Diesen Dienstag startet die globalisierungskritische Organisation Attac einen erneuten Vorstoß in Sachen Vermögensteuer[1]. Ziel ihrer Petition ist, Vermögen über einem Freibetrag von einer Million Euro progressiv zu besteuern und die Abgaben bis zu einem Spitzensatz von 20 Prozent bei Milliardär*innen mit wachsendem Vermögen stufenweise zu steigern. Durch den Freibetrag von einer Million Euro pro Person wären über 99 Prozent der Menschen in Deutschland nicht von der Vermögensteuer betroffen.
Am Tag vor der Übergabe erzielte die Petition beinahe 70 000 Unterschriften. Das Quorum von 30 000 Unterschriften für eine Behandlung im Petitionsausschuss überstieg die Unterschriftenliste bereits nach der Hälfte ihrer Laufzeit[2]. »Wir sind gespannt, wie die Regierungsparteien auf unsere Argumente reagieren werden«, sagt Julia Elwing aus der Attac-Kampagnengruppe »Tax the Rich« (dt.: Besteuert die Reichen) zu »nd«.
Seit vergangenem Jahr veröffentlicht die Europäische Zentralbank die sogenannte »verteilungsbasierte Vermögensbilanz«. Das ist ein Datensatz, der die Vermögensverteilung in Europa inklusive der Berücksichtigung großer Vermögen präsentiert. In Deutschland besitzen demnach die oberen zehn Prozent über 60 Prozent des Gesamtvermögens, die unteren 50 Prozent etwa zwei Prozent.
2024 lebten in Deutschland außerdem nach den USA, China und Indien die meisten Milliardär*innen weltweit, wie die Hilfsorganisation Oxfam feststellt. Diese Entwicklung setzt sich fort, auch weil Kapitaleinkommen im Vergleich zu Arbeitseinkommen und Verbrauch immer weniger besteuert werden. »Diese steuerliche Bevorzugung der Überreichen führt zu immer mehr Ungleichheit«, schreiben die Initiator*innen von Attac in der Petition.
Die Vermögensteuer wird in der Bundesrepublik seit 1997 nicht mehr erhoben. Ausschlaggebend war ein Entscheid des Bundesverfassungsgerichts. Es hatte das Gesetz für verfassungswidrig erklärt, weil die Bemessungsgrundlagen zuvor über einen längeren Zeitraum vernachlässigt worden waren, insbesondere was die Immobilienwerte betraf. Weil das bisher nicht behoben wurde, ist die Steuer ausgesetzt, entspricht also einer Art Zombie-Gesetz. Abgesehen von Grund und Boden werden Vermögen seitdem weder amtlich erfasst noch besteuert.
Kritiker*innen einer Vermögensteuer stellen seit dem Entscheid infrage, ob diese nicht dem Grundgesetz widersprechen würde. So auch diesen Sommer Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Der Jurist Alexander Thiele kam in einem Gutachten im Auftrag der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung dagegen zum Ergebnis, dass die Vermögensteuer nicht nur »explizit als zulässige Steuerart im Grundgesetz« aufgeführt, sondern sogar gefordert ist. »Zentral ist insoweit der im allgemeinen Gleichheitssatz wurzelnde Grundsatz der Lastengleichheit, der eine Besteuerung nach der individuellen finanziellen Leistungsfähigkeit verlangt«, so Thiele.
Bisher scheitere die Umsetzung der Vermögensteuer auch an »der Vielzahl von Verbänden, die sich für die Interessen der Reichen einsetzten«, meint Elwing von Attac. »Gemeinsames Ziel dieser Gruppen ist es, irrationale Angst zu schüren, Angst, dass es der Wirtschaft schadet, wenn man die Reichen besteuert.« Elwing ist anderer Meinung. Investitionen würden im Gegenteil unter gesellschaftlicher Ungleichheit leiden, zeigt sie sich überzeugt.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193226.vermoegensteuer-aufbaeumen-des-zombie-gesetzes.html