nd-aktuell.de / 14.07.2025 / Berlin

Antifaschistisch in den Untergrund blicken

Eine Tour führt zu Gedenkorten für Zwangsarbeiter*innen in ehemaligen Brauereien von Prenzlauer Berg

Peter Nowak
In den Kellern der Kulturbrauerei haben sich keine Spuren der Zwangsarbeit erhalten.
In den Kellern der Kulturbrauerei haben sich keine Spuren der Zwangsarbeit erhalten.

Ein Dutzend Menschen haben sich in einer Tiefgarage in der Straßburger Straße versammelt. Sie warten auf den Beginn einer Tour durch die Kellerräume der Königstadtbrauerei im Berliner Ortsteil Prenzlauer Berg. An verschiedenen Stellen wurden Tische aufgebaut, auf denen sich die verschiedenen an der Untergrundtour beteiligten Gruppen präsentieren.

Klaus Lemmnitz stellt die Genossenschaft in der alten Königstadtbrauerei vor. Er gehört zu ihren Gründern. Seinem kurzen Vortrag ist der Stolz darüber anzuhören, dass diese Genossenschaft heute zu den Vorzeigemodellen in Berlin gehört. Auch die Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit des Ortes gehört zu den Grundsätzen der Genossenschaft. So entstand eine Kooperation mit der gewerkschaftsnahen Stiftung Arbeit und Leben, die mittlerweile 30 Jahre währt.

»Was 1995 als dreitägiges Seminar begann, hat sich schnell zu einer fünftägigen Bildungszeit entwickelt, die den Untergrund Berlins nicht nur historisch, sondern politisch und gesellschaftlich beleuchtet«, berichtet Historiker Nico Rollmann. Er beschreibt, wie in beiden Teilen Berlins nach 1989 Räume im Untergrund wieder zugänglich wurden, die sich in ehemaligen Bunkern oder auf verlassenen Industriebrachen befinden. Dabei betont neben Rollmann auch der Historiker Eberhard Elfert, der die Untergrund-Seminare entwickelt hat, die klare politische Positionierung. Sie sprechen von einem antifaschistischen Untergrund. Damit grenzen sie sich von einem Trend ab, bei der Beschäftigung mit den Hinterlassenschaften der Nazis Mythen zu reproduzieren.

Rollmann nennt als Beispiel Gruppen, die alte Bunker besichtigen und sich dann über die angeblich so sichere Bauweise ausbreiten. Doch weder waren die Bunker gegen alle Bomben geschützt, noch standen sie allen Menschen zur Verfügung. Keinen Zugang zu den Bunkern hatten beispielsweise Jüdinnen und Juden.

Auf der letzten Station der Untergrund-Tour wird eine Ausstellung darüber gezeigt, wie der Telefunken-Konzern seine Rüstungsproduktion ab 1944 verstärkt in den Berliner Untergrund verlegte. Wie viele andere Rüstungskonzerne sollten die Produktionsstätten vor alliierten Bombern geschützt werden. Diese Maßnahmen wurden von der Regierung großzügig gefördert. Zwangsweise mit in den Untergrund[1] mussten auch die vielen meist osteuropäischen Zwangsarbeiter*innen.

Die Untergrundstandorte wurden mit dem Tarnnamen Lore versehen. Lore 1 befand sich auf dem Areal der heutigen Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg, eine weitere Lore in der Bockbrauerei in Kreuzberg. Auch dort ist die Geschichte der Zwangsarbeit durch Initiativen von Bewohner*innen und Historiker*innen gut erforscht. In den Kellern der Bockbrauerei soll am 14. September, dem Tag des offenen Denkmals, die kleine Ausstellung über Zwangsarbeit[2] bei Telefunken gezeigt werden.

Auf dem Gelände der Kulturbrauerei[3] hingegen gibt es in den Kellern keine Spuren der Zwangsarbeit. »Die dortigen Gewerbetreibenden wollten in den 1990er Jahren schnell ihre neuen Unternehmen aufbauen und sich nicht mit der Geschichte beschäftigen«, erläutert Elfert. Hier zeigt sich, dass Genossenschaften mit antifaschistischem Blickwinkel eine wichtige Rolle spielen. »Zu viele Menschen äußern sich heute wieder lobend über die angeblichen Erfolge der NS-Rüstungsproduktion und erwähnen die Ausbeutung der Zwangsarbeiter*innen nicht«, sagt Rollmann. Im Hof der Königstadtbrauerei ist dagegen gut sichtbar eine Gedenktafel für die Zwangsarbeiter*innen und alle Opfer von Krieg und Faschismus angebracht.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191941.berlin-kreuzberger-bockbrauerei-zwangsarbeit-fuer-den-endsieg.html?
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191779.ns-zwangsarbeit-spreepark-in-berlin-die-vergessenen-kriegsopfer-berlins.html?
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1180946.ausstellung-heavy-metal-in-der-ddr-schildmuetze-und-bierdeckeldemokratie.html?