Für 10 Prozent der Stimmen ist die linksalternative Potsdamer Wählergruppe Die Andere immer gut. 11,4 Prozent erzielte ihr Urgestein Lutz Boede bei der Oberbürgermeisterwahl 2018. Doch nachdem Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) im Mai abgewählt[1] wurde und die Stadt einen neuen Rathauschef benötigt, schickt Boedes antimilitaristische Truppe diesmal keinen eigenen Kandidaten ins Rennen und unterstützt stattdessen die überparteiliche Bewerberin Noosha Aubel[2].
»Unsere Wählergruppe verzichtet in der besonderen politischen Situation auf die Nominierung einer eigenen OB-Kandidatin, um den Neuanfang an der Stadtspitze nicht zu gefährden«, heißt es in einer Erklärung. »Wenn alle progressiven Parteien und Wählergruppen mit eigenen Wahlvorschlägen an den Start gehen, könnte dies dazu führen, dass niemand von ihnen in die Stichwahl kommt. Dieses Szenario wollen wir unbedingt verhindern. Wir haben die Abwahl des überforderten Oberbürgermeisters nicht unterstützt, um dann in einer Stichwahl zwischen einem konservativen SPD-Kandidaten ohne Potsdam-Bezug und einem AfD-Mann zu landen.«
Der Hintergrund: Die SPD holt als ihren Bewerber aus Berlin den auch dort lebenden Wirtschaftsstaatssekretär Severin Fischer. Der 41-Jährige stammt aus Erlangen und hatte ausweislich seiner Biografie noch keine Station in Potsdam oder auch nur in Brandenburg. Die AfD probiert es mit ihrem Stadtfraktionschef Chaled-Uwe Said. Diese rechte Partei schneidet traditionell in der Stadt Potsdam deutlich schlechter ab als im übrigen Land Brandenburg. Sie kassierte jedoch bei der Bundestagswahl im Februar 2025 im Stadtgebiet immerhin 16,9 Prozent der Zweitstimmen. Ein Ergebnis in dieser Größenordnung könnte unter Umständen bei der Oberbürgermeisterwahl im September für das zweitbeste Ergebnis reichen. Damit könnte Said in die Stichwahl vorstoßen. Aber auch CDU-Fraktionschef Willo Göpel könnte das seinerseits fertigbringen.
So ist die Warnung der Wählergruppe Die Andere zu verstehen, die selbst lediglich bei Kommunalwahlen antritt. Bei Landtags- und Bundestagswahlen neigen ihre Anhänger dazu, Die Linke anzukreuzen. Die Andere unterstützt nun Noosha Aubel, weil diese nicht nur ein modernes Verständnis von Verwaltung und eine progressive politische Haltung habe, sondern mit Chancengleichheit und ökologischer Stadtentwicklung auch die richtigen inhaltlichen Schwerpunkte setze.
Mit der Losung »Zurück für die Zukunft« meldete sich Aubel als überparteiliche Bewerberin. »Potsdam war von 2017 bis 2024 mein Zuhause.« Mit großer Leidenschaft sei sie dort Beigeordnete für Bildung, Kultur und Sport gewesen, sagt Aubel. »Als ich an dem Punkt angekommen war, an dem ich trotz meines Engagements keine Wirkung mehr für die Stadt und ihre Menschen erzielen konnte, bin ich schweren Herzens gegangen.« Die 49-Jährige sagt von sich: »Ich verspreche nicht alles, aber ich halte alles, was ich verspreche.«
Aubel gehörte zu denen, die mit dem 2018 gewählten Oberbürgermeister Schubert nicht zurechtkamen. Nun, da er in einem Bürgerentscheid abgewählt ist, würde Aubel nach reiflicher Überlegung aus Flensburg zurückkehren, wohin sie als Sozialdezernentin gegangen war. Ihre Vision: Eine funktionierende Kommune Potsdam, in der alle unabhängig von Herkunft und Lebenslage gleichberechtigte Chancen auf ein gutes Leben haben. Eine Stadt, die den Menschen etwas sehr Wertvolles gibt: Vertrauen in den Staat, eine hochwertige Daseinsvorsorge und das Gefühl, gesehen und unterstützt zu werden. »Rechtspopulismus findet in einer solchen Kommune keinen Nährboden.«
Bei den Potsdamer Grünen findet sie damit Anklang. Deren Kreismitgliederversammlung beschlossen am Sonntag bei nur zwei Enthaltungen, Noosha Aubels Kandidatur zu unterstützen. Den Bündnisgrünen gefällt der mitfühlende Politikstil der 49-Jährigen, ihre Klarheit und Verlässlichkeit und dass sie zwei Jahrzehnte Erfahrung in verschiedenen Kommunalverwaltungen mitbringe.
»Verwaltungserfahrung hat sie und in Potsdam eine gute Arbeit geleistet«, bestätigt Hans-Jürgen Scharfenberg[3], der schon seit 1990 Stadtverordneter ist und vor anderthalb Jahren von der Linken zum BSW wechselte. Seine neue Partei werde ein Gesprächsangebot von Aubel annehmen, kündigt Scharfenberg an. Bis dahin spricht er nur für sich persönlich und schätzt ein: »Es ist eine sehr ernst zu nehmende Kandidatur. Ich denke, dass sie sehr gute Karten hat.«
Nun schauen viele auf Potsdams Linke, ob auch diese sich an die Seite von Aubel schlagen wird. Völlig ausgeschlossen ist dies nicht. Aber es scheint anders zu kommen. Es gebe noch Abstimmungsbedarf, doch im Laufe der Woche werde der Kreisverband einen Kandidaten beziehungsweise eine Kandidatin präsentieren, erklärt die Kreisvorsitzende Iris Burdinski dem »nd« auf Nachfrage. Seit den 90er Jahren sind Kandidaten der Sozialisten – es waren Rolf Kutzmutz, Hans-Jürgen Scharfenberg und zuletzt 2018 Martina Trauth[4] – immer erst in der Stichwahl von den Kandidaten der SPD geschlagen worden. Scharfenberg fehlten einst nur wenige Stimmen zum Sieg. Lediglich Anita Tack hatte in einem Fall gegen den späteren Ministerpräsidenten Matthias Platzeck (SPD) keine Chance. Platzeck erhielt gleich im ersten Wahlgang die erforderliche absolute Mehrheit und musste gar nicht erst in eine Stichwahl. Doch Anita Tack erzielte hinter ihm dennoch das zweitbeste Ergebnis.
Mit dieser Vorgeschichte scheint es erst einmal nachvollziehbar, wenn Potsdams Linke nicht einfach nur eine überparteiliche Kandidatin mitträgt, sondern eigene Ambitionen anmeldet. Die Frage ist nur, was von der Bedeutung früherer Jahre heute noch übrig geblieben ist. Bei der Kommunalwahl 2024 erkämpfte die einst so starke Linke gerade noch fünf Sitze in der Stadtverordnetenversammlung. Zum Vergleich: SPD elf Sitze, Grüne, CDU und AfD je acht Sitze, Die Andere sechs und Scharfenbergs BSW-nahe Liste immerhin auch drei Sitze.
Noosha Aubel ist liiert mit Sascha Krämer[5], einem früheren Stadtverordneten der Linken, der 2024 aus der Partei ausgetreten war.
»Ich verspreche nicht alles, aber ich halte alles, was ich verspreche.«
Noosha Aubel OB-Kandidatin
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192432.kommunales-eine-vielversprechende-kandidatin.html