Seit November 2024 können trans, inter und nichtbinäre Personen ihren Geschlechtseintrag und Vornamen mit einem Gang zum Standesamt[1] ändern lassen. Bereits vor der Verabschiedung des Selbstbestimmungsgesetzes (SBGG) sorgte der Umgang mit den entsprechenden Daten für Streit. Eine vorgesehene Regelung, Informationen über den neuen Namen automatisiert an eine Reihe von Sicherheitsbehörden[2] weiterzuleiten, wurde wieder gestrichen. Die Rechtswissenschaftlerin Anna Katharina Mangold kritisierte damals einen »in erschreckendem Maße«[3] leichtfertigen Umgang mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Nun beklagen Politiker und queere Verbände erneut eine fahrlässige Handhabung der besonders schützenswerten Daten – und warnen vor möglichen Gefahren für Betroffene.
Grund für die Aufregung ist ein Entwurf aus dem Bundesinnenministerium (BMI)[4] mit dem Namen »Verordnung zur Umsetzung des Gesetzes über Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag im Meldewesen«. Laut diesem Entwurf sollen im Melderegister neue Datenblätter angelegt werden: für den früheren Geschlechtseintrag und Vornamen, das Datum der Änderung und die dafür zuständige Behörde. Damit würde jede Person mit geändertem Geschlechtseintrag sofort als solche erkennbar. Doch nicht nur das. Der Verordnungsentwurf sieht vor, einen Teil dieser Informationen automatisch an bestimmte Behörden weiterzuleiten[5]. Als Beispiel werden die Datenstelle der Rentenversicherung und das Bundeszentralamt für Steuern genannt; bei einem Umzug sollen Meldebehörden zusätzlich über den abgelegten Vornamen informiert werden.
»Der Vorschlag des BMI zeigt ein alarmierendes Maß an Gleichgültigkeit gegenüber dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf informationelle Selbstbestimmung«, sagt Nyke Slawik, queerpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag dem »nd«. Sie habe das Justiziariat der Partei mit einer rechtlichen Einschätzung der Verordnung beauftragt.
Die Deutsche Gesellschaft für Trans*- und Inter*geschlechtlichkeit (dgti) fordert das BMI dazu auf, diese »unnötige und diskriminierende Kennzeichnung früherer Geschlechtseinträge und Vornamen« zu unterlassen. Schließlich können frühere Geschlechts- und Namensabgaben zu »Zwangsoutings im Kontakt mit Behörden führen – mit möglichen Folgen wie Diskriminierung und Stigmatisierung«. Risiken, die in dem Entwurf nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, wie es in einer Stellungnahme der dgti[6] heißt.
Auf die Frage des »nd«, inwiefern der besondere Schutz der verhandelten Daten berücksichtigt wurde, antwortete ein Sprecher des BMI nicht. Auch eine Reihe weiterer Nachfragen ließ das Ministerium unbeantwortet. Es verkündete lediglich sehr allgemein: »Die ›Verordnung zur Umsetzung des Gesetzes über die Selbstbestimmung in Bezug auf den Geschlechtseintrag im Meldewesen‹ ist nötig, da Meldebehörden das Melderegister, wie vom Selbstbestimmungsgesetz vorgesehen, fortschreiben.«
Dieser angeführten Notwendigkeit widerspricht der Verband für queere Vielfalt LSVD – schließlich sei die Änderung von Vornamen und Geschlechtseintrag auch vor der Einführung des SBGG möglich gewesen. Das Verfahren gleicht dem Vorgehen bei einer Adoption: Im Melderegister wird ein neuer Datensatz angelegt, der keinen Hinweis auf den alten Namen enthält; der abgelöste Datensatz bleibt erhalten und wird mit einer Auskunftssperre belegt, die nur in bestimmten sicherheitsrelevanten Fällen aufgehoben werden darf. Laut Bundesverband Trans* (BVT) wird auch seit Inkrafttreten des SBGG so verfahren – eine Fortsetzung wäre dementsprechend problemlos möglich. Der BVT fordert vom BMI zudem eine Prüfung, ob nicht Geburtsdatum, Anschrift und steuerliche Identifikationsnummer ausreichen, um eine Person eindeutig zu identifizieren.
Eine fehlende Begründung, warum nicht behutsamer mit den Daten von trans, inter und nichtbinären Personen umgegangen werden kann, bemängelt auch Maik Brückner, queerpolitischer Sprecher der Bundestags-Linken: »Es drängt sich der Eindruck auf, dass trans Personen gezielt eingeschüchtert werden sollen«. Gegenüber dem »nd« sagt er: »Wir werden nicht einfach wegschauen, wenn trans Menschen zu Versuchskaninchen für den Ausbau von staatlicher Überwachung werden.« Gerade für solche vermeintlich einfachen Verwaltungsvorgänge brauche es eine kritische Öffentlichkeit. Eine Petition[7] der Initiative Queermany gegen die Verordnung wurde bis zum Redaktionsschluss etwa 22 000 Mal unterzeichnet.
Allerdings: Im Unterschied zu einem Gesetz muss eine Verordnung nicht im Parlament diskutiert und verabschiedet werden, sondern kann einfach von der Regierung erlassen werden. Im elektronischen Datensatz für das Meldewesen jedenfalls existieren die neuen Datenblätter seit April.