Einer der erbittertsten Gegner des Straßenbahnausbaus in Berlin[1] ist die Abgeordnetenhausfraktion der CDU[2]. Nachdem es still geworden ist um die Magnetbahn-Pläne, stürzt sich die Fraktion nun auf Doppelgelenkbusse als die neue Wunderwaffe.
»Als CDU-Fraktion wollen wir den Einsatz von batterieelektrisch betriebenen Großraum-Gelenkbussen realisieren und damit eine schnelle und flexible Lösung statt Straßenbahnneubaustrecken[3] bieten«, heißt es in einem »nd« vorliegenden Beschlusspapier. Laut CDU-Angaben sollen die rund 25 Meter langen Doppelgelenkbusse bis zu 200 Fahrgäste fassen. Sie seien »eine wirtschaftlichere, umweltfreundlichere und flexiblere Alternative zur geplanten Straßenbahnerschließung in Berlin-Spandau«.
Wie so oft in der zumeist oberflächlichen Beschäftigung der CDU mit verkehrspolitischen Themen sind die verbreiteten Ansichten nur in gewissen Aspekten zutreffend, manche Angaben in der Realität nicht zu halten. Auf Anfrage von »nd« nennt die Senatsmobilitätsverwaltung für Doppelgelenkbusse eine reale Fahrgastkapazität von etwa 130 Fahrgästen, was rund 30 Prozent über der eines herkömmlichen Gelenkbusses liege. Tatsächlich finden sich aufseiten von Busherstellern oft hohe Kapazitätsangaben, die aber vor allem der Berechnung der genehmigungsrechtlich zulässigen Zuladung dienen und in der Realität nicht zu erreichen sind.
Doppelgelenkbusse sind höchstens eine Übergangslösung, um die Lage zu verbessern, bis die Tram kommt.
Senat und BVG planen bereits seit Längerem die Einführung von Doppelgelenkbussen auf der Spandauer Buslinie M32 vom Rathaus über den Brunsbütteler Damm Richtung Staaken. Zuletzt war der Einsatz elektrisch betriebener XXL-Busse für 2025/26 angekündigt worden, zuvor bereits für 2024. Diese bereits existierenden Planungen werden im CDU-Beschlusspapier nicht erwähnt.
»Um andere dringende Projekte prioritär abarbeiten zu können, erfolgte (auch angesichts der Vielzahl der Projekte der BVG) im Herbst 2024 ein Projektstopp zum Einsatz der E-Gelenkbusse zunächst für ein Jahr«, erklärt Petra Nelken, Sprecherin der Senatsmobilitätsverwaltung, gegenüber »nd«.
Personalengpässe und hohe Tariflohnentwicklung sowie die rege Bauentwicklung verstärkten aus Sicht der Verwaltung »insbesondere abseits der Schnellbahnen den verkehrlichen Bedarf nach großen Fahrzeugen«. Grundsätzlich gebe es daher »aufgrund der hohen Fahrgastnachfrage im Spandauer Raum Konzepte«, rund 50 Elektro-Doppelgelenkbusse für drei Linienachsen einzusetzen. In früheren Konzepten war das nur für die Linie M32 vorgesehen, für die rund 20 solche Busse hätten beschafft werden sollen.
Doch auch für den Einsatz von Doppelgelenkbussen müssen Vorbereitungen getroffen werden. Sie benötigen längere Haltestellenbereiche und Abstellflächen an den Endpunkten. Verwaltungssprecherin Petra Nelken weist auch darauf hin, dass für ihren Einsatz wegen ihrer Länge Ausnahmegenehmigungen benötigt werden, »die oft auf bestimmte Strecken beschränkt« werden. Die Straßenverkehrsordnung sieht grundsätzlich nur Fahrzeuge bis 18,75 Meter Länge vor.
Nicht zuletzt müssten auch die Betriebshöfe umgebaut werden – wegen der mit 25 Metern deutlich größeren Länge im Vergleich zu einem herkömmlichen Gelenkbus, der 18 Meter misst. Laut aktueller Zeitplanung der BVG soll der zuständige Betriebshof Spandau jedoch erst im Jahr 2030 entsprechend umgebaut sein. Das geht aus der Antwort der Senatsmobilitätsverwaltung auf eine Anfrage der Grünen-Verkehrspolitikerin Antje Kapek hervor.
So günstig und einfach, wie es die CDU-Fraktion darstellt, ist der Einsatz von Doppelgelenkbussen also nicht. Exemplare mit Akkubetrieb sind in der Beschaffung pro Meter Fahrzeuglänge nicht sonderlich billiger als Straßenbahnwagen – bei voraussichtlich deutlich kürzerer Lebensdauer. So hatten Hamburg wie auch Aachen einige Jahre Doppelgelenkbusse auf besonders stark belasteten Buslinien im Einsatz. Sie wurden aufgrund der nicht überzeugenden betrieblichen Erfahrungen bis 2019 ausgemustert. Eine erneute Beschaffung ist nicht geplant.
Stark befahrene Bustrassen müssen überdies aufgrund der hohen Achslasten als Betonfahrbahnen gebaut werden, was teurer ist und eine größere Breite erfordert als Straßenbahnstrecken. Für neue Tramstrecken gibt es zudem bis zu 75 Prozent Förderung vom Bund.
Auch Fahrgäste schätzen Nahverkehr auf Gleisen. Die Fachwelt spricht vom sogenannten Schienenbonus. Selbst bei unverändertem Angebot steigen mindestens 10 bis 20 Prozent mehr Fahrgäste in eine Straßenbahnlinie, die eine zuvor dort verkehrende Buslinie ersetzt. Doppelgelenkbusse sind also höchstens eine Übergangslösung, um die Lage im überlasteten Spandauer Busnetz vorläufig zu verbessern, bis die Tram kommt.