nd-aktuell.de / 17.07.2025 / Politik

Kap Verde: Frontex will Überwachungsflieger in Atlantik schicken

Grenzagentur verhandelt mit Kap Verde zu Einsatz vor Westafrika

Matthias Monroy
Seit zwei Jahren gibt es im Senegal eine größere Bewegung gegen Frontex – auch die Regierung ist gegen eine Stationierung in dem Land.
Seit zwei Jahren gibt es im Senegal eine größere Bewegung gegen Frontex – auch die Regierung ist gegen eine Stationierung in dem Land.

Frontex führt nach eigenen Angaben Gespräche mit den Behörden Kap Verdes über eine mögliche Luftüberwachung im Seegebiet vor der Insel. Damit sollen Boote auf dem Weg zu den Kanarischen Inseln entdeckt werden. So steht es in der Antwort auf eine Anfrage der EU-Abgeordneten Özlem Demirel[1]. Dabei geht es möglicherweise um die Stationierung von Flugzeugen, die Frontex bei privaten Firmen least. Bislang hatte die Agentur solche Kooperationen nur mit europäischen Drittstaaten begonnen[2], zuletzt in Albanien und Montenegro.

Ein Einsatz im Atlantik wäre ein Gamechanger für die europäische Migrationsabwehr. Konkrete Details sind bislang nicht bekannt. Auf Nachfrage des »nd« erklärte Frontex, man wolle mit der Mission Spanien bei der Reaktion auf irreguläre Ankünfte auf den Kanarischen Inseln unterstützen und gleichzeitig »den Verlust von Leben auf der gefährlichen Atlantikroute von Westafrika« verhindern. Zu weiteren Fragen hält sich der Sprecher bedeckt.

Im Fokus stehen des anvisierten Einsatzes mutmaßlich die Gewässer vor Senegal und Mauretanien. Mit beiden Ländern hatte Frontex ursprünglich Statusabkommen schließen wollen, um auch in deren Hoheitsgewässern oder an Land Einsätze durchführen zu dürfen. Trotz vorheriger positiver Signale verweigerten die Regierungen beider Länder[3] aber schon die Aufnahme entsprechender Verhandlungen für ein Statusabkommen – ein Abschluss ist damit in weiter Ferne.

Ein Einsatz im Atlantik wäre ein Gamechanger für die europäische Migrationsabwehr.

Die geplante Kooperation mit Kap Verde knüpft an frühere Einsätze an – insbesondere an die 2006 gestartete maritime Operation »Hera«, die Frontex gemeinsam mit Spanien durchführte. Sie bestand aus zwei Teilen: »Hera I« diente der Überwachung der Küsten und Abfahrtspunkte in Westafrika, »Hera II« dem Abfangen von Migrantenbooten auf hoher See und deren Rückführung. Grundlage waren bilaterale Abkommen Spaniens mit den beteiligten afrikanischen Staaten. Allerdings verfügte Frontex damals noch nicht über eigene Flugzeuge. Kap Verde war deshalb an der Überwachung zur Früherkennung von Booten beteiligt.

Senegal und Mauretanien wirkten operativ an »Hera II« mit. Ihre Grenztruppen wurden auf spanischen Patrouillenbooten eingesetzt, um Rückführungen direkt auf See zu ermöglichen – ohne systematische Identitätsfeststellung oder Prüfung eines Schutzbedarfs. Laut einer aktuellen Studie[4] wurden rund 92 Prozent der abgefangenen Personen in die beteiligten Länder zurückgebracht. Derartige Pushbacks gelten spätestens seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte von 2012[5] als rechtswidrig.

Künftige Überwachungsflüge müssten daher – nach Vorbild eines EU-Deals mit Libyen[6] – mit den Seenotleitstellen Senegals und Mauretaniens abgestimmt werden. Entdeckte Boote würden dann durch deren Küstenwachen abgefangen. Eine solche Kooperation war zuletzt wegen Spannungen zwischen der spanischen Küstenwache und Frontex[7] über die Einsatzleitung vor den westafrikanischen Staaten ausgesetzt. Mit den Gesprächen mit Kap Verde könnte die Grenzagentur nun versuchen, diese Blockade zu umgehen – ohne Spaniens direkte Beteiligung.

Allerdings ist die Migration auf der Atlantikroute zuletzt wieder deutlich zurückgegangen. Im ersten Halbjahr 2025 wurden rund 11 000 Ankünfte auf den Kanaren registriert – eine Abnahme um 43 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Mauretanien gilt laut einem internen EU-Papier als Hauptabfahrtsland, gefolgt vom Senegal. Unter den Ankommenden stellten Menschen aus Mali mit 44 Prozent die größte Gruppe, gefolgt von senegalesischen Staatsangehörigen mit 21 Prozent.

Die Linke-Abgeordnete Özlem Demirel kritisierte die Frontex-Pläne scharf: »Es geht nicht um Rettung oder Hilfe, sondern um Abschottung und Kontrolle.« Sie verwies darauf, dass Frontex im Mittelmeer »mit menschenverachtenden Milizen wie der sogenannten libyschen Küstenwache« sogenannte Pullbacks durchführe – also illegale Rückführungen von Schutzsuchenden mithilfe eines Drittstaates.

Auch die Seenotrettungsorganisation Sea-Watch äußerte Kritik: »Sollte es nun erstmals zu einer Flugoperation von Frontex auf afrikanischem Boden, etwa in Kap Verde, kommen, ist das ein weiterer Nagel in den Sarg der vielfach proklamierten europäischen Menschlichkeit«, erklärte die Organisation gegenüber »nd«. Frontex verhindere – gemeinsam mit Milizen – gezielt, dass fliehende Menschen in Europa und damit in Sicherheit ankommen. Statt eine staatliche Seenotrettung zu finanzieren, entscheide sich die EU seit Jahren für »den staatlich organisierten Tod von Menschen auf der Flucht und für die Militarisierung und Externalisierung ihrer Grenzen«.

Links:

  1. https://www.europarl.europa.eu/doceo/document/E-10-2025-002099_EN.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1183548.eu-migrationsabwehr-frontex-weitet-luftueberwachung-aus.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188633.festung-europa-letzter-balkanstaat-schliesst-frontex-abkommen.html
  4. https://www.statewatch.org/publications/reports-and-books/exporting-borders-frontex-and-the-expansion-of-fortress-europe-in-west-africa/
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1127650.push-back-ein-neuer-tiefpunkt-in-der-brutalen-europaeischen-migrationspolitik.html
  6. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1169283.zentrales-mittelmeer-eu-luftaufklaerung-fuer-libyen.html
  7. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1179516.migrationsabwehr-frontex-droht-mit-abzug-aus-spanien.html