In einem offenen Brief meldeten sich kürzlich Inhaftierte der Justizvollzugsanstalt Burg, dem größten Gefängnis Sachsen-Anhalts, zu Wort, »nd« berichtete. [1]Ein Inhaftierter soll während eines sogenannten Langzeitbesuchs im April seine Ehefrau getötet haben, daraufhin setzte die Anstalt Langzeitbesuche vorerst aus.
In Langzeitbesuchsräumen können Gefängnisinsass*innen über mehrere Stunden unbeaufsichtigt Zeit mit Partner*innen oder Familienangehörigen verbringen, sie sind Teil der Maßnahmen zur Resozialisierung[2]. Umgangssprachlich werden Langzeitbesuchsräume auch »Liebeszellen« genannt. Vorrangig geht es bei derlei Besuchen zum Beispiel darum, die Beziehung von Eltern zu ihren Kindern zu fördern.
Für die Inhaftierten ist das Aussetzen der Besuche eine nicht rechtmäßige »Kollektivstrafe«, wie sie schreiben, und die Tötung bezeichnend für die Zustände hinter den Mauern der JVA, die Resozialisierung erschweren würden. »Der Brief sollte von allen Instanzen ernst genommen werden. Die Lage in der JVA Burg ist schon immer eine Katastrophe«, sagt Manuel Matzke von der Gefangenen-Gewerkschaft Bundesweite Organisation (GG/BO) zu »nd«. Man dürfe die Situation nicht kleinreden.
Aus dem Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz (MJ) von Justizministerin Franziska Weidinger (CDU) heißt es dazu gegenüber »nd«, die Leiterin der JVA Burg habe die Durchführung von Langzeitbesuchen nach dem »Ereignis« ausgesetzt, »um alle Langzeitbesuchszulassungen in der Justizvollzugsanstalt Burg einer einzelfallbezogenen kritischen Prüfung zu unterziehen«. Zugleich sei veranlasst worden, »das anstaltsinterne Langzeitbesuchskonzept sowie die Ausgestaltung des Zulassungsverfahrens zum Langzeitbesuch kritisch anstaltsintern zu prüfen«.
Inzwischen würden Langzeitbesuche wieder sukzessive zugelassen, ab Anfang September soll ein aktualisiertes Konzept für derlei Besuche zur Anwendung kommen. Matzke sorgt sich dennoch darum, dass die Evaluation noch länger dauern könnte: »Die Gefangenen haben aber ein Recht auf diese Besuche«.
Zu anderen Einschränkungen, die die Inhaftierten im offenen Brief als Kollektivstrafen aufwerfen – wie das Ende des Kräuterteeangebots im Gefängnisladen, weil einzelne Inhaftierte den Tee zur Tarnung für Suchtmittel verwendet haben sollen, erklärt ein Sprecher des MJ, es sei »mitunter unerlässlich«, dass »die Anstaltsleitung Anordnungen trifft, die auch mit Einschränkungen für Gefangene verbunden sein können«.
In der JVA Burg seien zudem seit der Pandemie Möglichkeiten für Arbeit und Ausbildung sowie Sport- und Therapieangebote reduziert, so die weitere Kritik der Inhaftierten. Fehlende Maßnahmen zur Resozialisierung sind kein Alleinstellungsmerkmal der JVA Burg, ordnet Matzke ein. So sehe die Situation in den meisten Gefängnissen aus.
Angebote gebe es in Burg, so das MJ. »Gleichwohl liegt es in der Natur der Sache, dass nicht sämtlichen individuellen Bedarfen zeitgleich Rechnung getragen werden kann«, erklärt ein Sprecher. »Angesichts von mitunter unvorhergesehenen Abwesenheitszeiten von Bediensteten machen sich dabei auch kurzfristige Anpassungen der Planungen erforderlich.« Auch gegenüber der »Mitteldeutschen Zeitung« soll das MJ nach Kritik über Personalmangel zugegeben haben, dass »etliche Mitarbeiter dauerkrank oder dienstunfähig« seien, wie die Lokalzeitung berichtete.
Resozialisierungsmaßnahmen sollen Inhaftierten die Rückkehr in die Gesellschaft ermöglichen. Heute wird bundesweit beinahe jede zweite Person nach der Entlassung aus einer Haftstrafe rückfällig.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193265.gefaengnis-reaktionen-auf-vorwuerfe-gegen-jva-burg.html