Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (Rav) nennt den Polizeieinsatz gegen die Antikriegsdemonstration am vergangenen Wochenende[1] »schlicht und ergreifend demokratiefeindlich«. Zur Erinnerung: Hunderte Demonstrant*innen wurden bis zu elf Stunden von der Polizei eingekesselt[2], es gab massive Einsätze von Schlagstöcken und Pfefferspray, eine parlamentarische Beobachterin wurde von der Polizei attackiert. Die Begründung der Polizei für den Einsatz ist mehr als fragwürdig.
Es gäbe also eigentlich genug Gründe für eine kritische, politische Aufarbeitung des Einsatzes. Diese wird es aber nicht geben. In Nordrhein-Westfalen gibt es nämlich spätestens seit 2022 keine Opposition mehr, die in einem bürgerrechtlichen Sinn auf das Handeln der Polizei schaut. Bis 2022 haben die Grünen das gemacht. Seitdem regieren sie, »geräuschlos«, wie man so schön sagt, mit der CDU. Von der SPD im Düsseldorfer Landtag ist auch nichts zu erwarten. Sie fungiert eher als parlamentarischer Arm der Polizeigewerkschaft GdP.
Wer also darauf hofft, dass im Landtag kritisch über den Polizeieinsatz gesprochen wird, wird leider enttäuscht werden. Zu rechnen ist, wenn überhaupt, damit, dass sich die Landtagsparteien mit Lob für die Polizei und Geißelung des »Linksextremismus« übertrumpfen werden. Die Kölner CDU fordert schon Konsequenzen für das lokale Autonome Zentrum.
Das kommt alles nicht von ungefähr, überrascht wohl nur, weil es seit der Verschärfung des Versammlungsrechts vor vier Jahren keine linken Demos mit bundesweiter Strahlkraft in Nordrhein-Westfalen gab. Polizeibehörden agieren in NRW zunehmend versammlungsfeindlich. Die für diesen Samstag geplante »Krachparade« in Aachen wurde von der Polizei verboten. Der Grund: Eine Tanzdemo ist zu unpolitisch.[3]
Politisch muss man auch gar nicht sein, um negative Erlebnisse mit der Polizei zu haben. Im Februar machten 500 Fortuna-Düsseldorf-Fans in Köln ganz ähnliche Erfahrungen[4] wie jetzt die Antikriegsdemonstranten. Wegen des »Anfangsverdachts zur möglichen Begehung von Straftaten« wurden sie über Stunden festgesetzt, ihre Personalien aufgenommen und sie dann mit einem Platzverweis für ganz Köln belegt. Aus ganz Nordrhein-Westfalen gibt es Berichte von mehr als fragwürdigen Einsätzen gegen Fußballfans.
Auch wenn es um weitaus dramatischere Fehler der Polizei geht, bleibt eine kritische Aufarbeitung aus. Ein trauriges Beispiel dafür: der tödliche Brandanschlag von Solingen 2024.[5] Im Gerichtsverfahren wurden zahlreiche Fehler der Polizei aufgedeckt. Ein parlamentarisches Nachspiel werden sie nicht haben, auch wenn Opfer und Angehörige das fordern. Es gibt daran kein politisches Interesse.
Ohne eine einzige Partei im Landtag, die sich für Bürgerrechte einsetzt, haben die Law-and-Order-Fanatiker in Politik und Polizei es leicht. In Nordrhein-Westfalen ist das zu spüren. Die Verabschiedung des Versammlungsgesetzes 2021 und der Eintritt der Grünen in die Landesregierung haben das Klima im Land nachhaltig verändert: Protest wird schnell kriminalisiert und eine Aufarbeitung von polizeilichem Fehlverhalten findet kaum noch statt.
Quelle: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193838.kommentar-ohne-buergerrechtsopposition-istrs-schwer.html