nd-aktuell.de / 14.08.2025 / Politik

Erfolg mit und ohne Volksentscheid

Im August 2015 übernahm das »Wohnraumversorgungsgesetz« zentrale Forderungen des Berliner Mietenvolksentscheids. Was dies für die Bewegung bedeutete

Ralf Hoffrogge
Übergabe der Unterschriften zum Volksbegehren an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport
Übergabe der Unterschriften zum Volksbegehren an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport

Die sich im Nachgang der Finanzkrise 2008 immer weiter zuspitzenden Mietenproteste Berlins hatten Anfang der 2010er Jahre erreicht, dass die Wohnungsnot nicht mehr geleugnet wurde. Der damalige Bürgermeister Michael Müller (SPD) startete 2012 mit dem »Mietenbündnis« zwischen Senat und landeseigenen Unternehmen einen zaghaften Versuch, den öffentlichen Wohnungssektor neu aufzustellen. Dass das Land mit den eigenen Unternehmen wie mit unabhängigen Firmen verhandelte, zeigte die verkehrte Welt der neoliberalen Stadt. Die Zugeständnisse des Mietenbündnis waren dementsprechend unbefriedigend. Sie hielten den Ist-Zustand nach Jahren des Ausverkaufs fest: Die Landeseigenen durften nicht mehr jede Mieterhöhung ausreizen. Sie privatisierten nicht mehr, sondern orientierten auf Ankauf und Neubau. Doch hunderttausende privatisierte Wohnungen kamen so schnell nicht wieder, am privaten Markt ging die Preisspirale weiter.

Die Mietenbewegung hatte mehr gefordert, Frust machte sich breit, eine Sinnsuche begann. Für Aufbruchstimmung sorgte im Mai 2014 der Erfolg des Volksentscheid zur Erhaltung des Tempelhofer Feldes. Mit ihm gelang ein Veto gegen die Politik des Ausverkaufs der Hauptstadt. Das Mantra des »Bauen, Bauen, Bauen« bekam Risse, erstmals gab es ein Bündnis zwischen Umwelt- und Mietenbewegung. Nun stand die Frage im Raum auf, ob nach dem Stoppzeichen auch positive Forderungen umsetzbar wären – wie könnte ein Mietenvolksentscheid aussehen? Darüber diskutierte ein Bündnis, das die ganze Breite der neuen Mietenbewegung umfasste. Tragend für den späteren Volksentscheid wurden schließlich die Kreuzberger Mietergemeinschaft Kotti & Co, die Politgruppe Interventionistische Linke sowie Aktive des linksparteinahen Studierendenverbandes SDS. Hinzu kamen Einzelpersonen, darunter auch einige mit Expertise in Rechts- und Verwaltungsfragen.

Schwierige Zielbestimmung

Unterschiedliche Interessen und juristische Zwänge engten den Spielraum ein. Ein Problem war das sogenannte Koppelungsverbot: Es war einem Volksentscheid nicht erlaubt, vermeintlich unverbundene Forderungen gemeinsam abstimmen zu lassen. Gründungsmitglieder berichteten, dass Kernforderungen »in einem schmerzhaften Prozess« zurechtgestutzt wurden. Ein Problem war die auf drei Ebenen verteilte Gesetzgebung zum Wohnen. Ein Volksentscheid konnte Landesrecht schaffen, durfte aber EU- und Bundesrecht nicht widersprechen. Die Unübersichtlichkeit der Rechtslage, aber auch die marktradikale Verengung von Bundes- und EU-Recht erforderten eine enge Auswahl der Ziele. Ein Verbot von Zwangsräumungen fiel ebenso heraus wie ein Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen oder ein Deckel für Mieten auf dem privaten Markt – für all dies war das Land nicht zuständig. Dass sich bei der Deckelung von Mieten die Interpretation der Rechtslage später spektakulär drehen und wenden sollte, belegt nur die Schwierigkeit der Auswahl.

Die Frage, was einem Volksentscheid erlaubt ist, bleibt offen für Interpretationen. Das Bündnis einigte sich schließlich auf drei Kernforderungen. Die erste war ein Wohnraumförderfonds für den Ankauf und Neubau von Wohnungen. Als »revolvierender Fonds« sollte er zurückgezahlte Förderdarlehen erneut investieren und damit eine kontinuierliche Finanzierung etablieren. Zweitens sollten die als Aktiengesellschaften oder GmbH organisierten landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in Anstalten öffentlichen Rechts (AöR) umgewandelt werden. Beim Wechsel der Rechtsform sollten soziale Ziele und eine Mitsprache der Mieterinnen und Mieter festgeschrieben werden. Nicht durchsetzen konnte sich die Forderung, bei der Verwaltung der neuen Anstalten dem Senat nur eine Minderheitenrolle gegenüber Stadtgesellschaft und Mietenden einzuräumen. Dritte und letzte Forderung des Mietenvolksentscheid 2015 war ein einkommensabhängiges Sozialwohngeld für Mieter*innen im alten sozialen Wohnungsbau. Letzteres war ein Anliegen der Mietergemeinschaft Kotti & Co, deren Basis in Kreuzberg an Mieten über dem Marktpreis litt. Auch das neue Wohngeld würde letztlich in die Taschen der Eigentümer abfließen. Doch es könnte die Nachbarschaft vor dem Auseinanderfallen schützen – eine Übergangsforderung auf dem Weg zur damals angestrebten und 2021 erreichten Rekommunalisierung.

Ende März 2015 begann die Mobilisierung und Unterschriftensammlung für den Berliner Mietenvolksentscheid. Bis Juni kamen mit etwa 48 000 das Doppelte der benötigten Unterschriften zusammen.
Ende März 2015 begann die Mobilisierung und Unterschriftensammlung für den Berliner Mietenvolksentscheid. Bis Juni kamen mit etwa 48 000 das Doppelte der benötigten Unterschriften zusammen.

Mit dem vorgestellten »Gesetz über die Neuausrichtung der sozialen Wohnraumversorgung in Berlin« hatte die Mietenbewegung erstmals eine Alternative zur marktradikalen Wohnungspolitik der 1990er und 2000er Jahre formuliert. Unmittelbar profitiert hätten alle Haushalte in öffentlichen und geförderten Wohnungen. Hier hatte die Landespolitik Einfluss und konnte sich der Verantwortung schwer entziehen. Der Entscheid wurde als Kampfansage an die bisherige Wohnungspolitik verstanden – und fand Zustimmung weit über den Kreis der direkt Betroffenen hinaus.

In der Durchführung entwickelte der Mietenvolksentscheid ein Eigenleben. Die Mehrheit der Aktiven stieß dazu, als das Gesetz bereits formuliert war, aus dem Bündnis wurde eine Initiative mit eigener Identität. Die Aktiven versammelten sich in einem basisdemokratischen Plenum, das Unterschriftensammlung und Kampagnenaktivitäten organisierte. Dieses Aktivenplenum wählte einen Koordinierungskreis (KoKreis), dessen Mitglieder sich um Pressearbeit und Organisatorisches kümmerten. Gleichzeitig wurden in diesem Kreis strategische Debatten geführt. Der lose Kreis von Aktiven mit Expertenstatus war an den KoKreis angebunden. Teils waren sie gewählte Mitglieder, teils durch informelle Arbeitsteilung angedockt.

Von der Straße zur Verhandlung

Nachdem das von der Initiative erarbeitete Gesetz am 9. März 2015 seinen letzten Schliff erhalten hatte, begann Ende März die erste Unterschriftensammlung. Die Landespolitik reagierte verschnupft: SPD-Finanzsenator Matthias Kollatz warnte, das Vorhaben sei unfinanzierbar und würde zur Schließung von Kitas führen. Geglaubt wurde ihm nicht. In den nächsten Wochen wurden 48 000 Unterschriften gesammelt und Anfang Juni übergeben. Die benötigte Zahl wurde um mehr als das Doppelte übertroffen. Nun entschied sich der schwarz-rote Senat für einen Strategiewechsel und begann im Sommer 2015 Gespräche mit der Initiative. Das Interesse bei den Aktiven war anfangs gering, da man von einem bald erfolgreichen Volksentscheid ausging. Doch zögerte der Senat die juristische Prüfung des Gesetzes hinaus, womit ein Abstimmungstermin zu den Abgeordnetenhauswahlen 2016 vereitelt wurde. Die Taktik, die Wahl zum Abgeordnetenhaus 2016 als »Mietenwahlkampf« von unten zu führen, stand infrage. Es kamen Zweifel auf, ob sich abseits vom Wahltermin genug Ja-Stimmen fänden. Hinter diesen Ängsten stand die Erfahrung des Energievolksentscheid 2013: Er war trotz mehrheitlicher Zustimmung gescheitert, weil durch Entkopplung von der Bundestagswahl die Ja-Stimmen nicht 25 Prozent der Wahlberechtigten ausmachten, sondern nur 24,1 Prozent.

Zum entscheidenden Druckmittel des Senates wurden jedoch die Beihilferichtlinien der EU. Das EU-Recht definierte die Versorgung mit Wohnraum als Aufgabe des Marktes. Die von der Initiative vorgeschlagene Landeshaftung und -förderung für öffentliche Wohnungsträger war unter diesem Blickwinkel eine Wettbewerbsverzerrung. Mit gutem Willen hätte sich wahrscheinlich eine Möglichkeit gefunden, den Gesetzesentwurf an das europäische Recht anzugleichen. Doch eine Textänderung wurde der Initiative nicht gestattet. Stattdessen machte der schwarz-rote Senat ein Gegenangebot: Er war bereit, Teile der Forderungen in ein eigenes Gesetz aufzunehmen.

Aus unverbindlichen Gesprächen wurden plötzlich harte Verhandlungen. Geführt wurden sie von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und der SPD-Fraktion. Deren Spitze wollte sich gegen den damaligen Bürgermeister Michael Müller profilieren und preschte vor, die CDU hielt sich auffällig zurück. Die Sozialdemokratie saß am längeren Hebel, während die Initiative auf Verhandlungen nicht vorbereitet war. Es brachen gleich zwei Konflikte auf: zwischen Bewegungsexperten und ihrer Basis sowie zwischen politischen Gruppen und Kiezinitiativen. Zunächst gab es unterschiedliche Einschätzungen über die rechtlichen Schwachpunkte des eigenen Gesetzes. Aktive mit Expertise schätzten sie als schwerwiegend ein, weshalb eine Neigung zum Kompromiss bestand. Für den Rest der Initiative war es schwierig, die Verhandlungsspielräume zu beurteilen. Vom Senat erzeugter Zeitdruck schürte die Unsicherheit und befeuerte einen zweiten Konflikt zwischen politischen Gruppen und Kiezinitiativen: Eine Mietergemeinschaft wie Kotti & Co richtete den Blick zuerst auf angebotene Verbesserungen für ihre Nachbarschaft. Die Interventionistische Linke dagegen warnte vor einer »Mitmachfalle«. Sie lehnte Gespräche nicht ab, rief jedoch zu Protesten auf, um in öffentlichen Verhandlungen wesentliche Inhalte des Gesetzes zu retten. Dies lief allerdings ins Leere.

Der Kompromiss

Start der Unterschriftensammlung
Start der Unterschriftensammlung

Am 19. August 2015 wurde dann in separaten Pressekonferenzen ein Kompromiss zwischen Senat und Initiative verkündet. Die Landesregierung würde ein Wohnraumversorgungsgesetz erlassen, der Volksentscheid wurde abgebrochen. Ausgehandelt wurde das Ergebnis durch eine vom KoKreis nominierte Gesprächsgruppe, in der Initiative blieb es umstritten.

Das »Wohnraumversorgungsgesetz« wurde im November 2015 von einer Mehrheit aus CDU und SPD im Abgeordnetenhaus verabschiedet und trat Anfang 2016 in Kraft. Es fiel hinter die Forderungen des Mietenvolksentscheids zurück, enthielt jedoch reale Verbesserungen für die Mieterinnen und Mieter. Erstes Zugeständnis war das Sozialwohngeld: In den geförderten Sozialwohnungen Berlins, die sich zum Großteil nicht im Landeseigentum befanden, hatten Mieterinnen und Mieter mit Wohnberechtigungsschein nun Anspruch auf Mietzuschuss, wenn die Bruttowarmmiete ihrer Wohnung 30 Prozent des verfügbaren Haushaltseinkommens überstieg. Als zweites Zugeständnis wurde ein Sondervermögen zur Förderung des Wohnungsbaus eingeführt. Drittes und wichtigstes Zugeständnis war ein Bündel von Sozialkriterien für die landeseigenen Wohnungsgesellschaften. Diese mussten bei Neubauten mindestens 30 Prozent Sozialwohnungen errichten und bei Mieterwechsel 55 Prozent der frei werdenden Wohnungen an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vermieten.

Die Umlage von Modernisierungskosten wurde auf neun Prozent begrenzt, Mieterhöhungen auf 15 Prozent in vier Jahren. Mit einem »Härtefallantrag« konnten Mietende ihre Nettokaltmiete auf 30 Prozent des Haushaltseinkommens begrenzen – eine Klausel, die einzeln und aufwendig beantragt werden musste und sich deshalb als wirkungslos erwies. Die pauschalen Mieterhöhungsverbote entlasteten die Mietenden dagegen spürbar. Weiterhin durften die Gewinne der Landeseigenen nicht mehr entnommen werden, sondern verblieben den Unternehmen. Viele dieser Regelungen folgten den Linien des Mietenbündnis von 2012. Doch war der soziale Auftrag der Landeseigenen nun keine Absichtserklärung mehr, sondern Gesetz. Daraus ergaben sich auch für einzelne Mieter*innen einklagbare Ansprüche. Über das Gesetz hinaus regelte eine Kooperationsvereinbarung, wie die Anforderungen umgesetzt wurden.

Nicht erfüllt wurde die Forderung nach Demokratisierung der landeseigenen Wohnungsunternehmen. Zwar wurde 2016 eine Anstalt öffentlichen Rechts namens »Wohnraumversorgung Berlin« eingerichtet. Sie war als Kontrollinstanz gedacht, übte jedoch eine letztlich beratende Funktion aus und konnte nicht ins operative Geschäft der sechs landeseigenen GmbHs und Aktiengesellschaften eingreifen. Doch erst der aktuelle schwarz-rote Senat traute sich, der vom Volksentscheid durchgesetzten Institution das Kontrollrecht über die landeseigenen Wohnungsunternehmen ganz zu entziehen. Seit 2024 heißt die Anstalt »Sicheres Wohnen – AöR« und ist reduziert auf die Beratung der Mieterräte. Auch diese sind ein Kind des Mietenvolksentscheids. Pro Unternehmen wurde ein Mieterrat gewählt, der auch eine Person in den Aufsichtsrat des Unternehmens schickt.

Beamte der Senatsverwaltung nehmen die Unterschriften in Empfang
Beamte der Senatsverwaltung nehmen die Unterschriften in Empfang

Doch damit ließen sich die Unternehmen ebenso wenig kontrollieren wie durch die lokalen Mieterbeiräte. Diese existierten in Westberlin seit 1984 und wurden für die öffentlichen Wohnungsunternehmen schrittweise ausgebaut. Das neue Wohnraumversorgungsgesetz klärte ihr Verhältnis zu den Mieterräten nicht, dies wurde erst 2023 korrigiert. Auch danach werden die Beiräte von der Unternehmensführung gerne ausmanövriert – weshalb protestierende Mieterinnen und Mieter mehrfach informelle Kiezinitiativen gründeten, weil sich diese als flexibler und schlagkräftiger erwiesen. So wehrte etwa 2017 die Initiative Mariannenkiez Mietsteigerungen in den Beständen der landeseigenen Degewo ab.

Erfolgreich überrumpelt?

Die Bewertung des Kompromissgesetzes von 2016 war in der Mietenbewegung uneinheitlich und schwankte zwischen Verrat, Teilerfolg und großem Wurf. Für Letzteres sprachen Verbesserungen für tausende Mieter*innen. Erstmals wurde eine landesweite Reform erzwungen, die Umrisse einer sozialen Wohnungspolitik erkennen ließ. Selbst die Mieterräte ließen sich als Einstieg in eine Demokratisierung interpretieren. Dieser hoffnungsvollen Interpretation stand ein Gefühl der Überrumpelung entgegen, mit dem viele Aktive aus dem Volksentscheid herausgingen. Der Zeitdruck hatte dazu geführt, dass die Gesprächsgruppe größere Teile ihrer Basis nicht mitnehmen konnte. Statt Ermächtigung blickten viele mit Ohnmacht auf das Ergebnis ihres Volksentscheids. Dies führte zu einer Demobilisierung. Die Initiative Mietenvolksentscheid fiel als einigender Akteur aus und schrumpfte bis Ende 2015 auf einen harten Kern, der die Umsetzung des Gesetzes begleitete. In Teilen der Mietenbewegung hielt sich noch Jahre später die Legende, der Mietenvolksentscheid sei »verraten« worden. Statt kontinuierlichem Druck folgte ein Loch, in dem die verschiedenen Initiativen nebeneinander herarbeiteten.

Erst mit zeitlichem Abstand wurde der kurze Sommer des Mietenvolksentscheids als Hochphase der Mietenbewegung erkennbar, in der diese maximalen Druck entfaltet hatte. Dieser Druck wirkte über den Kompromiss hinaus: Friedrichshain-Kreuzberg begann 2016, das Vorkaufsrecht zu aktivieren, auch ohne Volksabstimmung stand die Landtagswahl im September 2016 im Zeichen der Mietenkrise. Die CDU verlor fünf Prozent, die ebenfalls gerupfte SPD wechselte die Seiten und eine rot-rot-grüne Koalition übernahm die Landesregierung. Die seit der Wiedervereinigung fast ununterbrochen von der SPD geführte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ging erstmals an die Linkspartei. Ein Hauch von Aufbruchstimmung hing in der Luft – doch lag die Deutung der Mietenkrise wieder bei den Parteien. Der Mietenbewegung fehlte das gemeinsame Projekt. Erst im Frühjahr 2018 war die Flaute überwunden – ein neues Demobündnis gegen den »Mietenwahnsinn« versammelte über zehntausend Menschen und brachte die Mietenfrage wieder auf die Tagesordnung. Kurz danach meldet sich auch eine Nachfolgerin: Die Initiative »Deutsche Wohnen & Co enteignen« verkündete im April 2018 erste Pläne für einen neuen Volksentscheid.

Der Weg zur Enteignung

Im Gründungskreis einer neuen Initiative waren auch einige Schlüsselakteure des ersten Mietenvolksentscheids präsent. Einigkeit herrschte darüber, dass die Verbindung von Realpolitik und Frontalangriff, von Kiezprotest und zentraler Kampagne ein Politikmodus war, den es weiterzuführen galt. Konsens war auch, dass nach der Konfrontation mit den öffentlichen Wohnungsunternehmen eine Kampagne gegen die Privatvermieter nötig war. Am Ende einer zwei Jahre währenden Sinnsuche stand das Projekt »Deutsche Wohnen & Co enteignen« (DWE), das für die Vergesellschaftung der Bestände großer Wohnungskonzerne kämpft.

Viele Elemente des Mietenvolksentscheids fanden sich wieder: Wohnraum als Gemeineigentum, die Idee einer Anstalt öffentlichen Rechts und sogar die Organisationsform der Initiative mit Plenum und Koordinierungskreis. Auch das Trauma der Überrumpelung wurde reflektiert: Schon in der Gründungsphase formulierte DWE Regeln für das Verhandeln mit der Macht. Nicht Einzelpersonen oder der KoKreis übernahmen Gespräche mit der Landesregierung, sondern gewählte Delegationen. Sie wurden mit einem inhaltlich und zeitlich beschränkten Mandat in den verschiedenen Verhandlungssituation jeweils neu gewählt. Entscheidungen über Verhandlungsergebnisse und den weiteren Kurs bleiben beim Gesamtplenum aller Aktiven.

Mietenvolksentscheid – Erfolg mit und ohne Volksentscheid

Die neue Struktur verhalf Vergesellschaftung nicht zum unmittelbaren Erfolg – aber sie ist einer der Gründe für die Zähigkeit der Initiative, die seit sieben Jahren kämpft und zurzeit an einem zweiten Vergesellschaftungs-Volksentscheid arbeitet. Anders als 2021 soll aber kein politischer Beschluss, sondern ein vollständiges Gesetz vorgelegt werden. Die Sozialisierung der heute noch konzerneigenen Wohnungsbestände träte im Falle eines erfolgreichen Referendums sofort in Kraft – auch ohne Zustimmung des Senats.