nd-aktuell.de / 15.08.2025 / Kultur

1312 – Polizei in der nd-Redaktion?

Bitte keine Krimis mehr drehen

Raul Zelik
Das BKA im FMP? Klingt wie ein schlechter Krimi...
Das BKA im FMP? Klingt wie ein schlechter Krimi...

Im Genossenschafts-Chat des »nd« zog ich unlängst Spott auf mich, als ich mit dem Kürzel »1312« nichts anzufangen wusste. Ein Duftwasser, eine ehemalige Postleitzahl?

Trotz dieser Wissenslücke ist natürlich auch mir bekannt, was von den Erzählungen des Staatsbürgerkunde-Unterrichts zu halten ist. Soll heißen: Die Polizei ist alles Mögliche, nur sicher nicht dein Freund und Helfer. Entsprechend fiel meine Reaktion aus, als ich dieser Tage den Eingangsbereich des ehemaligen »nd«-Gebäudes in eine Polizeiwache verwandelt sah. Ein ansonsten leerer Flur war mit Uniformierten bevölkert, an den Treppenaufgängen hingen Werbeplakate der Kriminalpolizei.

Natürlich begriff ich angesichts herumstehender Beleuchtungsgeräte, dass es sich nicht um echte Staatsbeamte handeln konnte. Der in die Jahre gekommene Charme steriler Bürofluchten und eines rastlos zirkulierenden Paternoster – laut ChatGPT in Deutschland einer der letzten 200 seiner Art – machen den ehemaligen Sitz des ehemaligen SED-Organs zu einer beliebten Kulisse für deutsche TV-Produktionen.

Obwohl es sich also nur um eine Inszenierung handelte, setzte eine physische Reaktion bei mir ein. Zu oft ist mir die Polizei – übrigens system- und grenzüberschreitend – als ein von arroganten Gewalttätern geprägter Berufsstand begegnet. Dafür kann gewiss der Einzelne nichts – vom verkleideten Statisten ganz zu schweigen. Aber mein abolitionistischer Reflex war doch: Was wollen die hier? Kein einziges Problem wird durch sie gelöst. Jeder Euro, der nicht für sie, sondern für soziale Gleichheit ausgegeben wird, ist besser investiert.

Über all das mit den TV-Statisten diskutieren zu wollen wäre natürlich vergeudete Zeit. Zumal diese ja selbst Opfer der Verhältnisse waren. Mittlerweile hat es sich im deutschen Fernsehen eingebürgert, die Polizist*innen-Rolle mit migrantisch aussehenden Personen zu besetzen. Nachdem »der orientalische Typ« jahrzehntelang nur als Drogendealer oder Sex-Arbeiterin infrage kam, wird ihm nun, sehr diversitätsbewusst, die Rolle des Staatsdieners zugedacht. Der wohl greifbarste Erfolg des liberalen Antirassismus.

Woran sich die Frage anschließt, warum der deutsche Film außer Krimiserien kaum etwas zu Wege bringt. Ist es eine spezielle Autoritätshörigkeit, die dafür sorgt, dass Geschichten erst dann ein Publikum finden, wenn Menschen einer Bestrafung zugeführt werden? Erzeugt es ein Gefühl der Erleichterung, dass es anderen am Ende schlechter geht als einem selbst am Arbeits- oder Ausbildungsplatz?

Auf jeden Fall haben die Tatorte und Polizeirufe etwas von einer täglichen Erziehung zur »moralischen Panik«: Überall lauert das Verbrechen; in Schach gehalten werden kann es nur, wenn möglichst viele Uniformierte die Straßen bevölkern. Der Tatort ist die effektivste, weil unterhaltsame, dabei auch ein bisschen kritisch verkleidete Form der Staatsbürgerkunde.

Mich persönlich würde ja eine Theorie interessieren, die den Untergang des Sozialismus mit dessen fehlender Polizeikritik erklärt. Und zwar nicht auf die Stasi beschränkt, sondern ganz grundsätzlich: Die sozialistischen Länder sind daran zerbrochen, dass sie nicht auf die Selbstorganisierung von Communitys, sondern auf staatliche Kontroll- und Disziplinareinrichtungen gesetzt haben. Learn from the abolitionists: Weniger Geld für die Polizei ist mehr Geld für Wohnungen, Bildung und Gesundheit.

Als ich die Statisten neulich beim »nd« im Treppenhaus erblickte, lag es mir auf jeden Fall kurz auf den Lippen: »Niemand ist gezwungen, einen Polizisten zu spielen.«