nd-aktuell.de / 28.08.2025 / Politik

Europa rüstet auf – die EU hilft kräftig mit

Von Bürokratieabbau bis zu Nachhaltigkeit: Was sich die EU-Kommission alles einfallen lässt, um die Aufrüstung zu finanzieren und zu beschleunigen

Özlem Alev Demirel und Jürgen Wagner
Im Einsatz: Bundeskanzler Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch bei der Marine an Bord der Fregatte «Bayern»
Im Einsatz: Bundeskanzler Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch bei der Marine an Bord der Fregatte «Bayern»

In Frankreich wackelt die Regierung, weil sie angesichts hoher Schulden ein Sparpaket durchdrücken will, um weitere Aufrüstung zu finanzieren. Auch andere europäische Staaten suchen nach Wegen, Milliarden für ihren Militäretat zu mobilisieren. Unterstützt werden sie dabei von der EU. Bereits im März hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine »Ära der Aufrüstung« angekündigt und den Plan zur »Wiederaufrüstung Europas« (»ReArm Europe«) präsentiert. Dabei wurde ein Maßnahmenpaket vorgelegt, das auch in das kurz darauf veröffentlichte erste Weißbuch zur europäischen Verteidigung einfloss und das nun Schritt für Schritt umgesetzt wird.

Allein 150 Mrd. Euro sollen über ein europäisches Finanzierungsinstrument namens SAFE (»Security and Action for Europe«) mobilisiert werden, das bereits am 29. Mai 2025 in Kraft trat. Darüber sollen den Mitgliedsstaaten zinsgünstige Darlehen für Investitionen im Verteidigungsbereich gegeben werden, was auch Rüstungsgüter für die Ukraine einschließt. Damit hiervon vor allem die europäischen Rüstungskonzerne profitieren, müssen bei SAFE-Projekten mindestens 65 Prozent der Komponenten aus europäischer oder ukrainischer Produktion stammen. Das Instrument scheint sich einiger Beliebtheit zu erfreuen: Lange vor dem Abgabeschluss Ende November 2025 sollen laut Kommission bereits Anträge im Umfang von 127 Milliarden Euro von 18 Ländern eingegangen sein.

Damit diese Rüstungskredite nicht mit den EU-Schuldenregeln (»Mastricht-Kriterien«) kollidieren, ermöglicht Re-Arm-Europe es, Militärausgaben im Wert von bis zu 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes hiervon für mindestens die nächsten vier Jahre auszunehmen. Insgesamt verspricht sich die Kommission dadurch 650 Milliarden Euro an zusätzlichen Militärausgaben – womöglich nicht zu Unrecht, schließlich sollen bereits 15 Staaten die Ausweichklausel beantragt haben.

Rüstung statt mehr Gleichheit

Ein großer Batzen ist auch die militärische Öffnung des EU-Kohäsionsfonds, der eigentlich für die Angleichung der Lebensumstände in den ärmeren Mitgliedsstaaten vorgesehen ist. Im aktuellen EU-Haushalt 2021 bis 2027 sind laut dem Fachportal Bruxelles2 noch 204 Milliarden Euro frei und könnten damit ganz oder teilweise umgelenkt werden. Im letzten Monat präsentierten Vorschlag der Kommission für den nächsten EU-Haushalt 2028 bis 2034 wurde generell die Möglichkeit eröffnet, derlei Mittel im Gesamtumfang von 453 Milliarden Euro auch für militärrelevante Ausgaben zu verwenden.

Auch die Europäische Investitionsbank (EIB) soll vor den Rüstungskarren gespannt werden. Vor allem will man privates Sparkapital mobilisieren. Hierfür kündigte das Weißbuch an, die Nachhaltigkeitskriterien, die die Aspekte Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (ESG) betreffen, zu »schärfen«. Da viele Investmentfonds ihr Geld nur in Unternehmen stecken, die nach ESG-Kriterien als nachhaltig eingestuft wurden, legte die Kommission kurz vor der Sommerpause ein Omnibus-Paket für den Verteidigungsbereich vor. Mit ihm werden die ESG-Kriterien auf Rüstungsinvestitionen erweitert. Um einen Eindruck zu bekommen, um welche Beträge es hier geht: Allein in Deutschland soll knapp ein Achtel aller Anlagen in nachhaltigen Fonds stecken – 2024 waren das laut dem Geschäftsbericht des Forums Nachhaltige Geldanlagen 542 Milliarden Euro, die nun zumindest in Teilen auch in die Rüstung wandern können.

Automatisierte Genehmigung

Teil des bereits im Weißbuch angekündigten und kürzlich vorgelegten Omnibus-Paketes ist auch der »Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für Projekte zur Verteidigungsbereitschaft«. Mit ihm wird der Rüstungsindustrie der rote Teppich ausgerollt. Denn es geht darin um »die Notwendigkeit, die Kapazitäten der Union für die Produktion von Verteidigungsgütern zu erhöhen«. Und hierfür sei wiederum die »Vereinfachung und Harmonisierung der Rechtsvorschriften von wesentlicher Bedeutung«.

Beschleunigt werden soll so gut wie alles, was der Aufrüstung dient: »Ziel ist es, die Genehmigungsfristen für verteidigungsindustrielle Tätigkeiten, einschließlich des Baus neuer Anlagen und damit verbundener Infrastrukturen, des Ausbaus bestehender Anlagen, der Einrichtung von Teststandorten, der Ausbildung und der Zertifizierung, zu verkürzen und gleichzeitig auf bestehenden geltenden Bestimmungen aufzubauen und diese zu erweitern.« Um das zu schaffen, sollen die Mitgliedsstaaten darauf verpflichtet werden, rüstungsrelevante Genehmigungen in kürzester Zeit zu erteilen – schaffen sie das nicht innerhalb einer Frist von 60 Tagen, gilt die Erlaubnis automatisch als erteilt.

Alles deutet darauf hin, dass mit dem Plan zur Wiederaufrüstung Europas ernst gemacht wird.

Nach der Sommerpause stehen zunächst einmal die Verhandlungen um das Programm für die europäische Verteidigungsindustrie (EDIP) an, mit dem europaweite Beschaffungsprogramme und der Ausbau der Produktionskapazitäten finanziert werden sollen. Das Hauptaugenmerkt dürfte aber auf den Verhandlungen um den nächsten EU-Haushalt 2028 bis 2034 liegen, die in Kürze beginnen werden. Hierfür präsentierte die Kommission Mitte Juli 2025 einen Vorschlag, in dem die militärrelevanten Töpfe massiv aufgestockt wurden.

Allein für die Budgetlinie »Resilienz und Sicherheit, Verteidigung und Weltraum« sind 131 Milliarden Euro vorgesehen (2021-2027 rund 25 Milliarden Euro). Hinzu sollen nach Vorstellung der Kommission noch 17 Milliarden Euro für »Militärische Mobilität« kommen (2021-2027: 1,69 Milliarden Euro), um die Infrastruktur für den schnelleren Transport von Gütern und Truppen nach Osteuropa zu ertüchtigen. Militärrelevante Posten verbergen sich auch noch in anderen Haushalten, zum Beispiel im Forschungsetat. Für die »Europäische Friedensfazilität«, über die vor allem Waffenlieferungen an die Ukraine finanziert werden sollen, sind weitere 30 Milliarden Euro vorgesehen (2021-2027: 17 Milliarden. Euro).

Alles deutet also darauf hin, dass mit dem »Plan zur Wiederaufrüstung Europas« ernst gemacht werden soll. Dagegen regt sich inzwischen Protest, unter anderem vom Bündnis »Stop ReArm Europe!«[1], dem sich zahlreiche Gruppen angeschlossen haben.

Jürgen Wagner ist engagiert bei der Informationsstelle Militarisierung, Özlem Alev Demirel ist Abgeordnete der Linkspartei im EU-Parlament

Links:

  1. https://stoprearm.org