nd-aktuell.de / 26.08.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Appetit auf globalen Fisch

Deutsche Fischwirtschaft: Stabiler Konsum, moderater Preisanstieg, hohe Importquote

Hermannus Pfeiffer
Ob Seeteufel oder Lachs: Durchschnittlich 12,8 Kilogramm Fisch verzehrte jeder Deutsche 2024.
Ob Seeteufel oder Lachs: Durchschnittlich 12,8 Kilogramm Fisch verzehrte jeder Deutsche 2024.

Überfischung, steigende Wassertemperaturen, Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft, politisches Missmanagement – »der Fisch« hat es nicht leicht in seinem kühlen Unterwasserrevier. Bestände an Dorsch, Hering und Sprotte gehen zurück, Fische werden als bedrohte Art geführt. Frisch und verarbeitet ist Fisch dennoch in Deutschland weiterhin recht beliebt. Der Verbrauch lag im vergangenen Jahr nach einer vorläufigen Schätzung bei 12,8 Kilogramm pro Kopf – damit bewegt sich der Fischgenuss auf Vorjahresniveau. Die aktuellen Zahlen wurden im Rahmen der Jahrespressekonferenz des Fisch-Informationszentrums (FIZ), einer Lobby der deutschen Fischwirtschaft, am Dienstag in Hamburg vorgestellt.

Deutsche Verbraucher sind bei ihren Einkäufen vor allem an der Herkunft der Fische interessiert, zeigen Umfragen. Mehr noch als am Preis. Bei Frischfisch und geräucherten Produkten besteht für den Einzelhandel eine genaue Kennzeichnungspflicht, etwa zu den Fanggebieten. Wer es genauer wissen will, kann auf der Internetseite »Fischbestände Online« des Thünen-Instituts in Rostock nachschauen, rät FIZ-Geschäftsführer Stefan Meyer.

Deutsche Verbraucher sind bei ihren Einkäufen vor allem an der Herkunft der Fische interessiert – mehr als am Preis.

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Vor diesem Hintergrund überrascht es, dass nur noch 58 Prozent aller Wildfangprodukte mit einem Umwelt-Nachhaltigkeits-Siegel zertifiziert sind. Schuld daran ist ausgerechnet der frühere Brotfisch der Fischerei, der Hering. »In den letzten Jahrzehnten sind viele Heringsbestände geschrumpft – mit gravierenden Auswirkungen auch auf die Fischereiwirtschaft[1]«, sagt FIZ-Chef Meyer. Heringsfischereien in mehreren Beständen verloren das Siegel des Marine Stewardship Council (MSC) in London für nachhaltige Fischerei, Fangquoten wurden von Wissenschaft und Politik reduziert, teilweise kam es zu Fangverboten. Zahlreiche Heringsfischer in Nord- und Ostsee mussten ihre Tätigkeit einstellen oder einschränken oder auf andere Fischarten ausweichen. Viele Heringsverarbeitungsbetriebe, zum Beispiel in Saßnitz auf der Insel Rügen, schlossen ihre Produktionshallen.

Auch die Werbung der Fischwirtschaft, Konsumgewohnheiten und damit verbunden die Nachfrage der Verbraucher haben sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Dem Hering erwuchs zunehmend Konkurrenz durch populäre, importierte Wild- oder Zuchtfischarten. So ist der vergleichsweise teure Lachs, der häufig aus Fischfarmen stammt, beim Einkauf privater Haushalte mit 22,6 Prozent die Nummer eins, gefolgt von Alaska-Seelachs (19,8 Prozent), der zu einem Großteil zollfrei aus US-Gewässern stammt, sowie von Thunfisch (14,6 Prozent), der hauptsächlich aus dem indischen Ozean[2], aus Ländern wie Indien oder Indonesien importiert wird. Erst dann folgt der heimische, Omega-3-reiche Hering mit einem mageren Marktanteil in Deutschland von elf Prozent.

Nach aktuellen Daten ist die Eigenversorgung mit Fischprodukten in der Europäischen Union im vergangenen Jahrzehnt von 46 auf 31 Prozent gesunken. In Deutschland liegt die Eigenversorgungsquote sogar nur bei zehn Prozent. Da der Konsum von Fischprodukten im Trend zunimmt, wird die Krise der deutschen Fischerei zu noch mehr Importen führen.

Immerhin gelten rund zwei Drittel der globalen Wildfischbestände im Meer heutzutage als »biologisch nachhaltig«, lautet das Ergebnis einer neuen Untersuchung der Welternährungsorganisation der Vereinten Nationen (FAO). Unter den angelandeten Fischen ist der Anteil noch deutlich höher und beträgt 77 Prozent. Allerdings stammen die Daten aus dem Jahr 2021, und Umweltverbände sehen die Lage ohnehin deutlich kritischer.

Trotz oder wegen der hohen Importquote gilt Fisch immer noch als recht preiswertes Lebensmittel. »Es gibt für jeden Geldbeutel ein ordentliches Angebot«, versichert Petra Weigl, FIZ-Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführerin eines Spezialisten für Tiefkühlfisch. Zwar seien die Preise auch bei Fisch gestiegen, sagt Weigl, im Vergleich zu Milch- oder Getreideprodukten sei die Entwicklung jedoch »moderat« verlaufen. Seit dem Jahr 2020 stieg der Preis für Fisch – ähnlich wie für Fleischwaren – um 29,4 Prozent, für alle Lebensmittel aber um 33,2 Prozent.

Dabei setzt sich ein Trend fort, der auch aus anderen Bereichen des Einzelhandels, etwa Fleischereien, bekannt ist: Die Großen werden immer größer. Rund 90 Prozent des Fischumsatzes entfällt mittlerweile auf Supermärkte und Discounter, ein Markt, der von Edeka, Rewe, Lidl/Kaufland und Aldi beherrscht wird. Dagegen hat sich der Umsatz der Fischfachgeschäfte in den vergangenen Jahren halbiert. Dabei gibt es durchaus Luft nach oben. Im internationalen Vergleich sind hiesige Konsumenten eher Fischmuffel. Während sich Deutschland mit 12,8 Kilogramm Fanggewicht pro Kopf begnügt, liegt der europäische Spitzenreiter Portugal bei 53,6 Kilogramm. FIZ-Vorständin Weigl: »Es ist noch Platz auf deutschen Tellern.« Das gelte besonders in südlichen Bundesländern und, als einzigem Küstenland, in Mecklenburg-Vorpommern.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192259.maritime-wirtschaft-fischer-eine-gefaehrdete-art.html?sstr=Dorsch
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1165475.ndpodcast-wie-kommt-der-thunfisch-in-die-dose.html?sstr=Marine|Stewardship|Council