Der schlimmste Fußballklub der Welt ist ohne Frage der Íbis Sport Club. Es ist mitnichten der Tuv Azarganuud Football Club aus Töw-Aimag, auch wenn die »Zentralhengste« alle neun Hinrundenspiele der mongolischen Premier League verloren haben und mittlerweile nach 24 Spielen ein Torverhältnis von 25:151 haben. Am schlimmsten lief es gegen den FC Deren aus der Hauptstadt Ulaanbaatar (0:21).
Nein, die güldene bleierne Fussfessel geht eindeutig an den Íbis SC aus dem brasilianischen Bundesstaat Pernambuco im Nordosten, der, beheimatet nahe Recife, in der dortigen Serie A2 »spielt«. Seine Spitznamen lauten: »Schwarzer Vogel« bzw. »Schlimmstes Team der Welt« (O pior time do mundo). Doch um der allerschlimmste Klub zu sein, dafür muss man mehr bieten als nur die Krone des Verlierens. Es braucht Morbidität in großen Mengen, eine erkleckliche Dosis an Masochismus und das deprimierte Nachwürzen jeder Niederlage. Diese Mixtur führt zu konstanter Selbstgeißelung und also zur Lobpreisung des Lächerlichen.
Der Íbis SC ist in Pernambuco ganz klar die Antithese zum FC Barcelona in Katalonien. Präsident Ozir Ramos Junior, Ex-Spieler und -Trainer, beschreibt die Sucht seiner Jungs nach dem Misserfolg derart: »Es ist wie bei einem Alkoholiker und seinem Cachaça (Zuckerrohrschnaps): Er weiß, dass es ungesund ist, aber er verehrt das Laster.«
Kann ein Klub, der sich über ein heiliges Federvieh des alten Ägypten definiert, eine Zukunft haben? Die Ägypter sollen den Vogel Ibis geopfert haben, damit die Fliegen von den Toten ablassen (vermutlich handelte es sich dabei aber eher um einen Waldrapp.) Der Íbis SC indes lebt durch Verwesung, von einer verrottenden Verteidigung. Seine Stürmer treffen nicht mal einen Regenbogen, das Mittelfeld ist unbeweglicher als der Mittelkreis. Beim »Schwarzen Vogel« ist Verlieren Kult. Selbstgeißelung wird zum Lustgewinn. Tore schießen kann doch jeder. Nur wozu? Was zählt, ist einzig und allein der Ehrgeiz zu verlieren.
Ihren unbestrittenen Loser-Weltruhm erkämpften sich die Pernambucanos vor allem Anfang der 80er Jahre, als sie es tatsächlich fertigbrachten, vier Jahre lang sieglos zu sein. Die Fans waren begeistert. Verloren wurde im Tennis-Rhythmus: 15:0, 30:0, 40:0. Und doch kauten sie noch immer an ihrem 1:0-Sieg gegen Ferroviário vom schwarzen 20. Juli 1980. Ein weiterer schwarzer Tag für den Klub war der 17. Juni 1984: Ohne eigenes Zutun wurde der Machete FC aus Recife mit 3:1 besiegt. Eine düstere Provokation des Gegners, klar. Dazwischen lagen 55 heldenhaft sieglose Matches, die von sieben Remis getrübt wurden (25:231 Tore).
Star des Teams war von 1980 bis 1990 der einzige Mittelstürmer, Mauro Shampoo. Während dieser Dekade gelang dem »Matador« ein Tor (sein Arbeitszeugnis). Es gibt keine fotografischen oder filmischen Belege dafür. Die Fußballgelehrten streiten sich. War es das beim schrecklichen Sieg gegen Ferroviário? Das bis heute größte Klubidol indes schwört, es sei der Ehrentreffer beim 1:8 gegen denselben Klub gewesen. Registriert ist das nirgends. Der Vereinspräsident dieser Epoche besteht felsenfest darauf, es habe sich um ein Selbsttor gehandelt.
Nächstes Jahr wird Mauro, der aus den Favelas stammt, 70. Er hat 13 Brüder. Sein Vater war blind. Der einzige Titel, den er je gewann, war der des Friseurs. Er schneidet den neuen Kickern des Klubs die Haare und wäscht ihnen vor allem den Kopf. Das ist die Voraussetzung: den Klub verstehen. In Brasilien ist er bekannter als Pelé, das ist der Preis des Verlierens.
Die eigenen Haare gefärbt, sieht aus wie ein Pfauenfächer über einer Art Wasserschweinnest. Auch ein Filmstar ist der spirituelle Führer der Niederlage längst. Da sagt er Dinge, wie: »Spieler, Friseur und Mensch, Mauro Shampoo zu Ihren Diensten.«
Wer Niederlagen nicht feiert, ist nicht schlimm genug. Gegentore müssen bejubelt werden. Eigene gibt es eh nicht. Weniger als eins im Jahr. Das »Jogo bonito« ist eine Erfindung feindlicher Journalisten. Wenn der Klub aus Versehen mal 0:0 »gewinnt«, fordern die Torcedores: Sie sollen alle abhauen, alle! Schließlich wollen sie nicht zum Gespött der Menschheit werden.
Das Maskottchen heißt »Derrotinha« (kleine Niederlage). Die Homepage des Klubs ist seit Dekaden abgestürzt.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192455.klub-wm-wer-nicht-verliert-ist-bloed.html