nd-aktuell.de / 28.07.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Zu hohe Preise in armen Ländern

Inflation bei Lebensmitteln fällt weit drastischer aus als die allgemeine Preissteigerung

Hermannus Pfeiffer
Mit dem starken Anstieg der weltweiten Lebensmittelpreise haben viele Einkommen in einkommensschwachen Ländern nicht Schritt gehalten.
Mit dem starken Anstieg der weltweiten Lebensmittelpreise haben viele Einkommen in einkommensschwachen Ländern nicht Schritt gehalten.

Lebensmittel werden immer teurer[1]. Nicht allein in Deutschland. Der anhaltende Anstieg der weltweiten Lebensmittelpreise hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Ernährung und Ernährungssicherheit[2] insbesondere in einkommensschwachen Ländern. So geben private Haushalte im globalen Süden einen weit größeren Teil ihres Einkommens für Lebensmittel aus als etwa Haushalte hierzulande. Daher trifft jene die Inflation besonders hart, heißt es im zu Beginn dieser Woche in Rom veröffentlichten Welternährungsbericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).

Im Mittelpunkt des neuen Reports zum Stand der Ernährungssicherheit und Ernährung (SOFI) stehen die Preissteigerungen der vergangenen Jahre. Seit 2020 liegt die Lebensmittelinflation konstant über der Gesamtinflation. Was die FAO auf die erhöhte »Volatilität« (Schwankungsanfälligkeit) der Agrarmärkte und den anhaltenden Druck auf die Agrar- und Lebensmittelmärkte durch Kriege und Naturkatastrophen zurückführt.

In fünf Jahren sind die Lebensmittelpreise weltweit um mehr als 35 Prozent gestiegen, während die Preise im Schnitt lediglich um 25 Prozent zunahmen.

Im Januar 2023 erreichte die Lebensmittelinflation mit 13,6 Prozent ihren bisher höchsten Stand und übertraf die Gesamtinflation um 5,1 Prozentpunkte. Obwohl beide Indikatoren Mitte 2023 zu sinken begannen, blieben sie erhöht. Erst 2024 erreichte die Lebensmittelinflationsrate wieder das Niveau von vor der Pandemie, nämlich 2 bis 3 Prozent im Jahr. Die Auswirkungen bleiben jedoch nachhaltig bestehen: In fünf Jahren sind die Lebensmittelpreise weltweit um mehr als 35 Prozent gestiegen, während die durchschnittlichen Preise lediglich um 25 Prozent zunahmen. Viele Einkommen in den einkommensschwachen Ländern haben mit der Inflation nicht Schritt halten können.

Neben den Preisen ist es die lokale Verfügbarkeit von Lebensmitteln, die für Hunger sorgt. War der Anteil der unterernährten Menschen trotz wachsender Weltbevölkerung in zwei Jahrzehnten von 12 auf 7,5 Prozent gesunken (in den 1960er Jahren waren es mehr als 35 Prozent), hat die Corona-Pandemie den positiven Trend gebrochen. Der scheint sich nun abgeschwächt aber wieder fortzusetzen. Nach einem Anstieg bis auf 9,3 Prozent sank der Anteil der zumindest zeitweilig Hungernden 2022 und 2023 und auch im vergangenen Jahr: Die FAO schätzt den Anteil auf wahrscheinlich 8,2 Prozent.

Dass bei der Interpretation der Zahlen und Daten eine gewisse Zurückhaltung angemessen ist, zeigt der 234 Seiten lange FAO-Bericht gewissermaßen im Kleingedruckten. Darin wird die Zahl der Menschen, die 2024 Hunger erlitten, auf »638 bis 720 Millionen« recht unscharf beziffert (7,8 bis 8,8 Prozent der Weltbevölkerung). Hinzu kämen laut FAO mehr als zwei Milliarden Menschen, die keinen regelmäßigen Zugang zu ausreichender Nahrung hatten.

Initiativen wie Action Contre la Faim befürchten, dass die Zahlen in diesem Jahr wieder hochschnellen könnten und eine weitere humanitäre Krise drohe. Wichtige Geberländer wie die USA, Deutschland und Frankreich haben ihre Budgets für internationale Hilfen drastisch gekürzt. Und während sich die Lage in asiatischen Ländern bessert, verschärft sich der Hunger in Konfliktregionen wie im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika. Rund die Hälfte aller Hungernden lebt in Afrika. Dort gilt jeder fünfte Mensch als unterernährt. Dabei treten in vielen Staaten drei Formen der Fehlernährung gleichzeitig auf. Neben Unterernährung sind das Übergewicht und Mikronährstoffmangel. Regional wie global ist daher auch die »ungerechte« Verteilung von Nahrungsmitteln ein Problem.

Für die Zukunft gibt es durchaus verhalten optimistische Prognosen. Die Welternährungsorganisation FAO und die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben kürzlich einen Bericht über die zukünftige Lage der Agrarmärkte vorgelegt. Danach steigt die globale Kalorienproduktion aus Fleisch und Fisch bis 2034 um 6 Prozent. Hauptsächlich sei dies auf eine Steigerung des Fleischkonsums in den Ländern mit mittleren Einkommen zurückzuführen. Die globale Produktion aller Agrarprodukte steigt im selben Zeitraum immerhin um 14 Prozent. Grund dafür sind Effizienzgewinne in der Produktion in den Schwellenländern.

Produktivitätsgewinne führen zu tendenziell niedrigeren Preisen bei landwirtschaftlichen Gütern. Aber auch dies hat eine Schattenseite: Unter dem damit verbundenen Preisdruck leiden vor allem Kleinbauern. Sie sind volatilen Marktpreisen stärker ausgesetzt, und es fehlt ihnen an Kapital, um Investitionen zu finanzieren, welche die Produktion steigern könnten.

Auf einen weiteren Aspekt weist das Potsdamer Institut für Klimaforschung hin: die billionenschweren »versteckten Kosten«. Die Kostenpalette reicht von der ungesunden Ernährung vieler Menschen bis hin zu Umweltschäden durch die Landwirtschaft, etwa durch die chemische Belastung der Böden.

Ökonomen der Universität in Melbourne weisen zudem auf den »Wasserstress« hin. In wichtigen Agrarregionen, vom Südwesten der USA bis Indien, Russland und China, werden weite Teile schon heute künstlich bewässert. Mehr als zwei Drittel des weltweiten Wasserverbrauchs gingen auf das Konto der Agrar-Bewässerung. Aufgrund zunehmender Wasserknappheit könnte – je nach Szenario – 2050 deutlich weniger Nahrung hergestellt werden als heute. Gleichzeitig wird erwartet, dass die Weltbevölkerung deutlich zunimmt.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192790.heilbronn-lidl-lohnt-sich-aber-fuer-wen-protest-gegen-milliardaere.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192410.ernaehrungsarmut-hunger-nach-industrie.html