Was hat es mit dem neuen Sicherheitsprotokoll der Regierung von Javier Milei auf sich?
Das Sicherheitsprotokoll richtet sich vor allem gegen Demonstrationen und Proteste[1], die in Argentinien[2] traditionell auf der Straße stattfinden. Zu diesem Zweck wird das Recht, auf der Straße zu protestieren, zu einer Straftat erklärt, die ein Eingreifen der Polizei erfordert. Die Sicherheitsmaßnahmen werden von föderalen Polizeikräften durchgeführt, die normalerweise nicht dafür ausgebildet sind. Dies führt zu einem unverhältnismäßigen und rechtswidrigen Einsatz von nicht-tödlichen Waffen wie Schlagstöcken, Tränengas und Gummigeschossen.
Öffentlich zu demonstrieren wird somit zu einer Gratwanderung zwischen Straftat und freier Meinungsäußerung. Was sind die Folgen?
Wir erleben einen Kriminalisierungsprozess, bei dem die Rechtsmittel des Strafrechts missbraucht werden. In einem Szenario, in dem der Protest auf der Straße[3] eine Straftat darstellt, entzieht sich der Staat seiner Pflicht, die Sicherheit der Demonstrierenden zu gewährleisten. Dies gilt auch für die Sicherheit der Demonstrierenden vor den staatlichen Sicherheitskräften selbst, die die Demonstrierenden nicht angreifen oder verletzen dürfen. Zahlreiche Menschen werden willkürlich verhaftet, im besten Fall für eine Nacht, im schlimmsten Fall für Wochen oder Monate, und schwerer Straftaten beschuldigt.
Im März wurde der Fotograf Pablo Grillo während einer Demonstration von einer Tränengasgranate im Gesicht getroffen und dabei lebensgefährlich verletzt. Die Menschenrechtsorganisation CELS ist einer der Kläger in diesem Fall. Wie laufen die Ermittlungen?
Es werden noch immer Beweise gesammelt und vorgelegt. In den vergangenen Monaten haben wir Fotos und Videos von dem Vorfall gesammelt. Die Waffe, mit der die Granate abgefeuert wurde, wurde beschlagnahmt, und das Gericht plant eine Rekonstruktion des Vorfalls mit der Originalwaffe, um die Entfernung, die Geschwindigkeit und die Dynamik des Schusses zu ermitteln. Außerdem wurde unter Beteiligung des gerichtsmedizinischen Dienstes eine Art medizinische Untersuchung durchgeführt, um die Schwere der Verletzungen und das Risiko für das Leben von Pablo Grillo durch dieses Ereignis zu bestimmen.
Das Vorgehen der Regierung gegen Kritiker beschränkt sich jedoch nicht auf Straßenproteste, oder?
Nein. Die Regierung Milei setzt eindeutig auf Konfrontation, zum Beispiel gegen Journalisten, die ihre Entscheidungen kritisieren. Dies spiegelt sich in einem völlig missbräuchlichen und unnötigen Einsatz des Justizsystems wider, der darauf abzielt, Journalisten, aber auch andere Personen, die sich kritisch äußern, einzuschüchtern und gleichzeitig disziplinierend auf sie einzuwirken. Dabei wird die Toleranzschwelle ignoriert, die ein Amtsträger, insbesondere ein Präsident, gegenüber kritischen Äußerungen haben sollte.