Veronika Grimm, ihres Zeichens Wirtschaftsweise und weiterhin Aufsichtsrätin bei Siemens Energy, gilt mancherorts als bodenständig, sachlich, pragmatisch – aber eben auch als martkliberal. Zum Profil der Wirtschaftswissenschaftlerin gehört es, Diskussionen anzustoßen und vermutlich auch, Debatten zu drehen. Jetzt machte sie eine Vorlage für Leistungskürzungen in den Sozialsystemen.
Nicht, dass sie deren Finanzierung kritisch untersucht hätte. Nein, es geht gleich zur Sache: Da dürfe nicht mehr versprochen werden, als gehalten werden kann. Und es sei Ehrlichkeit darüber gefordert, »welche Leistungen wir uns leisten können und welche nicht«. Unter anderem in der Rente[1] seien Haltelinien auf Dauer nicht finanzierbar. Gegen immer höhere Lohnnebenkosten würden nur Leistungskürzungen helfen. Von welchem »Wir« Grimm spricht, bleibt offen.
Die Wirtschaftsweisen werden von der Bundesregierung berufen[2], und sollen diese beraten. Die Anstöße von Grimm gelten der Regierung. Die habe zu viele Wahlgeschenke verteilt, unter anderem mit der Mütterrente. (Die Rüstungsindustrie nennt sie nicht.) Einziger Finanzierungsausweg: Kürzungen von Leistungen. Was zum Beispiel noch SPD-Minister Karl Lauterbach für den Gesundheitsbereich strikt ablehnte. Jetzt soll es denkbar werden. In den letzten Wochen zeigten sich hier und da ähnliche Ansätze, etwa mit der Forderung, in der Pflegeversicherung für alle neuen Pflegefälle ein leistungsfreies Jahr einzubauen.
Die Einstimmung auf den weiteren Abbau des Sozialstaats wird sorgfältig orchestriert, die einzelnen Stimmen gelten als solche der Vernunft. Und die Bundesregierung wird schon bald auf sie hören, versprochen.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193207.sozialpolitik-liberalismus-als-vernunft-getarnt.html