Noch »radikaler« als Frauke Brosius-Gersdorf[1] soll sie also sein: Ann-Katrin Kaufhold, die zweite von der SPD vorgeschlagene Kandidatin als Verfassungsrichterin. Zunächst erscheint die inhaltliche Auseinandersetzung mit den absurden Vorwürfen sinnlos, geht es der extremen Rechten doch nur darum, die Bundesregierung ins Wanken zu bringen – doch vielleicht besteht genau darin eine Möglichkeit, den Diskurs zu verschieben.
Die Causa Brosius-Gersdorf hat eine erneute Debatte über den Abtreibungsparagrafen §218[2] ausgelöst. Warum nicht auch aus den Angriffen auf Kaufhold eine Diskussion stricken – über Umweltrecht, Klimaschutz und Vergesellschaftung?
Kaufhold arbeitet als Juristin zum Klimawandel. Das ist nicht radikal – es ist das Mindeste: bisher haben Gerichte den Umweltverbrechen großer Unternehmen kaum Einhalt geboten. Ideen wie eigene Rechte für die Natur sind nicht so absurd, wie die rechte Hetze es erscheinen lassen will – im Gegenteil: in der Rechtswissenschaft wird darüber ernsthaft diskutiert und in Ländern wie Ecuador sind Rechte für die Natur längst verankert.
Der zweite Vorwurf lautet, Kaufhold sei »Enteignungsbefürworterin«. Tatsächlich saß sie in einer Berliner Expert*innenkommission, die nach dem Volksentscheid »Deutsche Wohnen & Co. enteignen« die rechtlichen Grundlagen für eine Vergesellschaftung prüfte. Dass der Senat das Ergebnis seitdem verschleppt und verwässert, ist der eigentliche Skandal – und ein Affront gegen den klar geäußerten Willen der Bevölkerung. Was sagt eigentlich die AfD dazu, die sonst gern mehr direkte Demokratie fordert?
Voraussetzung für solch einen offensiven Umgang mit der rechten Kampagne 2.0 wäre, dass sich die Union klar hinter Kaufhold stellt – alles andere wäre ein verantwortungsloser Akt politischer Selbstsabotage.