nd-aktuell.de / 22.07.2025 / Politik

Rudi Friedrich: Stimme der Kriegsdienstverweigerung verstummt

Der am Comer See gestorbene Aktivist Rudi Friedrich hinterlässt eine internationale Lücke

Peter Nowak
Einsatzkräfte fanden den toten Friedrich in einem Waldstück im Hinterland des Touristenortes Bellagio.
Einsatzkräfte fanden den toten Friedrich in einem Waldstück im Hinterland des Touristenortes Bellagio.

Ein 60-jähriger deutscher Urlauber ist beim Wandern am Comer See in Oberitalien ums Leben gekommen, meldeten Presseagenturen Mitte Juli. Der Mann hatte laut der italienischen »Corriere della Sera« mit seiner Frau ein Ferienhaus am Comer See gemietet und war am Montag allein zu einer Wanderung aufgebrochen. Währenddessen schickte er demnach seiner Frau noch Fotos per Handy – dann brach der Kontakt ab. Einsatzkräfte fanden seine Leiche später in einem abgelegenen Waldstück bei Barni, im Hinterland des bekannten Touristenortes Bellagio.

Am 18. Juli teilte der Verein Connection e. V. mit, dass es sich bei dem Verunglückten um seinen langjährigen Vorsitzenden Rudi Friedrich handelte. »Er hinterlässt eine riesige Lücke in unserem international tätigen Verein«, heißt es in einer Pressemitteilung.

Gegenüber »nd« zeigt sich auch Bernd Drücke von der gewaltfrei-anarchistischen Monatszeitung »Graswurzelrevolution« über den Tod seines Freundes und Weggefährten erschüttert. »Es gibt wohl niemanden, der so gut vernetzt mit Militär- und Kriegsdienstgegner*innen in aller Welt war wie Rudi.« Für die Rechte von Kriegs- und Militärdienstverweiger*innen einzutreten, war Friedrichs Lebensaufgabe – und das seit über 40 Jahren, erklärte er selbst im »nd«-Interview im Januar 2025[1].

Anfang der 90er Jahre hatten Tausende junge Männer aus dem ehemaligen Jugoslawien Schutz in Deutschland gesucht, um nicht in einem der nationalistischen Nachfolgestaaten eingezogen zu werden. Friedrich und seine Mitstreiter*innen unterstützten viele von ihnen. Später kamen Deserteur*innen und Verweigerer*innen aus Russland, Belarus, der Ukraine, Israel und vielen anderen Ländern hinzu. »Ziel ist immer, die Betroffenen in ihrer Entscheidung gegen den Krieg zu stärken und vor Rekrutierung zu schützen«, beschrieb Friedrich seine Arbeit.

Unter seiner Leitung entwickelte sich Connection e. V. von einem losen Netzwerk zu einem professionellen Verein mit fünf Angestellten. In den vergangenen Jahren setzte sich Friedrich besonders für Menschen ein, die aus Russland und der Ukraine vor Militärdienst und Krieg flohen. Dafür gründete er die »Object War Campaign«. »Etwa 250 000 Militärdienstpflichtige haben Russland verlassen, um nicht am Krieg teilnehmen zu müssen. Aus der Ukraine sind mehr als 300 000 geflohen. Wir sehen ihre Entscheidung als kleinen individuellen, aber sehr wichtigen Beitrag an, um den Krieg zu beenden«, sagte er zu »nd«.

Für Antimilitarist*innen wie Friedrich waren die vergangenen Jahre mit ihrer wachsenden öffentlichen Rhetorik von »Kriegsfähigkeit« eine große Herausforderung – besonders, da sich mitunter auch ehemalige Kriegsdienstverweigerer daran beteiligten. Für den Herbst hatte Friedrich deshalb eine Rundreise mit Kriegsdienstgegner*innen aus Russland und der Ukraine geplant. Diese wird ohne ihn stattfinden müssen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188310.antimilitarismus-viele-haben-angst-um-ihr-leben.html