Es ist eines der umstrittensten Vorhaben der EU-Kommission: Mit einem sogenannten Omnibuspaket sollen Unternehmen mit Blick auf Berichts- und Sorgfaltspflichten[1] entlastet werden. Geplant ist, die Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), die Lieferkettenrichtlinie[2] (CSDDD) und die EU-Taxonomie-Verordnung, ein Instrument zur Förderung nachhaltiger Investitionen, zu verwässern. Kritiker*innen warnen vor einer umfassenden Deregulierung[3] in den Bereichen Klimaschutz und Menschenrechte.
Doch nicht nur politisch ist der Schritt umstritten. Auch steht der Verdacht im Raum, dass die Kommission gegen eigene Transparenz- und Verfahrensregeln verstoßen hat. Dazu läuft eine Untersuchung der EU-Ombudsstelle gegen die oberste Behörde in Brüssel.
Konkret untersucht Ombudsfrau Teresa Anjinho, warum die Kommission bei der Erarbeitung ihres Vorschlags keine Folgenabschätzung und Klimakohärenzprüfung vorgenommen hat. In dem Rahmen wird analysiert, ob geplante Gesetzentwürfe stimmig und widerspruchsfrei zum Klimaschutz beitragen. Auch hat die Kommission laut Ombudsstelle auf öffentliche Anhörungen verzichtet. Besonders schwer wiegt die Anschuldigung, die Behörde habe hinter verschlossenen Türen mit nur einer Handvoll ausgewählter Wirtschaftsvertreter*innen gesprochen.
Auslöser für das Verfahren ist eine Beschwerde von acht Nichtregierungsorganisationen, die »das undemokratische, intransparente und überstürzte Vorgehen« der Kommission scharf kritisierten. »Der Omnibus-Vorschlag wurde unter Ausschluss der Zivilgesellschaft, ohne ausreichende Belege oder Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen und mit vorrangigem Fokus auf eng gefasste Industrieinteressen vorgelegt«, heißt es in einer Stellungnahme.
Auf Anfrage von »nd« weist die Kommission die Vorwürfe zurück. Man habe sich »auf verschiedene Weise an die Beteiligten gewandt«, erklärt eine Sprecherin. So hätten vorab »zahlreiche Sitzungen mit Unternehmen und ihren Verbänden sowie anderen Interessengruppen« stattgefunden. An einem maßgeblichen Treffen im Februar hätten zudem auch Nichtregierungsorganisationen teilgenommen.
Wer genau bei den Treffen anwesend war und nach welchen Kriterien die Teilnehmer*innen eingeladen wurden, bleibt jedoch unbeantwortet. Offen ist auch, wie die Positionen gewichtet wurden.
Die Kommission begründet ihr Vorgehen mit Verweis auf eine »kritische Dringlichkeit«. Diese habe für Unternehmen bestanden, »die zum ersten Mal im Jahr 2026 für das Geschäftsjahr 2025 Bericht erstatten mussten«. Doch bislang hat die Kommission kein Dokument vorgelegt, »aus dem die besondere Dringlichkeit der Angelegenheit hervorgeht«, heißt es in einem Brief der Ombudsstelle an die EU-Behörde von Mitte Juli.
Die Kommission hat bis zum 15. September Zeit, auf Fragen der Ombudsfrau zu reagieren. Das Verfahren soll vor Ende des Jahres abgeschlossen sein.
Derzeit befindet sich das Omnibuspaket im Abstimmungsverfahren zwischen EU-Rat, Kommission und Parlament. Zuletzt forderte der Rat sogar weitere Lockerungen mit Blick auf die Unternehmensgröße. Demnach sollen nur noch Firmen mit mehr als 5000 statt wie ursprünglich geplant 1000 Beschäftigten unter die Richtlinie fallen. Laut Europäischer Koalition für Unternehmensgerechtigkeit (ECCJ) würden von den mehr als 23 Millionen Unternehmen in der EU knapp 1000 von den Vorgaben erfasst.
Zuletzt hatten über 360 Organisationen, darunter Gewerkschaften, Menschenrechts- und Klimaschutzorganisationen, gefordert, das Omnibuspaket ganz zurückzunehmen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192749.europaeische-union-deregulieren-fuer-die-wirtschaft.html