nd-aktuell.de / 24.08.2025 / Politik

Dobrindt will schärfere Regeln für geänderte Geschlechtsidentität

CSU-Innenminister will nach Kampagne von Rechtsextremistin das Selbstbestimmungsgesetz reformieren

Matthias Monroy
Rechtsextremismus übertüncht: Mit der Verhöhnung des Selbstbestimmungsgesetzes hat Marla-Svenja Liebich beim CSU-Bundesinnenminister einen Treffer gelandet.
Rechtsextremismus übertüncht: Mit der Verhöhnung des Selbstbestimmungsgesetzes hat Marla-Svenja Liebich beim CSU-Bundesinnenminister einen Treffer gelandet.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CDU) will das Selbstbestimmungsgesetz nach dem Fall der Rechtsextremistin Marla-Svenja Liebich verschärfen. »Das ist ein Beispiel für den sehr simplen Missbrauch des Selbstbestimmungsgesetzes«, sagte Dobrindt am Wochenende dem »Stern«. Genau davor sei immer gewarnt worden.

Die früher als Sven Liebich bekannte Person hatte im Herbst 2024 ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt im sächsischen Schkeuditz ändern lassen. Kritiker*innen sahen darin jedoch keinen Schritt einer ernst gemeinten Transition, sondern den Versuch, das am 1. November in Kraft getretene Gesetz lächerlich zu machen.

Wegen solcher Missbrauchsmöglichkeiten müsse das Gesetz angepasst werden, betonte Dobrindt. »Die Justiz, die Öffentlichkeit und die Politik werden hier zum Narren gehalten, weil das Selbstbestimmungsgesetz die Möglichkeit dazu bietet«, so der Minister.

Haftantritt in Chemnitz

Liebich ist seit den 1990er Jahren in der rechtsextremen Szene aktiv, leitete eine Kameradschaft, organisierte Demonstrationen und betrieb einen Onlinehandel mit einschlägigen Devotionalien. Noch 2023 hatte die Person öffentlich gegen queere Menschen gehetzt und vor einem angeblichen »Transfaschismus« gewarnt.

Wie die Staatsanwaltschaft Halle mitteilte, muss Liebich nun die verhängte Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Chemnitz antreten. Im Juli 2023 hatte das Amtsgericht Halle die Aktivistin wegen Volksverhetzung, übler Nachrede und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Liebichs Berufung und Revision blieben erfolglos.

Im Frauentrakt derselben JVA sitzt auch das wegen rechtsterroristischer Mordanschläge verurteilte NSU-Mitglied Beate Zschäpe sowie Lina E., die eine Haftstrafe wegen körperlichen Angriffen auf Neonazis absitzen muss.

Gerichtssieg für rechtes Krawallportal

Das Selbstbestimmungsgesetz wurde von der Ampel-Koalition verabschiedet und verfolgt das Ziel, es für trans-, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen einfacher zu machen, ihren Geschlechtseintrag und ihre Vornamen ändern zu lassen. Eine solche Änderung kann durch eine persönliche »Erklärung mit Eigenversicherung« gegenüber dem Standesamt erfolgen. Seitdem sind für eine Änderung der Geschlechtsidentität keine Gutachten oder Gerichtsentscheidungen mehr nötig.

Vergangene Woche hatte »Nius« zum Geschlechtseintrag von Liebich einen juristischen Erfolg gegen Liebich verbucht[1]. Das Landgericht Berlin stellte fest, dass der Gründer des rechten Krawallportals Julian Reichelt Liebich trotz geänderten Personenstands als Mann bezeichnen darf. Das Gericht urteilte, dass die Meinungsfreiheit in diesem Fall schwerer wiege als der Wunsch der Person, mit weiblichen Pronomen angesprochen zu werden.

Auslöser war ein Tweet von Reichelt, wonach die Bundesregierung »nahezu die gesamte deutsche Medienlandschaft« zwinge, eine »groteske Unwahrheit« zu sagen – nämlich Liebich als Frau zu bezeichnen. Laut dem Urteil sind derartige Aussagen von der Meinungsfreiheit gedeckt – solange sie auf Tatsachen beruhen und deshalb keine Schmähkritik darstellen.

Liebich plant weitere Provokationen

Die Zuordnung zu einer Haftabteilung für Männer oder Frauen erfolgt durch die aufnehmende JVA. Grundlage dieser Einzelfallentscheidung ist eine Risikobewertung im Aufnahmegespräch, die die Sicherheit der Person selbst und der anderen Gefangenen berücksichtigt. Bei nicht zu gewährleistender Sicherheit in Chemnitz ist eine Verlegung möglich. Die Chemnitzer Anstalt betont in diesem Zusammenhang ihre jahrelange Expertise im Umgang mit trans-, inter- und nicht-binären Inhaftierten.

Mit weiteren Provokationen von Liebich muss die JVA rechnen. Zum Haftantritt am 29. August lädt die Rechtsextremistin für 21 Uhr zu einer Pressekonferenz vor die JVA ein und will dort anschließend zum Haftantritt vorstellig werden – obwohl die Anstalt zu dieser Zeit bereits geschlossen ist.

Auf ihrem Account auf X instrumentalisiert Liebich auch die Religionsfreiheit und kündigt an, als »gläubige Jüdin« koscheres Essen zu fordern. In einem Antrag an die JVA Chemnitz schreibt sie: »Die Einhaltung der Speisegesetze ist für mich ein verbindlicher Teil meiner Religionsausübung.« Mit Agenturen

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193403.gerichtsurteil-nius-gewinnt-gegen-marla-svenja-liebich.html