nd-aktuell.de / 20.07.2025 / Berlin

Berlin: Direkter Weg durch die Spree

Mehr als 200 schwimmende Demonstrierende wollen endlich am Schöneweider Ufer entlanggehen

Lola Zeller
Hinter dem Kaisersteg klettern die Demonstrierenden aus der Spree, um sich zu einer Kundgebung zusammenzufinden.
Hinter dem Kaisersteg klettern die Demonstrierenden aus der Spree, um sich zu einer Kundgebung zusammenzufinden.

»Die Menschen, die hier wohnen, wollen hier langlaufen«, sagt Stefano Weinreich zu »nd«. Weil das mit dem Laufen nicht geht, schwimmt er umgeben von mehr als 200 weiteren Demonstrierenden am Ufer der Spree in Schöneweide entlang. »Ufer frei! Ufer frei«, rufen die Schwimmer*innen dabei. Denn der Weg am Ufer fehlt. Um etwa von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) über den Kaisersteg zum S-Bahnhof Schöneweide zu kommen, müssen Anwohner*innen und Studierende entweder einen Umweg über die Wilhelminenhofstraße in Kauf nehmen – oder durch die Spree schwimmen[1]. Am Samstag haben sich die Demonstrierenden für den direkten Weg entschieden. »Das ergibt doch gar keinen Sinn, dass hier ein Privatgrundstück ist und alle einen riesigen Umweg laufen müssen«, sagt Weinreich, während er in Richtung Platz am Kaisersteg schwimmt.

Mit dabei im Hauptstadtfluss sind auch Emilia Engels und Lena Maron. Beide wohnen in der Nachbarschaft. Sie wünschen sich nicht nur den Uferweg, sondern wollen auch den Wasserweg für alle[2]: »Ich hätte hier gerne eine schwimmbare Spree«, sagt Engels. »Das würde die Lebensqualität hier wirklich verbessern«, so Maron in Bezug auf den Uferweg und das Schwimmen in der Spree. Beide haben sichtbar Spaß daran, am heißen Tag im Wasser schwimmen zu können. Schon im vierten Jahr findet die Schwimmdemonstration in Schöneweide statt – den Rest des Jahres ist es nicht erlaubt, den Fluss zum Baden zu nutzen.

Schwimmbare Spree[3] hin oder her – das hauptsächliche Anliegen der Demonstrierenden bleibt der Landweg. Doch bislang bleiben die Anwohnerrufe unbeantwortet: Trotz mehrfacher Gespräche zwischen Bezirk und Eigentümer in den vergangenen Jahren liegt das Industriegrundstück am Spreeufer unverändert da und das Ufer bleibt durch einen Zaun für die Anwohner*innen versperrt. Schon in den vergangenen beiden Jahren versprach die Treptow-Köpenicker Baubezirksstadträtin Claudia Leistner (Grüne) den Demonstrierenden, dass sie mit dem Eigentümer in Kürze sprechen werde – getan hat sich seitdem nichts. In diesem Jahr konnte Leistner nicht persönlich auf der Kundgebung im Anschluss an die Schwimmdemo sprechen, doch ließ einen Redebeitrag verlesen.

»Ich teile das Anliegen ausdrücklich«, sagt Leistner und bedankt sich bei den Schwimmer*innen und der Bürgerinitiative Schöneweider Ufer für das Engagement. Die Stadträtin plädiert für eine »Kooperationslösung vor einer Konfliktlösung«, sie will sich also mit dem Eigentümer über ein für die Öffentlichkeit zugängliches Spreeufer einig werden.

Es scheint, als würden die Gespräche in diesem Jahr – zumindest bislang – besser laufen als noch vor einem Jahr. Denn damals sagte die Stadträtin, dass der Bezirk gegebenenfalls durch einen Bebauungsplan das Planungsrecht an sich nehmen und dadurch ein Enteignungsverfahren ermöglichen würde. Jetzt spricht Leistner hingegen von »Respekt vor Eigentumsrechten« und verkündet als positive Nachricht, dass der Grundstücksbesitzer das Gelände »entwickeln möchte«. Leistner erhofft sich dadurch eine Lösung, mit der alle Beteiligten zufrieden sind. Das nächste Gespräch mit dem Eigentümer sei für Ende Juli verabredet.

Die Bürgerinitiative Schöneweider Ufer hofft, dass nun tatsächlich Bewegung in die Sache kommt. Den Beschluss für zugängliche Ufer in Treptow-Köpenick und einen Bebauungsplan für das Uferstück zwischen HTW und Kaisersteg gebe es immerhin schon seit 2009. »Es ist gut, dass hier was passiert«, sagt Michael Kleineberg zu »nd«. Man werde bei Baustadträtin Leistner nach den Ergebnissen des vereinbarten Gesprächs fragen und schauen, inwiefern sich die Bürgerinitiative in die Ausgestaltung des Uferwegs einbringen könne. Kleineberg freut sich, dass sich 210 Schwimmer*innen für den Uferweg starkgemacht haben. »Das war eine tolle Stimmung im Wasser mit viel Energie«, sagt er.

Auf der Kundgebung spricht auch Anwohnerin Tamara Wildt. Seit zehn Jahren wohnt sie direkt um die Ecke vom Platz am Kaisersteg. Mit ihren Kindern zu Fuß oder mit dem Fahrrad die Wilhelminenhofstraße zu nehmen, ist nicht nur ein Umweg, sondern auch gefährlich, sagt sie. Denn einen Radweg gebe es nur in eine Richtung, die Straße müsse man sich mit Autos und Straßenbahn teilen, auf dem Gehweg zu fahren sei für die Fußgänger*innen unangenehm. »Es ärgert mich wahnsinnig, dass das so lange dauert, das ist vollkommen unverständlich«, sagt sie zu »nd«. Freie Uferwege würden außerdem nicht nur die Schöneweider*innen erfreuen – man könne das Ganze noch größer denken und sich vorstellen, am Spreeufer entlang bis nach Mitte zu laufen. »Es könnte so schön sein«, sagt sie.

Den Kampf um öffentlich begehbare Ufer größer denken, das will auch Walter Raffauf. Er setzt sich für freie Ufer am Griebnitzsee in Potsdam ein – hier versperren besonders viele Privatgrundstücke den Zugang zum Wasser für alle anderen. »Die Initiativen für freie Ufer in Berlin und Brandenburg sind schon seit Jahren vernetzt«, sagt er. Deshalb ist er zur Unterstützung der Schöneweider*innen angereist. »Das ist ein Thema in der ganzen Region.«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174597.stadtentwicklung-berlin-schoeneweide-im-wasser-fuer-den-landweg.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192002.stadtpolitik-badeverbot-in-berlin-wem-gehoert-die-spree.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191997.stadtentwicklung-spree-badeverbot-in-berlin-stadtpolitische-schwimmzuege.html