Im Bundestagswahlkampf hatte Friedrich Merz erklärt: »Wir werden dieses System Bürgergeld vom Kopf auf die Füße stellen, da werden sich zweistellige Milliardenbeträge einsparen lassen.« Dass dies unmöglich ist, weiß jeder, der mit der Materie befasst ist. Schon die Einsparziele, auf die sich der Koalitionsausschuss von Union und SPD vergangene Woche offenbar festgelegt hat[1], wurden unmittelbar darauf von Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA) in Zweifel gezogen.
Im kommenden Jahr, hieß es nach der Ausschusssitzung, wolle man beim Bürgergeld 1,5 Milliarden Euro sparen, 2027 sogar 4,5 Milliarden. Für das laufende Jahr soll das Budget von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) erst einmal weiter wachsen. Darüber wird im Rahmen der Haushaltswoche im Bundestag am Freitag gesprochen. Für die Grundsicherung für Arbeitsuchende sind 51,96 Milliarden Euro an Gesamtausgaben vorgesehen und damit 5,15 Milliarden mehr als 2024. Beim Bürgergeld selbst steigen die Kosten um 3,1 auf 29,6 Milliarden Euro. Mit 13 Milliarden beteiligt sich der Bund an den Kosten für Unterkunft und Heizung, 4,1 Milliarden fließen für Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit.
Mit mehr als 5,5 Millionen Menschen bleibt die Zahl der Bezieher von Bürgergeld beziehungsweise Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II auf hohem Niveau. Dies liegt aber nicht daran, dass Menschen ihren Job kündigen, um es sich in der sozialen Hängematte bequem zu machen, sondern daran, dass Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine nicht über das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) versorgt werden, sondern Bürgergeld beziehen. Vor einem Jahr erhielten 717 000 Ukrainer*innen Bürgergeld, unter ihnen 212 000 Kinder.
Wo das Geld für perspektivisch geplante Einsparungen beim Bürgergeld kommen soll, bleibt unklar. Zwar sollen ukrainische Flüchtlinge mit Einreisedatum nach dem 1. April kein Bürgergeld mehr erhalten, sondern laut Koalitionsvertrag Leistungen nach AsylbLG. Doch laut BA-Chefin Nahles können dadurch nur 900 Millionen Euro beim Bürgergeld gespart werden. Allerdings muss der Bund den Ländern und Kommunen die nun von ihnen zu zahlenden Gelder erstatten, spart also insgesamt sehr wenig.
Durch die geplanten Verschärfungen bei den Sanktionen Bürgergeldbeziehender lässt sich selbst nach Erwartung der Regierung nur eine zweistellige Millionensumme einsparen. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) sieht es vor allem als wichtig an, dass Betroffene für den Arbeitsmarkt »fit gemacht« werden. Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der BA warnt gleichzeitig vor Kürzungen bei den Eingliederungsleistungen: »Wenn das wegfällt, hätte es klare Nachteile – für die Betroffenen, aber auch für den Arbeitsmarkt.« Weber fände es sinnvoll, ukrainische Geflüchtete weiter durch die BA betreuen zu lassen, aber das Niveau der an sie gezahlten Gelder »für die Anfangszeit« abzusenken.
Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD sieht die Einführung einer »neuen Grundsicherung« vor, der zufolge »Vermittlung Vorrang« haben soll. Aus Sicht der Ampel lag hier in der Vergangenheit der Grund für einen »Drehtür-Effekt vom Jobcenter zum Aushilfsjob und zurück«, wie es Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann ausgedrückt hatte.
Der hessische Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) forderte unterdessen gegenüber der »Bild am Sonntag« eine Senkung der »Sozialkosten«. Dann könne man auch die von der Koalition bis auf weiteres gestrichene Senkung der Stromsteuer für alle Haushalte finanzieren. Rhein wiederholte die Litanei von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Kanzler Merz in Sachen Bürgergeld: »Wenn jemand zumutbare Arbeit ablehnt, muss das so sanktioniert werden, dass es sich wirklich wieder lohnt, arbeiten zu gehen.« BA-Chefin Nahles hatte zuletzt betont, von der Verschärfung der Sanktionen sei keine entscheidende finanzielle Wirkung zu erwarten. 2024 seien gerade mal 20 Millionen Euro über Sanktionen eingespielt worden.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192428.bundeshaushalt-armen-bashing-wird-materielle-gewalt.html