nd-aktuell.de / 04.09.2025 / Kultur

Double You

Da schau her: George W. Bush wird immer künstlerischer, moderater und beliebter

Jana Talke
Diese Männer hat Bush jr. als US-Präsident in die Kriege in Afghanistan und im Irak geschickt, sie haben es überlebt und wurden dann von ihm gemalt.
Diese Männer hat Bush jr. als US-Präsident in die Kriege in Afghanistan und im Irak geschickt, sie haben es überlebt und wurden dann von ihm gemalt.

Howdy aus Texas, liebe Leser*innen,

was haben Churchill, Hitler und George W. Bush gemeinsam? Nein, ich will auf nichts Politisches hinaus, falls Sie das dachten ̶ ich bin ja keine irre Gen-Z-Tussi, die alle Politiker in einen Topf schmeißt. Ich meine die künstlerische Tätigkeit neben dem Regieren: sie sind Maler. Und während bei Hitler einfach alles zum Kotzen war, nahm bei Churchill das politische Geschick zweifelsfrei überhand, wenngleich die Landschaften auf seinen Bildern ganz schön anzusehen sind. Bei Bush wird es wohl andersherum sein, das ist zumindest meine Ansicht.

Vor acht Jahren sah ich im »Bush Presidential Center« in Dallas zum ersten Mal eine Ausstellung seiner Veteranen-Porträts, »Portraits of Courage« und war ziemlich beeindruckt, auch wenn so etwas schwer einzugestehen ist. In meiner Jugend in Deutschland galt George W. nämlich als persona non grata, von Green Day mehr direkt als indirekt als »American Idiot« beschimpft, in der Kultserie »South Park«, für die man nachts aufbleiben musste, gnadenlos verspottet, verschmäht von Hollywood-Größen und deutschen Moderatoren zugleich und nicht zuletzt scharf kritisiert vom Regisseur Michael Moore, den ich einst als Teenager bewunderte. Viele Jahre später musste ich erstaunt realisieren: Die Bilder von Bush gefallen mir. Sie sind etwas ungelenk, roh, traurig, würdevoll. Sind sie vielleicht eine Art Entschuldigung beim amerikanischen Volk?

Noch überraschender war es herauszufinden, dass George W. in Texas beliebt ist, dass man sich hier gern an seine Zeit als Gouverneur erinnert (und mit »man« meine ich die am meisten linken Texaner*innen, die ich kenne), während man über seine präsidentiellen Entscheidungen eher hinwegsieht. So hat er als Gouverneur beispielsweise mehr Geld in Schulbildung investiert und dazu beigetragen, dass Texas zum führenden Windenergiehersteller wurde. Seine Ehefrau Laura wird für ihr philanthropisches Engagement gepriesen, kurzum, in Dallas sind viele stolz auf das hier lebende Paar. Passend zu diesen Sentiments ist das 2013 in Dallas eröffnete Bush Center das, was man heutzutage gern als »Legacy« des ehemaligen Präsidenten bezeichnet ̶ ein sehr teures Museum (26 Dollar Eintritt pro Person plus 10 fürs Parken!), das Bushs Amtszeit resümiert und pathetisch überhöht. Und ich gehe wieder hin.

Zuerst schaue ich ein verklärendes Filmchen über Glauben, Werte und Community, währenddessen mir unfreiwillig die kratzbürstige Angela-Merkel-Doku der ARD vom letzten Jahr einfällt, in der außer dem ehemaligen Bundesminister niemand auch nur ein nettes Wort für die Ex-Kanzlerin übrighatte, was ich als äußerst geschmacklos empfinde. Ich lebe wohl zu lange in den USA und sehne mich nach Lob und Herumgesülze. Weiter geht es mit dem 9/11-Raum. Der 9. September 2001 ist ein Tag, an den sich wohl jeder, der damals kein Kleinkind mehr war, erinnert. Für mich ist der Tag besonders schmerzhaft, weil ich zu der Zeit mit meinen Eltern nur ein paar Häuser weg von der Hamburger Terrorzelle um Mohamed Atta wohnte, in der Marienstraße in Hamburg-Harburg. Noch viele Monate später und zum Jahrestag des Terroraktes versammelten sich vor dem hässlichen Gebäude die Kamerateams. Ich schaudere, wenn ich daran denke. Zum Glück habe ich diesen »Fun Fact« über mich nicht beim Einbürgerungsinterview erwähnt.

Dann sehe ich neue Bilder von Bush Junior, Porträts von Menschen, die seine alten Werke im Bush Center anschauen, skizzenhaft, bunt, erbaulich, meta-reflexiv. Kann Kunst solche schweren Fehler wie die der Bush-Präsidentschaft wieder wettmachen? Kann er wie die Taliban, die er zu besiegen wünschte, ein Comeback feiern? »Ich weiß, er wurde viel kritisiert, aber ich finde ihn gut«, sagt ein älterer Besucher zu einem Museumsmitarbeiter über den 43. Präsidenten. Das Internet hat dem 79-Jährigen längst verziehen, seine albernen Versprecher, genannt »Bushisms«, sorgen für viele Likes, seine alten und nun sehr besonnen wirkenden Äußerungen zur Migration werden gefeiert, er wirkt weise, gutmütig, respektvoll, flüstert vertraulich mit Michelle Obama. »They misunderestimated me«, sagte George W. einst und lag damit wohl richtig.