Das Defizit des deutschen Staates ist im ersten Halbjahr 2025 deutlich gesunken. Es lag nach vorläufigen Ergebnissen bei 28,9 Milliarden Euro und damit um 19,4 Milliarden niedriger als im ersten Halbjahr des Vorjahres, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden mit. Die Defizitquote lag damit bei 1,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) und erfüllte das sogenannte Maastricht-Kriterium. Das war in der Vergangenheit nicht immer der Fall.
Seit Ende der 60er Jahre strebten westeuropäische Länder eine Wirtschafts- und Währungsunion an. Gekrönt werden sollte diese durch eine gemeinsame Währung. 1992 schlossen dann die damaligen EG-Länder im niederländischen Maastricht den »Vertrag über die Europäische Union«. Damit ein Land an der Währungsunion teilnehmen kann, musste es bestimmte wirtschaftliche Kriterien erfüllen. Bei den Maastricht-Kriterien geht es um Inflation, Zinssätze und Wechselkurse, hauptsächlich aber um den Haushalt: Der gesamte Schuldenstand des Staates sollte unter 60 Prozent des BIP liegen, die jährliche Defizitquote unter 3 Prozent.
Um die Eurostaaten nach Beginn der Währungsunion zu fiskalischer Disziplin anzuhalten, war 1996 ein »Stabilitätspakt« geschlossen worden. Er sah bei Verstößen harte Sanktionen vor. Ersonnen hatten ihn deutsche Ökonomen und Politiker. »Er ist ein ganz wichtiges Signal für die Glaubwürdigkeit, dass der Euro eine Hartwährung sein wird«, sagte der damalige Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU).
Doch kaum war der Euro 2002 an die Bürger ausgegeben, verstieß ausgerechnet Berlin mit 4,1 Prozent Defizit deutlich gegen das zentrale Maastricht-Kriterium. Die beiden größten Eurostaaten Deutschland und Frankreich verhinderten Sanktionen, und der Stabilitätspakt wurde erstmals angepasst. Danach wurde er bei politischem Bedarf noch dreimal aufgeweicht. Dennoch verstießen die Mitgliedstaaten mehr als 100-mal gegen die Defizit-Regel, und die EU-Kommission eröffnete Dutzende Defizitverfahren. Zu ernsten Sanktionen kam es aber in keinem einzigen Fall.
Vor diesem Hintergrund lag es nahe, dass die EU-Kommission im Mai signalisierte, dass der deutsche Infrastrukturfonds über 500 Milliarden Euro nicht an den europäischen Schuldenregeln scheitern werde. Ohnehin schneidet die Bundesrepublik vergleichsweise gut ab: In der Eurozone lag das Defizit im ersten Quartal – aktuellere Zahlen liegen nicht vor – bei 3,7 Prozent des BIP (Deutschland 2 Prozent). Die Neuverschuldung ist in Frankreich (6,7 Prozent), Österreich (7,5) sowie bei den Schlusslichtern Rumänien und Belgien mit rund 10 Prozent deutlich höher.
Auch ein Blick auf die Gesamtverschuldung zeigt, dass Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und sein Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) gemessen an den Maastricht-Kriterien noch Spielraum besitzen. Die durchschnittliche Quote im Euroraum liegt im ersten Quartal durchschnittlich bei 88 Prozent. Beispielsweise Italien erreicht mit 138 Prozent nahezu griechische Dimensionen (152 Prozent).
Akteuren auf den Finanzmärkten gefällt das. Die Nachfrage von Banken und Fonds nach sicheren Staatsanleihen ist generell groß, zugleich müssen hoch verschuldete Länder für ihren Kredit mittlerweile wieder höhere Zinsen zahlen. Für Italien summiert sich dies auf einen zweistelligen Milliardenbetrag.
Der Blick über den europäischen Tellerrand hinaus zeigt ohnehin: Nach oben gibt es kein Limit. US-Präsident Donald Trump herrscht über den weltweit höchsten Schuldenberg, laut Finanzministerium 37 180 190 981 823 Dollar. Umgerechnet rund 32 Billionen Euro, was einer Defizitquote von 123 Prozent entspricht. Die Schulden, die Japans Premierminister Shigeru Ishiba managen muss, sind zwar in absoluten Zahlen kleiner, in Relation zur Wirtschaftsleistung stehen sie allerdings für einen Spitzenwert von 235 Prozent.
In Deutschland stiegen im ersten Halbjahr die Einnahmen durch Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und Zinsen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stärker als die Staatsausgaben. Auf der Ausgabenseite gab es zwar einen Anstieg etwa bei Renten und Arbeitslosengeld. Zugleich bremsten aber niedrigere Subventionszahlungen die Ausgaben.
Der Bund steuerte mit 16,7 Milliarden Euro den größten Anteil zum Staatsdefizit bei, wobei dessen Defizit im Vergleich zum ersten Halbjahr 2024 deutlich um 10,5 Milliarden Euro sank. Der Anteil der Länder verringerte sich ebenfalls stark um 10,3 Milliarden auf 1,3 Milliarden Euro. Das Finanzierungsdefizit der Kommunen stieg dagegen um 4,7 Milliarden auf 14,2 Milliarden Euro an. Die Sozialversicherungen verbuchten einen Überschuss von 3,3 Milliarden Euro, nachdem sich Einnahmen und Ausgaben bei ihnen im ersten Halbjahr 2024 die Waage gehalten hatten.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193501.finanzpolitik-bund-macht-weniger-schulden.html