Dass die rechte Volkspartei (PP) in Spanien tief im Korruptionssumpf steckt, ist kein Geheimnis.[1] Es ist die einzige Partei im Land, die wegen eines »effizienten Systems institutioneller Korruption« rechtskräftig verurteilt wurde. Neueste Enthüllungen gegen das ehemalige PP-Führungsmitglied Cristóbal Montoro sprengen diesen Rahmen offenbar noch. Diese Vorgänge werfen aber erneut auch ein fahles Licht auf die politisierte spanische Justiz. Ans Licht kamen die Enthüllungen in der CDU-Schwesterpartei nur gegen Widerstände aus der Madrider Justiz.
Im Fall Montoro ermittelte nicht die Justiz in der Hauptstadt, sondern ein Ermittlungsrichter in der katalanischen Hafenstadt Tarragona. Rubén Rus Vela und die katalanische Polizei Mossos d’Esquadra[2] trieben die Untersuchungen zunächst geheim voran. Veröffentlichte Dokumente zeigen nun, dass die Ermittlungen aus Madrid sogar behindert wurden. Am Montag hat die spanische Online-Zeitung »Eldiario.es« veröffentlicht, dass ausgerechnet der leitende Staatsanwalt für Korruptionsbekämpfung Alejandro Luzón die Ermittlungen gegen eine »Organisation« behindert habe, in der Montoro »eine zentrale Rolle« gespielt haben soll. Der war unter Ministerpräsident Mariano Rajoy von 2011 bis 2018 Finanzminister.
Montoro soll einst Verantwortliche ernannt haben, die dann im Ministerium »gesichert« hätten, dass Gesetze nach Bezahlung von Schmiergeld »nach Anforderungen« zunächst von Gasunternehmen ausgearbeitet wurden. Die Gesetze, die dann im spanischen Parlament angenommen wurden, seien teils sogar von den Unternehmen formuliert worden. Das erklärt der Ermittlungsrichter Rubén Rus Vela in seiner Anklageschrift.
Wie das ablief, konnten die Ermittler über den E‑Mail-Verkehr dokumentieren. »Der direkte Weg besteht wie immer darin, das Büro zu bezahlen, das direkten Kontakt zu Montoro hat«, beschreibt ein verstricktes Unternehmen. Der Vorgang lief über »Equipo Económico« (EE) und Rus Vela bezieht sich auf 25 Verträge mit der Beratungsfirma. Die war einst von Montoro gegründet worden und hieß zunächst »Montoro y Asociados« und wurde im Jahr 2008 umbenannt. Durch Bestechungsgelder an EE erreichten Gasunternehmen etwa eine Absenkung der Stromsteuer um 85 Prozent. Kostenpunkt dafür: 2,2 Milliarden Euro Steuerausfall.
Montoro ist kein unbeschriebenes Blatt. Er hatte im Jahr 2012 eine Steueramnestie ausgearbeitet. Milliarden um Milliarden an Schwarzgeld wurden für eine Abgeltungsteuer von höchstens zehn Prozent legalisiert, ein Schlag ins Gesicht ehrlicher Steuerzahler. Obwohl dieser Vorgang vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig abgeurteilt wurde, hatte es weder Konsequenzen für die kriminellen Steuerhinterzieher noch für Montoro[3] gegeben.
Die Beweislage über das »Netzwerk der Einflussnahme«, wie der Ermittlungsrichter es nennt, wurde in den vergangenen Jahren immer erdrückender. Umso erstaunlicher, dass der oberste Korruptionsbekämpfer Luzón eher behinderte. Er stellte die Ermittler vor zwei Jahren unter seine Kontrolle. Darüber soll aus Madrid verhindert worden sein, dass eine E-Mail-Adresse, die Montoro im Finanzministerium benutzt habe, auch hätte ausgewertet werden können, schreibt »Eldiario.es«. Die mutige Anti-Korruptionsstaatsanwältin Carmen García Cerdá, die mit Luzón schon in anderen Korruptionsermittlungen gegen die PP streiten musste, wurde mit einer Disziplinarstrafe belegt. Sie hatte versucht, gegen die Anweisung ihres Chefs diese E-Mails doch zu untersuchen.
In Katalonien wurde aus abgefangenen E-Mails herausgefiltert, dass sich das korrupte Netzwerk auf weitere Sektoren wie erneuerbare Energien oder das Baugewerbe ausgeweitet habe. Inzwischen wurde ein Strafverfahren gegen Montoro, sein Team und diverse Unternehmen eingeleitet. Bisher sind neben Montoro weitere 28 Personen angeklagt.
Warum die Ermittler aus Madrid gebremst wurden, darüber kann bisher nur spekuliert werden. Vermutet wird, das habe damit zu tun, dass auch vertrauliche Informationen über Steuerzahler an Montoro gingen, die der als Druckmittel gegen politische Gegner eingesetzt habe. Genannt werden hier die Linkspartei Podemos oder auch Katalanen, die für die Unabhängigkeit Kataloniens eintreten.
Korruptionsvorwürfe stehen auch gegen die regierenden Sozialdemokraten von Pedro Sánchez im Raum, die Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo von der rechten PP zur Forderung nach Neuwahlen animierte. Der Fall Montoro und die PP-Geschichte stärken seine Position nicht.