nd-aktuell.de / 11.08.2025 / Berlin

Otter findet keine Wohnung in Berlin

Es gibt neue Zugezogene – wie alle anderen haben auch sie Probleme, Wohnraum zu finden

Jule Meier
Badestelle oder Otter-Refugium? Durch intensive Nutzung und Bebauung der Berliner Ufer steht der Fischotter in Berlin massiv unter Druck.
Badestelle oder Otter-Refugium? Durch intensive Nutzung und Bebauung der Berliner Ufer steht der Fischotter in Berlin massiv unter Druck.

Otter haben einen Lieblingskieselstein, den sie in einer Hauttasche versteckt bei sich tragen, um ihn als Spiel- oder Werkzeug zu nutzen. Viele kennen den niedlichen Fakt über das Mardertier. Nur wenige wissen, dass der Fischotter zurück in die Hauptstadt zieht. Diese Unterart des Otters hat zwar keine Hauttasche, in der ein Kieselstein steckt. Doch die Fischotter sind »grundsätzlich sehr verspielt, auch bis ins hohe Alter«, berichtet Stadtnatur-Ranger Andreas Jacob von der Stiftung Naturschutz Berlin (SNB) »nd«.

Die amphibisch lebenden Fischotter sind nicht nur knuffig, sondern eine sogenannte Schirmart. »Das bedeutet, Maßnahmen, die den Lebensraum des Fischotters schützen, kommen gleichzeitig zahlreichen anderen Tieren und Pflanzen zugute«, klärt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) auf. Darum setzen sich die DUH und die SNB mit Mitteln aus der Jagdabgabe für den Schutz der gefährdeten Tierart ein. »Über allem steht dabei die Frage: ›Wie viel Raum lassen wir wilden Tieren in unserer Stadt?‹«[1], heißt es in einer Broschüre der DUH.

Vorwiegend dämmerungs- und nachtaktiv hält sich der Fischotter »tagsüber versteckt in Erdbauten oder bodennahen Verstecken auf, wo er den Tag bestenfalls ungestört verschlafen kann«, so Jacob. Das sind in der Regel gut geschützte Uferbereiche entlang der Still- und Fließgewässer. Im Projekt »Wohnrauminitiative für den Fischotter« haben DUH und SNB an mehreren Orten Berlins nachgewiesen, dass die seit den Sechzigerjahren in der Hauptstadt als ausgestorben gegoltene Tierart seit einigen Jahren wiederkommt.

Wie kommt’s? »Das Brandenburger Umland ist komplett besiedelt, alle geeigneten Reviere hier sind besetzt, daher drückt die Otterausbreitung quasi auch in die Städte, die als Lebensraum eigentlich wenig geeignet sind«, sagt Sabrina Schulz von der DUH zu »nd«. Dennoch werde es »niemals viele« Fischotter in Berlin geben.

Denn dieser isst – wie sein Name verrät – vorrangig Fische. Außerdem noch Krebse, Muscheln, Wasservögel und andere Lebewesen, die in der Hauptstadt nicht gerade im Überfluss sind. Zudem hat es der Fischotter wie so viele Berliner*innen schwer, Wohnraum zu finden. So werde es »nur wenige Otter als gebürtige Berliner geben«, so Schulz. Denn Otter brauchen naturnahe Uferbereiche, um ihre Kinder aufzuziehen.

»Je ordentlicher ein Ufergrundstück gestaltet ist, desto weniger eignet es sich als Lebensraum für Fischotter und andere Tiere«, teilt die DUH mit. Und wie für so viele Tierarten[2] gilt: Biodiversität bedeutet Leben. Dort, wo verschiedene Pflanzenarten wachsen, wo es Unterschlüpfe aus Totholz und Gestein gibt, dort fühlen sich Tiere wohl. Was der Fischotter mag, erfreut zum Beispiel auch Biber, Bitterling und Eisvogel.

Doch viele Ufer sind bebaut, werden von den Berliner*innen als Erholungsraum genutzt oder sind nicht naturnah gestaltet. Darum klärt die DUH nicht nur Kleingärtner*innen und Ufergrundstücksbesitzer*innen über naturnahe Ufer auf, sondern macht auf stadtpolitischer Ebene Druck. Dazu gehört, die Senatsverwaltung für Umwelt an ihre Pflicht zu erinnern, Reusen zum Fischfang fischotterfreundlich zu gestalten sowie Fischotter-Monitoring durchzuführen. Während die Umweltorganisationen den Fischotter bereits ausgiebig beobachtet haben, widmen sie sich in ihrem im Frühjahr gestarteten Projekt »Otterstadt Berlin« vor allem den Gefahren und Schutzmöglichkeiten für das Mardertier.

»Berlin mit seinen stark verbauten und verschmutzten Gewässern ist eine Gefahrenquelle.«

Sabrina Schulz Deutsche Umwelthilfe (DUH)

Als guter Schwimmer ist für den Fischotter die Berliner Wasserqualität endscheidend. Die Brandenburger Quellregionen würden »einen wichtigen Motor« für den Aufwärtstrend darstellen, also dafür, dass es mehr Fischotter gibt, so Schulz. »Berlin mit seinen stark verbauten und verschmutzten Gewässern« sei »derzeit eher Gefahrenquelle und Hindernis für die Ausbreitung.«

Nicht nur Artenvielfalt, naturnahe Ufer sowie eine gute Wasserqualität, sondern auch der Verkehr haben Einfluss darauf, ob der Fischotter zu den neuen Zugezogenen in der Hauptstadt werden könnte. Dazu gehört zum einen der Wasserverkehr: Schleusen, verrohrte Abschnitte und lauter Motorbootverkehr bei Dämmerung und Nacht stören die Otter auf der Suche nach Nahrung oder hindern ihn und seine Hauptnahrungsquelle daran, sich im Gewässer zu bewegen.

Marco Philippi ist Referent für Gewässerschutz bei der DUH und Teil des Projekts »Otterstadt Berlin«. Er habe sich alle Stellen in der Stadt angesehen, an denen Fischotter potenziell eine Straße kreuzen, wie er »nd« mitteilt. »Die Mühlendammschleuse ist etwa ein unüberwindbares Hindernis für Fischotter«, so Philippi. »Ein Tier, das versucht Berlin entlang der Spree zu durchqueren, kommt hier nicht weiter und wird beim Versuch, das Hindernis zu umgehen mit hoher Wahrscheinlichkeit im dichten Straßenverkehr in der Umgebung enden.« Solche Gefahrenstellen könnten entschärft werden, indem sichere Querungsmöglichkeiten für Otter gebaut werden. »An Brücken, Schleusen oder Wehren können das zum Beispiel Bermen oder Laufbretter sein, bei Rohrdurchlässen wie am Saatwinkler Damm könnte parallel zum Rohr ein Trockentunnel unter der Straße durchgeführt werden.«

Nicht nur für menschliche Bewohner*innen in Berlin, sondern auch für den Fischotter gilt: Barrieren zwischen Ost und West beeinflussen das Mardertier negativ. »Damit sich Fischotter, die in der Spree leben, mit denen, die in der Havel zu Hause sind, treffen können, müssen sie die Berliner Innenstadt durchschwimmen«, teilt die DUH mit. Es brauche also eine durchgängigere Spree.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193072.wildtiere-ratten-in-berlin-die-graue-eminenz-der-hauptstadt.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192770.wildtiere-igel-in-berlin-vor-verschlossenen-gaerten.html