Drei Jahre ist es her, dass Amin Farah – genannt Biriq – bei einem Polizeieinsatz im Frankfurter Bahnhofsviertel erschossen wurde. Der damals 23-jährige Somalier starb am 2. August 2022[1] in einem Stundenhotel, als ein Beamter des Spezialeinsatzkommandos sechs Schüsse auf ihn abgab – fünf trafen, einer davon tödlich in den Kopf.
Die Staatsanwaltschaft stellte das in diesen Fällen übliche Ermittlungsverfahren gegen den Polizisten 2024 ein: Er habe in Notwehr gehandelt, der Erschossene habe ein Messer geführt und einen Beamten angegriffen. Eine Sexarbeiterin hatte zuvor den Notruf gewählt, nachdem Farah sie mit einem Messer bedroht haben soll. Eine zweite Frau berichtete von einem »revolverähnlichen Gegenstand« auf dem Nachttisch – später stellte sich heraus, dass es sich um zwei Spielzeugwaffen handelte.
Nachdem ein ins Zimmer geschickter Polizeihund Farah in den Arm gebissen hatte, folgten die SEK-Beamten im Sturm. Der spätere Schütze habe dabei laut den Ermittler*innen eine »Stichbewegung« Farahs erkannt. Diese Version zieht die Familie Farahs jedoch in Zweifel. Amins Bruder Abdiwali Farah, der in Äthiopien lebt, hat deshalb über seine Anwältin Beate Böhler beim Oberlandesgericht Frankfurt ein Klageerzwingungsverfahren angestoßen, berichtet die »Hessenschau«. Das Ziel ist die Wiederaufnahme der Ermittlungen.
Böhler hält die Notwehr-These für nicht haltbar: Nicht der Polizist, sondern Farah habe sich durch den Hundeangriff in einer Notwehrsituation befunden. Der Kopfschuss sowie ein Schuss in die Schulter seien laut Obduktionsbericht von oben abgegeben worden – das könne bedeuten, dass Farah bereits am Boden lag.
Zudem kritisiert Böhler gravierende Versäumnisse bei den Ermittlungen: Ein mutmaßlich blutbeflecktes Kettenhemd des Beamten sei nicht sichergestellt, Zeug*innen aus dem Hotel nicht befragt, die Personalakte des Schützen nicht gesichtet worden. So kann nicht geklärt werden, ob gegen diesen bereits zuvor wegen Schusswaffengebrauch ermittelt wurde – für die Angehörigen des Opfers und deren Anwältin ein wichtiges Detail.
Weder die Staatsanwaltschaft noch die Frankfurter Polizei äußerten sich gegenüber der »Hessenschau« zu den Vorwürfen. Das Gericht will frühestens im Herbst über die Zulassung des Klageerzwingungsverfahrens entscheiden.
Unterstützt wird die Familie von einem Solidaritätskreis im Frankfurter Bahnhofsviertel. Auch zum dritten Todestag von Biriq haben die Aktivist*innen eine Kundgebung organisiert. Aus der Ferne schilderte Abdiwali Farah auf einer Veranstaltung per Whatsapp seine Enttäuschung über die bisherige Haltung der deutschen Justiz und sagte: »Ich werde bis zum letzten Moment meines Lebens für Gerechtigkeit kämpfen.«
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193067.fall-amin-farah-klageerzwingung-fuer-biriq.html