wie sie sind.