nd-aktuell.de / 27.07.2025 / Berlin

CSD in Berlin: Regenbogen gegen Schwarz-Rot-Weiß

Neonazis demonstrieren gegen Berliner Christopher Street Day

Robin Maxime Pohl
Teilnehmer der Neonazi-Gegendemonstration zum Berliner CSD
Teilnehmer der Neonazi-Gegendemonstration zum Berliner CSD

Regenbögen auf Berlins Straßen: Auf dem Leipziger Platz in Mitte begann am Samstag der Christopher Street Day (CSD) in Berlin. Von dort aus zogen mehr als 80 Wägen und rund 100 Fußgruppen unter dem Motto »Nie wieder still!« über den Potsdamer Platz bis zum Brandenburger Tor. Laut Veranstaltenden war der Zug in diesem Jahr so groß wie schon lange nicht mehr.

Ein Grund für den Zulauf dürften nicht zuletzt die politischen Auseinandersetzungen um das Zeigen der Regenbogenfahne am Bundestag gewesen sein. So verbot die Parlamentspräsidentin Julia Klöckner das Aufziehen der Fahne am Gebäude anlässlich des CSD in Berlin[1]. Bundeskanzler Friedrich Merz (beide CDU) verteidigte den Beschluss mit den Worten, dass der Bundestag kein »Zirkuszelt« sei. Der queerfeindliche Grundton dieser Äußerung sorgte für eine öffentliche Kontroverse. Auch auf der CSD-Demonstration bezogen sich viele Plakate kritisch auf die Worte von Merz.

Neben Fragen der bundespolitischen Unterstützung für queere Anliegen spielten beim Berliner CSD auch Überlegungen zur unmittelbaren Sicherheit der Teilnehmenden eine wichtige Rolle. Im vergangenen Jahr mobilisierten im gesamten Bundesgebiet Neonazis gegen CSD-Veranstaltungen. In Berlin trafen sich 2024 rund 40 jugendliche Rechte am Potsdamer Platz, um den CSD zu stören. Damals konnte die Polizei die Gruppe erst kurz vor der Aufzugstrecke festsetzen. Bereits 2023 versuchte ein Dutzend Personen aus dem Umfeld der neonazistischen Partei »Der III. Weg« abreisende Teilnehmende des CSD am Alexanderplatz anzugreifen.

Die CSD-Veranstaltenden zeigen sich zunehmend besorgt. In Wernigerode kam es in diesem Jahr zu einer Anschlagsdrohung gegen die örtliche Pride. Beim Kölner CSD wurde das Sicherheitspersonal verdoppelt, in Regensburg wurde gar die CSD-Route verkürzt. Antifaschistische Gruppen reagieren, indem sie gemeinsame Anreisen in kleinere Städte zur Unterstützung von Pride-Veranstaltungen organisieren[2]. Einheitliche Konzepte für die Sicherheit gibt es derzeit nicht.

In diesem Jahr gab es auch beim Berliner CSD eine angemeldete Versammlung von Neonazis. Aufgerufen hatten »Deutsche Patrioten Voran«, »Berliner Jugend« und »Deutsche Jugend Voran«. Hierbei handelt es sich um Netzwerke von zumeist jugendlichen Neonazis, die sich vorwiegend über Social-Media-Plattformen organisieren.

Allerdings war am Samstag der politische Wille zur Verhinderung einer extrem rechten Störung des CSD Berlin deutlich zu spüren. Bereits an den umliegenden Bahnhöfen warteten Einsatzkräfte der Polizei, um anreisende Neonazis zum Kundgebungsort am Schöneberger Ufer zu leiten. Zudem schrieb die Berliner Polizei auf der Plattform X, dass bei einer Kontrolle »in der Messer- und Waffenverbotszone am Alexanderplatz« sechs Personen festgenommen worden seien. Darunter war auch die Anmelderin der Gegenversammlung zum CSD.

Letztendlich kamen in der Spitze rund 50 Personen im großflächig abgesperrten Kessel hinter mehreren Reihen Polizeigittern zusammen. Um die Neonazikundgebung herum kam es zu einem spontanen Gegenprotest. Auf dem CSD war von dem extrem rechten Protest kaum etwas mitzubekommen. Als die Demonstration gegen 14 Uhr am Schöneberger Ufer vorbeizog, übertönten die Boxen das Megaphon der Neonazis um ein Vielfaches. Kurz nach 15 Uhr beendeten diese ihre Versammlung.

Rund 50 Neonazis beteiligten sich an einer Gegendemonstration zum Berliner CSD.

Bei der Abreise kam es noch am Bahnhof Friedrichstraße zu polizeilichen Maßnahmen gegen eine Neonazigruppe. Zudem wurde der Versuch einer Spontanversammlung am S- und U-Bahnhof Wuhletal unterbunden. In dem rechten Protest zeigt sich für Daniel Weber von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) eine besorgniserregende Entwicklung: »Fast jede CSD-Demonstration in Berlin und im Umland wurde in diesem Sommer von queerfeindlichen, rechtsextremen Aufmärschen bedroht. Damit setzen die Gruppen die bundesweit hohe Mobilisierung gegen queere Sichtbarkeit aus dem Jahr 2024 fort.« Allerdings hätte kaum eine der Versammlungen in Berlin in diesem Jahr mehr als 30 Teilnehmende gehabt, so Weber weiter. Trotzdem zeigten die beständigen Versammlungsanmeldungen, dass Queerfeindlichkeit ein zentrales Motiv dieser aktionsorientierten Rechtsextremen sei.

Neben dem CSD demonstrierten in Kreuzberg nach Angaben der Veranstaltenden rund zehntausend Personen auf der »Internationalist Queer Pride for Liberation«, die sich explizit auf die vielfältigen Bedrohungslagen für queere Menschen weltweit bezog. Neben den Konflikten in Kaschmir, im Kongo und im Sudan war vor allem die Palästina-Solidarität prägend für den Aufzug. Bereits am Auftaktort am Südstern zeigte die Berliner Polizei massiv Präsenz. Im Verlauf der Demonstration wurde diese mehrfach angehalten. Auf der Höhe des Kottbusser Tors erfolgte dann die vorzeitige polizeiliche Auflösung, nachdem es zu wiederholte Angriffen auf Beamte gekommen sein soll. In einer ersten Auswertung spricht die Berliner Polizei von 57 Festnahmen und 17 verletzten Beamten.

Teilnehmende äußern Unverständnis über die aus ihrer Sicht einseitige Eskalation auf der queeren Demonstration: »Für mich entsteht der Eindruck, dass Queerness in Berlin nur bis zu einem bestimmten Punkt politisch sein darf. Das Einstehen für eine intersektionale Perspektive, die Unterdrückung weltweit thematisiert, wird von der Polizei verhindert«, sagte eine Teilnehmerin gegenüber »nd«.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192865.keine-regenbogenflagge-auf-dem-bundestag-csd-in-berlin-warum-kloeckners-argumentation-queerfeindlich-ist.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191592.antifaschismus-csds-in-brandenburg-regenbogensommer-ohne-nazis.html