nd-aktuell.de / 12.08.2025 / Politik

»Lebensumstände lassen sich zum Besseren verändern«

Die New Yorker Sozialistin Grace Mausser über das Beispiel des Hoffnungsträger Zohran Mamdani

Max Böhnel
Zohran Mamdani (M.), der die demokratische Vorwahl zum Bürgermeister von New York City gewonnen hat, ist der Hoffnungsträger der Democratic Socialists of America.
Zohran Mamdani (M.), der die demokratische Vorwahl zum Bürgermeister von New York City gewonnen hat, ist der Hoffnungsträger der Democratic Socialists of America.

Der demokratische Sozialist Zohran Mamdani tritt im November für die Demokraten bei der Bürgermeisterwahl in New York an. Was bedeutet sein Sieg bei den Vorwahlen für New York und die USA?

Es handelt sich um den größten linken Erfolg in den USA seit 100 Jahren. Ausschlaggebend war ein Bündnis der Arbeiterklasse, das Menschen,[1] die vorher frustriert Wahlen ferngeblieben waren, einen Grund zum Wählen gegeben hat. Es war ja seit jeher schon ein Traum von linken Demokraten wie Senator Bernie Sanders, Nicht-Wähler*innen zur Teilnahme am politischen Prozess zu bewegen und sich damit über das politische Establishment hinwegzusetzen. Jetzt zeigt sich, dass ein solches Bündnis tatsächlich eine Mehrheit bilden kann. Zohran Mamdanis Wahlerfolg sollte den Demokraten eigentlich[2] eine Lehre sein.

Inwiefern?

Als die erste Amtsperiode von Präsident Donald Trump vorüber war und der Demokrat Joe Biden 2020 gewann, gab es bei den Demokraten viele Diskussionen, ob man sich wieder mehr auf soziale Themen, also die Umstände der Arbeiterklasse und der Mittelschichten, – Lebenshaltungskosten, Mieten und so weiter – konzentrieren solle. Aber es blieb beim Gerede ohne entsprechende Konsequenzen. Trump wurde 2024 erneut gewählt. Wir von DSA[3] in New York hatten von Anfang an darauf gesetzt, dass die New Yorker, wenn man die direkten materiellen Dinge anspricht, sich Sozialisten zuwenden würden. Ein Nachweis dafür ist, dass ein Drittel der Wahlbezirke in unserer Stadt, die sich 2024 für Trump entschieden hatten, den Sozialisten Zohran Mamdani zum Bürgermeisterkandidaten der Demokraten machten und eben nicht den Mainstream-Demokraten Andrew Cuomo. Zohrans Wahlkampf holte zudem viele Demokraten hinterm Ofen hervor und veranlasste viele junge Wähler, sich in Wahlregister einzuschreiben.

Traditionell hat sich ein Bürgermeister gut mit der Polizei zu stellen, gerade in New York, mit der NYPD in der größten Stadt der USA. Nun hat DSA aber Abolitionismus (Abschaffung der Polizei, d. Red.) im Programm ...

Uns war von Anfang an klar, dass es, wenn mit Zohran Mamdani ein sozialistischer Bürgermeister gestellt werden sollte, zu Spannungen kommen wird. Wir begreifen uns als Abolitionisten, das ist richtig. Aber wir wissen auch, dass wir die New Yorker Polizei in Zohrans Amtszeit schwerlich abschaffen werden. Das ist ein langfristiges Projekt. Aber dieses Spannungsverhältnis darf uns nicht davon abhalten, um das Amt und die Macht, die ihm innewohnt, zu kämpfen. Das hat die Linke viel zu lange vermieden. Denn es ist viel bequemer, Macht zu kritisieren, statt sie zu ergreifen und auch auszuüben. Es ist extrem schwierig, und man kann dabei gewaltig auf die Nase fallen.

Welches Regierungsmodell schwebt Mamdani im Falle eines Sieges vor?

Die Wirksamkeit von uns als Außenseiterkraft DSA und Zohran als Bürgermeister wird sich erweisen, wenn wir eine neue Partnerschaft eingehen. Nun ist es so, dass Organisationen die von ihnen unterstützten Kandidaten nach außen hin abschirmen oder aber sie von außen her kritisieren. Wir dagegen streben ein Modell an, das wir Ko-governance nennen, ein gemeinsames Regieren. Es spricht intern die Spannungen und Widersprüche direkt an und nutzt dazu die entsprechenden internen Kanäle, öffentliche Kritik unterbleibt. Wenn Mamdani einen Fehler macht, schreiben wir eben keine offenen Briefe oder machen Protestveranstaltungen. Wir und er sind uns darin einig. Das wird sehr, sehr schwer. Und ehrlich gesagt weiß ich nicht, wie wir mit dem problematischen Verhältnis zur New Yorker Polizei umgehen werden. Es wird ziemlich chaotisch werden, ist zu befürchten. So ist das mit Macht. Aber jetzt müssen wir erst mal die Bürgermeisterwahlen gewinnen.

New York gilt als Weltmetropole des Kapitalismus. Aber oft wird übersehen, dass die Stadt auch eine sozialdemokratische Vergangenheit hat. Kam dies Zohran Mamdanis Wahlkampf entgegen?

Der öffentliche Sektor in der Stadt ist sehr groß. Wir haben ein riesiges Krankenhaussystem, mehr geförderten Wohnraum als irgendeine andere US-Stadt, ein Viertel der Energie liefert die staatliche Strombehörde New York Power Authority, wir haben das größte öffentliche Verkehrssystem – und die USA-weit größte Gewerkschaftsdichte. Forderungen nach einem Stopp von Mietpreissteigerungen sind den Menschen nicht fremd oder auch, dass es Mieterrechte gibt, auf die man wie auf bezahlbare Mieten bestehen muss. Die wichtigste Botschaft des Mamdani-Wahlkampfs war, dass trotz all der Errungenschaften der Vergangenheit Bürgermeister dazu beigetragen hatten, dass die Stadt ein Spielplatz für Ultrareiche wurde. Der New Yorker Donald Trump war ja aus der Neoliberalisierung als Immobilienmogul hervorgegangen. Zohran Mamdanis Wahlkampf war thematisch ganz eng mit der Stadt und dem Leben der einfachen New Yorker verknüpft, etwa in der Bildersprache seiner Kampagnenvideos. Man sieht ihn vor Wohngebäuden, in Läden, in der U-Bahn. Er läuft durch die Stadt und spricht mit den New Yorkern. Dabei ist nichts geschönt oder aufgeputzt. So sieht es wirklich hier aus, so lebt es sich für die übergroße Mehrzahl der New Yorker. Das war die Botschaft, und die Lebensumstände sind kein Schicksal, sondern lassen sich zum Besseren hin verändern.

Links:

  1. http://www.nd-aktuell.de/artikel/1186492.soziale-politik-in-den-usa-eine-vision-wie-amerika-besser-sein-koennte.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193258.usa-reformer-gegen-revolutionaere.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193163.usa-widerstand-gegen-trump-schmutziger-bruch.html