nd-aktuell.de / 21.07.2025 / Politik

700 Sudanesen in die Wüste deportiert

Ostlibysche Behörden begründen Aktion mit Gesund­heits- und Sicher­heits­bedenken

Matthias Monroy
Die Abschiebung in die Wüste erfolgte wegen angeblicher Infektionskrankheiten, irregulärer Einreise oder Sicherheitserwägungen.
Die Abschiebung in die Wüste erfolgte wegen angeblicher Infektionskrankheiten, irregulärer Einreise oder Sicherheitserwägungen.

Am Freitagmorgen hat die ostlibysche »Anti-Illegal-Immigration-Behörde« eine große Abschiebungsaktion von der Stadt Kufra im Südosten Libyens an der Dreiecksgrenze zu Sudan, Tschad und Ägypten durchgeführt. Unter Führung eines Generals sollen sich daran nach Angaben der Behörde verschiedene Einheiten beteiligt haben.

Begründet wurde die Massendeportation auf Facebook[1] mit Gesundheitsbedenken: Bei einem Teil der Betroffenen seien Infektionskrankheiten wie Hepatitis oder HIV festgestellt worden. Andere seien wegen angeblich illegaler Einreise, Menschenschmuggels oder Sicherheitserwägungen des Landes verwiesen worden. Für andere hätten entsprechende Gerichtsurteile bestanden.

Es war nicht die erste Massenabschiebung aus Libyen. Im Februar wurden in dem Grenzgebiet Massengräber von Geflüchteten entdeckt[2]. Ende Mai dokumentierte das UN-Flüchtlingswerk UNHCR die erzwungene Rückkehr von über 500 Sudanes*innen aus dem libyschen Kufra-Gebiet. Am Samstag meldeten die Behörden die Abschiebung weiterer 183 Personen – diesmal ägyptische Staatsangehörige aus Tobruk, die ohne gültige Dokumente aufgegriffen worden waren.

Das östliche Machtzentrum Libyens steht unter Kontrolle von Feldmarschall Khalifa Haftar. Dessen Libysche Nationalarmee und die Regierung der Nationalen Stabilität kontrollieren weite Teile des Ostens und stehen der UN-anerkannten westlibyschen Regierung in Tripolis feindlich gegenüber.

Hintergrund der Abschiebungen sind massive Fluchtbewegungen aus dem Sudan; seit dem Konfliktausbruch im April 2023[3] betraf dies über 12 Millionen Menschen. Ein Großteil suchte zunächst Schutz in Nachbarländern wie Tschad und Ägypten. Libyen wurde zu einem Transitland für jene sudanesischen Flüchtlinge, die in Europa Schutz suchen wollen. Das UNHCR schätzte im Mai, dass mindestens 311 000 Sudanes*innen seit Konfliktbeginn nach Libyen gekommen sind. Die UN-Behörden gehen davon aus, dass Sudanes*innen mittlerweile 43 Prozent aller Flüchtlinge in Libyen stellen.

Besonders die Region um Kufra wurde zu einem wichtigen Grenzübergang: Schätzungsweise 198 000 Sudanes*innen gelangten allein 2024 hier nach Libyen, schreibt das Portal »Info Migrants«. Die meisten der Ankommenden streben laut UNHCR in die Küstenstädte, um von dort die gefährliche Mittelmeerüberfahrt nach Europa zu wagen. Ihre Situation bleibt auch ohne Massendeportationen prekär: Das UN-Welternährungsprogramm warnte vor Hunger und Ernährungsunsicherheit unter den Geflüchteten. In den libyschen Aufnahmezentren herrschen Gewalt durch Bedienstete und Überbelegung, die medizinische Versorgung ist unzureichend.

Die selbst organisierte Gruppe »Refugees in Libya« übte auf der Plattform X scharfe Kritik an den Abschiebungen in die Wüste. In einer Stellungnahme bezeichnete sie das Vorgehen der Behörden als »eindeutigen Verstoß gegen alle humanitären, moralischen und rechtlichen Standards«. Diese hätten »keine Erklärung« abgegeben, »wie 700 Menschen in die Wüste transportiert wurden, wie der Übergabeprozess an ihr Land stattfand oder welche Behörden sie empfingen«.

Besonders kritisierte »Refugees in Libya« die Praxis, »Vertriebene zu klassifizieren, die Gesunden zu akzeptieren und die Kranken auszuweisen«. Die Organisation forderte von der »Anti-Illegal-Immigration-Behörde« Aufklärung darüber, ob die Abgeschobenen auch den Sudan erreicht haben.

Links:

  1. https://www.facebook.com/61555434834232/posts/pfbid05PBnC4Ao7xXNqwzjYU8fuGvxwGCQBDiziHUdSiYxVUX2i4PuGDyD4HrU53MQt7Kcl
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188921.brutale-folterlager-zwei-massengraeber-mit-migranten-in-libyen-entdeckt.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1172635.sudan-sudan-nachbarlaender-fuerchten-krieg.html