nd-aktuell.de / 05.08.2025 / Politik

FDP reloaded – ein neues Grundsatzprogramm für die Liberalen

Die FDP steht vor Trümmern – jetzt will sie sich ein weiteres Mal neu erfinden

Patrick Lempges
Die neue Generalsekretärin der FDP, Nicole Büttner, setzt auf künstliche Intelligenz.
Die neue Generalsekretärin der FDP, Nicole Büttner, setzt auf künstliche Intelligenz.

»Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt« – so oder so ähnlich bewirbt die FDP ihren Zustand[1]. Mit nur 4,3 Prozent sind die Liberalen aus dem Bundestag ausgeschieden und versuchen jetzt einen Neustart. Den personellen Neuanfang vollzogen die Liberalen im vergangenen Mai bei einem Bundesparteitag. Dort trat der frühere Fraktionsvorsitzende Christian Dürr die Nachfolge von Christian Lindner als Parteivorsitzender an. Die Tech-Unternehmerin und KI-Spezialistin Nicole Büttner wurde zur neuen Generalsekretärin gewählt. Jetzt folgt eine parteiinterne Befragung zur Schaffung eines neuen Grundsatzprogramms.

Es ist nicht das erste Mal, dass die FDP auf der Suche nach einer neuen Identität ist. Schon nach dem Wahldebakel 2013, als die Partei unter Philipp Rösler das erste Mal mit 4,8 Prozent aus dem Parlament ausschied, stellte sich die Frage der Existenzberechtigung der FDP. Christian Lindner beantwortete diese mit einer cleveren PR-Kampagne und dem Image als digitale Fortschrittspartei; das brachte bei den Wahlen 2017 10,7 Prozent. Die Koalitionsverhandlungen mit Union und Grünen ließ Lindner jedoch platzen: »Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren.« Das war der Beginn eines Vertrauensverlustes.

Im Kontext der Coronakrise ab 2020 wurde das neue Image der FDP stetig populistischer. Aussagen des Partei-Vizes Wolfgang Kubicki und Lindners zur vermeintlichen Verbotskultur der Regierung Merkel deuteten eine Änderung der strategischen Ausrichtung an.

Nach der Rückkehr in die Regierungsrolle 2021 mit 11,5 Prozent drehte sich die FDP dann komplett. Sie trat nicht länger als Modernisierer auf, sondern im Kontext eines rechten Kulturkampfes als Verteidiger der Freiheit gegen »woke Linke« – innerhalb der eigenen Regierung. Dieser Positionswechsel war nicht vermittelbar. Wer modernisieren will, muss investieren, doch dies verbot die Schuldenbremse, zu der die FDP weiterhin stand. Die FDP trat mit digitalem Modernisierungsversprechen an, doch durch die Manöver Lindners und Kubickis wirkte die Partei als konservativer Blockierer der eigenen Regierung. Der Vertrauensverlust wurde bei der Wahl 2025 deutlich: nur 4,3 Prozent. Das niedrigste Ergebnis, das die FDP je hatte.

Jetzt will sich die FDP wiederum neu erfinden. Helfen soll eine Mitgliederbefragung, die in den nächsten Tagen auch für Interessierte geöffnet werden soll. Die Antworten sollen anschließend von einer Künstlichen Intelligenz ausgewertet werden, um Themenschwerpunkte zu identifizieren, und in die Programmkommission einfließen, um ein neues Grundsatzprogramm zu erarbeiten.

Der Deutschen Presse-Agentur erklärt Generalsekretärin Büttner: »In Zeiten des Wandels wollen wir Freie Demokraten auch Politik neu denken – offener, digitaler und näher am Alltag der Menschen.« Auf der Website der Liberalen drängen sich Artikel und Interviews mit dem neuen Spitzenduo. Die Tonalität: modern, technikaffin, bürgernah, mit Slogans wie »Wir brauchen ein neues Betriebssystem«, »Politik, die den Alltag der Menschen verbessert« oder »Wir müssen erst mal zuhören«.

Die Strategie der Einbindung der Wählerschaft in den Programmfindungsprozess, das Zuhören und die Fokussierung auf Alltagsprobleme der Menschen sind nicht neu. Sie erinnert stark an die Vorwahlkampagne der Linken letztes Jahr[2]; nur statt auf Haustürgespräche setzt die FDP auf Online-Befragung. Im Gesprächsleitfaden[3] der Haustürgespräche der Linken wird betont, nach den Sorgen und Nöten der Menschen zu fragen, denn »wir als Linke wollen Politik anders machen«. Mit dem Heizkosten-Check[4] und der Mietwucher-App[5] will man direkt Probleme der Menschen angehen und Wirkmächtigkeit demonstrieren.

Das neue Image der FDP bleibt offen, die derzeitige Medienpräsenz dem Markenkern der Liberalen aber weiter treu: Bürokratie, Wirtschaft, kapitalgedeckte Rente. Der Stil erinnert bisher stark an die Modernisierungsnarrative von 2017.

Kubicki plädierte dem entgegengesetzt in seinem neuen Buch »Aufwind im Freien Fall. Eine liberale Kampfansage« abermals für einen rechtslibertären Kulturkampf. Die FDP müsse zu einer »freiheitlichen Kampfeinheit« werden. Der alte sozialliberale Flügel scheint derweil überhaupt nicht mehr zu existieren. Welche Strömung sich durchsetzen und welches neue oder alte Image sich die FDP in Zukunft auf ihr Banner schreiben wird, ist offen.

Links:

  1. https://www.fdp.de/
  2. https://www.die-linke.de/partei/parteidemokratie/parteivorstand/parteivorstand-2022-2024/detail-beschluesse-pv/news/plan-25-vorwahlkampf/
  3. https://www.die-linke.de/fileadmin/4_Wahlen/Gesprächsmaterial.pdf
  4. https://www.die-linke.de/mitmachen/kampagnen/heizkostencheck/
  5. https://www.mietwucher.app/de