nd-aktuell.de / 28.08.2025 / Politik

USA: Auf dem Weg zur Diktatur

Mit der Entsendung der Nationalgarde bereitet Trump die Kontrolle demokratisch regierter Großstädte vor

Anjana Shrivastava
Die Nationalgarde ist nach Los Angeles jetzt auch in Washington im Einsatz.
Die Nationalgarde ist nach Los Angeles jetzt auch in Washington im Einsatz.

Nachdem er der US-Notenbank mit der Absetzung der Fed-Gouverneurin Lisa Cook[1] diese Woche den Krieg erklärt hatte, baut Präsident Donald Trump nun die Kontrolle über Amerikas Großstädte aus. Unter dem Vorwand der Verbrechensbekämpfung nimmt die Trump-Regierung nach Los Angeles und Washington, D.C. die demokratischen Hochburgen Chicago und New York City ins Visier.

Die Nationalgarde patrouilliert in der Hauptstadt bereits seit Mitte August[2]. Seit einigen Tagen ist sie allerdings auch bewaffnet. Diese Woche gründete Trump außerdem eine »Schnelle Eingreiftruppe« (Rapid Response) der Nationalgarde, die im Fall von Unruhen eingesetzt werden kann. Und er erklärte seine Absicht, die Todesstrafe gegen alle wegen Mordes Angeklagten in der Hauptstadt anzustreben. Berittene Männer in Camouflage streifen durch Parks, maskierte Agenten zerren Menschen von Liefer-Mopeds in den Straßen. Es sind Vorboten einer Diktatur.

Die Reaktionen in den liberalen Großstädten, den Institutionen und der Presse fallen allerdings merkwürdig gedämpft aus. Trump hat einen nationalen Notstand erklärt, aber die Demokratische Partei reagiert nicht, obwohl die Demokratie angegriffen worden ist. Gouverneur J.B. Pritzker aus Illinois zeigte die heftigste Reaktion, als er die Ansicht äußerte, Trump konstruiere eine Krise als Vorwand. Doch in seiner Rede verteidigte sich Pritzker auch dafür, überhaupt Alarm zu schlagen. Offenbar ahnt er, dass sein Publikum derartige Statements nicht hören will. Die Demokraten scheinen in der Zwickmühle: ein Krieg gegen Verbrechen? Welcher US-Politiker will dagegen sein?

Uneinig ist man sich auch in der Bewertung von Trumps Handeln. Geht es dem Präsidenten, wie so oft, in erster Linie um theatralische Gesten? Handelt er mit absoluter Konsequenz? In Los Angeles, wo es im Juni heftige Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und der Polizei gab, sind die Schlagzeilen eher verhalten. In Washington wurden die Nationalgardisten gelegentlich von protestierenden Bürgern verscheucht. In den letzten Tagen wurde ein Kontingent der Gardisten mit einer Müllsammlung im Lafayette Park beauftragt. Zudem wird das neue Kommando erst einmal nur aus 600 Gardisten bestehen: 300 Mann aus Alabama, 300 aus Arizona. Weckt Trumps Eskalation deswegen so wenig Widerstand, weil die Zwischenschritte oft banal wirken?

Von den Polizeiaktionen sind die Finanzeliten der Wall Street, die Professoren der Eliteuniversitäten oder die Leitartikler der Hauptstadtpresse nicht betroffen.

Entscheidend dürfte auch sein, wer von den Polizeiaktionen betroffen ist. Es sind eben nicht die Finanzeliten der Wall Street, die Professoren der Eliteuniversitäten oder die Leitartikler der Hauptstadtpresse. Vielmehr sind es die afroamerikanischen Bewohner in Southeast Washington, in den Bezirken, wo die Mordrate hoch ist. Die Bundesagenten und Polizisten schwärmen auch dort aus, wo viele Einwanderer wohnen, etwa im Bezirk Mount Pleasant. Die Hälfte der in diesen Tagen in der Hauptstadt Verhafteten waren Einwanderer. In den ärmeren Vierteln werden gleichzeitig Informationsveranstaltungen organisiert, bei denen die Jugendlichen darüber informiert werden, wie sie am besten mit der bewaffneten Bundespolizei umgehen.

Der Deputy-Stabschef des Weißen Hauses, Stephen Miller, sprach auf Fox News über die »supremacy«, die Vorherrschaft der Bundespolizei im Land. Das bloße Wort erinnert an den rassistischen Begriff der »white supremacy«. Klar ist, dass die Polizeiaktionen auf alte Formen zurückgreifen, um Minderheiten durch Repression zu kontrollieren. Amerikas obere Mittelschicht wird dadurch nicht in Aufregung versetzt. Trumps Chefideologe Miller legte bei Fox nach: In der Hauptstadt seien die Wenigen, die gegen Trumps Politik protestiert hätten, ältere weiße Hippies gewesen. Bevölkerungsgruppen gegeneinander auszuspielen ist die ideologische Seite der Polizeiarbeit. Den Afroamerikanern sagen die Behörden, dass sie gegen Einwanderer vorgehen, gegenüber den Latinos betont man, dass man gegen schwarze Gangs ermittele. Das ist eine bewährte Wahlstrategie. Miller ist am Ende gefährlicher als tausende bewaffnete, Müll sammelnde Nationalgardisten. 

Der Ex-Gardist und Generalmajor a.D. Randy Manner äußerte vor diesem Hintergrund auf CNN, dass das Vorgehen der Trump-Regierung ihn an die 1930er Jahre in Deutschland erinnere. Doch auch diese Äußerung sorgte in den US-Eliten für wenig Aufsehen.

Viele hoffen möglicherweise darauf, dass das Trump-Lager doch noch zerfallen könnte. Die Macht des Präsidenten beruht auf einer breiten, heterogenen Koalition. Die verschiedenen Fraktionen sind loyal zum Präsidenten, gegenseitig aber in ständiger Spannung. Die MAGA-Bewegung will rabiat gegen Einwanderung vorgehen; die traditionellen Republikaner überhaupt nicht. Manche Trump-Anhänger wollen die Großstädte gänzlich übernehmen, andere wollen in Ruhe ihre Privilegien in eben diesen Städten genießen. Teile der Trump-Koalition sind Gegenrevolutionäre, andere wollen nur eine autoritär gelenkte Demokratie.

Was Trump selbst will, wird sich vermutlich demnächst in New York City zeigen. Am 4. November dieses Jahres findet dort die Bürgermeisterwahl statt. Zohran Mamdani ist nominierter Kandidat der Demokraten[3], aber da er demokratischer Sozialist ist, wird er vom demokratischen Establishment kaum unterstützt. Nur vier von zwölf demokratischen New Yorker Abgeordneten im US-Kongress unterstützen ihn. Mamdanis Politik der höheren Besteuerung, des Mietendeckels und seine Israel-Kritik tragen dazu bei. Für Trump war der Kampf gegen alle Arten von Sozialismus der Hauptbeweggrund, in die Politik zu gehen. Nach Occupy Wall Street entschied sich Trump, die US-Arbeiterklasse für sich zu gewinnen. Die Kandidatur von Mamdani ist ein rotes Tuch für ihn, aber gleichzeitig auch für viele Demokraten.

So stehen sich zwei große, aber brüchige Koalitionen gegenüber. Beide sind sich untereinander uneinig. Allerdings kann jederzeit etwas passieren, das die Kräfte bündelt und die Ereignisse ins Rollen bringt: gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Bürgern und Gardisten oder ein missliebiges Wahlergebnis. Es wäre ein Schuss, der auf der ganzen Welt gehört werden wird.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193570.us-notenbank-fed-gouverneurin-lisa-coop-angefeindet.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193520.usa-trump-schickt-nationalgarde-nach-chicago.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192182.usa-zohran-mamdani-in-new-york-der-linke-aufsteiger.html