Als eine Mutter mit ihren Kindern im Auto im März von der Polizei angehalten wird, zückt sie ihr Smartphone und beginnt, die Verkehrskontrolle zu filmen. Auch die Beamt*innen hatten ihre Bodycam aktiviert. Doch während die Polizei filmte, beschlagnahmte sie das Handy der Frau – wegen »Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes«. Dieser Paragraf 201 der Strafprozessordnung[1] ist ein gängiges Mittel, mit dem die Polizei sich unliebsamen Beweisvideos entledigt[2]. Gemeint ist damit, dass nicht jede Kommunikation der Polizei im Einsatz ein behördliches Handeln ist, mithin auch nicht öffentlich gemacht werden darf.
Drei Monate später war das iPhone der Betroffenen immer noch beschlagnahmt. Das Amtsgericht Rosenheim und später das Landgericht Traunstein, die von der Frau angerufen wurden, hatten an der Maßnahme keine Zweifel – mit der Begründung, das Video sei wichtiges Beweismaterial für die Beamt*innen.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sieht die Sache anders. Zwar wiesen sie die Verfassungsbeschwerde aus formalen Gründen ab – die Frau hatte zuvor nicht alle Rechtsmittel ausgeschöpft. Dennoch nutzten sie die Gelegenheit für eine deutliche Kritik an der Rechtmäßigkeit derartiger Polizeimethoden.
»Nicht jede Videoaufnahme polizeilicher Einsätze rechtfertigt ein polizeirechtliches oder strafprozessuales Einschreiten«, heißt es in einem nun veröffentlichten Beschluss vom 9. Juli[3] – erst recht, wenn die Beamt*innen selbst eine Bodycam laufen lassen. In der Rechtsprechung sei die Strafbarkeit auch umstritten – so vertraten etwa die Landgerichte Osnabrück, Hanau und Aachen die Auffassung, dass solche Aufnahmen oft gerechtfertigt sind. Das Verfassungsgericht betont, dass die Angst vor Konsequenzen Bürger*innen nicht davon abhalten dürfe, staatliches Handeln zu dokumentieren und zu kritisieren.
Besonders scharf kritisieren die Karlsruher Richter*innen die monatelange Beschlagnahme des Handys. Ein Smartphone habe heute »eine für die persönliche Lebensführung unverzichtbare Bedeutung«. Der Entzug des Geräts wirke wie eine »faktische Sanktionierung« – noch bevor überhaupt ein Urteil gefallen ist.
Die Beweislage gegen die Frau war zudem bereits ohne das Handy-Video erdrückend – die Beamt*innen hätten es also mit dieser Begründung nicht einbehalten dürfen. So seien drei Einsatzkräfte als Zeug*innen vor Ort gewesen, dazu gebe es die Bodycam-Aufnahme, dazu ein schriftliches Geständnis der Frau. Diese hatte außerdem angeboten, freiwillig den PIN herauszugeben. Ein schnelles Kopieren der Datei und Rückgabe des Geräts wäre technisch problemlos möglich gewesen, heißt es in dem Beschluss.
Die deutlichen Worte aus Karlsruhe betreffen zwar nur den Einzelfall – sie sind aber auch ein Signal an Polizei und Staatsanwaltschaften, die Praxis der Handybeschlagnahme wegen »Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes« zu korrigieren. Bislang haben dazu nur Amts-, Land- und Oberlandesgerichte geurteilt – ein zu Ende verhandeltes Hauptsacheverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht gab es noch nicht.