Im Vorfeld der Fraktionsspitzen-Klausur von Union und SPD[1] in Würzburg überboten sich die Medien im Psychologisieren von Politik: Es gehe um Vertrauensbildung, sogar von »Gruppentherapie«[2] ist zu lesen. Eine solche falsche Verwendung von psychologischen Fachbegriffen nennt man »Therapie-Sprech« – das Phänomen ist mindestens so verbreitet wie problematisch. Aber eben auch: verlockend.
Daher hier – ganz nonchalant – eine alternative psychologische Analyse des Koalitionstreffens. Besonders beliebt im »Therapie-Sprech« ist die Vokabel »Gaslighting«: eine Form von psychischer Manipulation, mit der Betroffene gezielt verunsichert und in ihrem Realitäts- und Selbstbewusstsein allmählich beeinträchtigt werden, wie es auf Wikipedia heißt.
Das beschreibt, wie die Union derzeit mit der SPD umgeht: Zuerst sabotieren CDU und CSU absichtlich eine Reihe wichtiger Regierungsvorhaben – nur um anschließend Bedauern zu heucheln, weil das gegenseitige Vertrauen abhandengekommen sei. Man denke an das zwischenzeitliche Veto von CDU-Außenminister Wadephul zum Wehrdienst-Gesetz aus dem SPD-geführten Verteidigungsministerium, weil ihm dieses nicht verpflichtend genug ist[3]. Oder an die Kampagne der Union gegen die SPD-Verfassungsgerichtskandidatin Frauke Brosius-Gersdorf[4].
Wenn Merz nun vorab ankündigt, es der SPD »bewusst nicht leicht« machen zu wollen, weil der Sozialstaat angeblich nicht mehr finanzierbar[5] sei – und damit den Markenkern der SPD angreift –, bestätigt das nur: In Würzburg geht es der Union nicht um Versöhnung, sondern um Kontrolle über ihren Juniorpartner.