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Trübe Aussichten bei Heiterblick

Bei insolventem Leipziger Straßenbahn-Hersteller spitzt sich die Lage zu

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Straßenbahnbauer Heiterblick erhält derzeit keine Wagenkästen für seine Straßenbahnen mehr.
Der Straßenbahnbauer Heiterblick erhält derzeit keine Wagenkästen für seine Straßenbahnen mehr.

Im Januar blickte Samuel Kermelk noch zuversichtlich in die Zukunft. Der Geschäftsführer des Leipziger Straßenbahnbauers Heiterblick GmbH bewarb sich um den Preis für den Sächsischen Unternehmer des Jahres. Sein Unternehmen, das im Jahr 2026 in Görlitz die erste mit Wasserstoff betriebene Tram auf die Gleise setzen und zum »Flaggschiff der Straßenbahn-Branche in Europa« aufsteigen wollte, habe derlei Anerkennung verdient, sagte er dem Landesportal »So geht sächsisch«.

Inzwischen haben sich die Aussichten bei Heiterblick deutlich eingetrübt. Nicht nur ging Kermelk leer aus, als der Preis im Mai verliehen wurde. Ende April hatte das Unternehmen, das nach einem Leipziger Ortsteil benannt ist, zudem einen Insolvenzantrag gestellt. Als Grund wurden teure Rohstoffe und gestörte Lieferketten genannt. Zwar stünden Aufträge von über 400 Millionen Euro in den Büchern. Es sei aber nicht mehr gelungen, aus den längerfristigen Kontrakten eine »stabile und jederzeit ausreichende Liquidität« zu erwirtschaften. Das Insolvenzverfahren, hieß es, wolle man in Eigenregie durchführen, man sehe »gute Chancen« für eine Sanierung.

Im April meldete Heiterblick Insolvenz an. Nun spitzt sich die Krise dramatisch zu.

Mittlerweile hat sich die Krise für das Unternehmen, das sich aus der vor 100 Jahren gegründeten Hauptwerkstatt der Leipziger Verkehrsbetriebe entwickelte und zuletzt mit 250 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 35 Millionen Euro erwirtschaftete, aber dramatisch zugespitzt. Vergangene Woche wurde bekannt, dass der Waggonbauer Alstom die Lieferung von Wagenkästen gestoppt hat. Zur Begründung hieß es, Heiterblick habe »zentrale Vertragsbestandteile« nicht erfüllt. Das Leipziger Unternehmen wiederum beteuerte, es halte sich »im Rahmen der insolvenzrechtlichen Vorgaben« an seine Verpflichtungen und sei in Gesprächen mit Alstom.

Die Wagenkästen braucht Heiterblick, um einen Hunderte Millionen Euro schweren Großauftrag zu erfüllen, den das Unternehmen 2021 an Land zog, wobei es sich in einer europaweiten Ausschreibung gegen Branchengrößen wie Siemens, Stadler aus der Schweiz und Skoda aus Tschechien durchsetzte. Es geht um die Lieferung von Straßenbahnen für drei sächsische Städte. Leipzig hat 25 sogenannte XXL-Bahnen von 45 Metern Länge geordert und eine Option für weitere 130 Fahrzeuge besiegelt. Zudem gehen acht Bahnen nach Görlitz und sechs nach Zwickau.

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Der Leipziger Trambauer, der seine »individuell gestalteten« Straßenbahnen bisher unter anderem schon nach Bielefeld, Hannover, Dortmund und Würzburg verkauft hat und sich zugutehält, dass zwei Drittel der Wertschöpfung in Sachsen stattfinden, zeigt sich weiter zuversichtlich, den Auftrag erfüllen zu können. Auch wenn man derzeit Kurzarbeit plane, liefen die Produktion und die Arbeit an den Fahrzeugen, hieß es. Die für Leipzig vorgesehenen Bahnen sollten ursprünglich zwischen Anfang 2026 und Ende 2027 ausgeliefert werden. Alstom erklärte, man habe drei der 25 Wagenkästen übergeben. Der französische Konzern betreibt in Sachsen ein Werk in Görlitz, das demnächst an den Rüstungskonzern KNDS übergeht, und in Bautzen. Dort werden ebenfalls Straßenbahnen gefertigt, unter anderem für die Berliner Verkehrsbetriebe.

Bei Heiterblick muss sich zeigen, ob man das richtige Markenzeichen hat. Mit dem Kleiber wurde ein Vogel gewählt, der kopfüber an Bäumen klettert. Auch Heiterblick gehe »ungewöhnliche Wege«. Sie wird das Unternehmen in der schwierigen Lage brauchen. Sachsens Wirtschaftsministerium bleibt zuversichtlich. Der Insolvenzantrag biete »vielfältige Möglichkeiten zur umfassenden Konsolidierung und Neuausrichtung« für das Unternehmen.

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