nd-aktuell.de / 09.09.2025 / Berlin

Baustelle Mindestlohnbetrug

Viel zu wenig Kontrollen in den Betrieben Brandenburgs

Andreas Fritsche
Der Zoll achtet auf die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns, prüft aber nur stichprobenartig.
Der Zoll achtet auf die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohns, prüft aber nur stichprobenartig.

»Jeder Parkplatz wird besser kontrolliert als der Mindestlohn«, kritisiert der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) nicht zum ersten Mal. Wortwörtlich hat er das bereits 2022 gesagt[1]. Damals waren in einem halben Jahr von 82 103 Betrieben in Brandenburg nur 781 von der Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls überprüft worden. Seitdem ist es nicht besser geworden, im Gegenteil.

Wie Görke jetzt durch eine parlamentarische Anfrage von Bundesfinanzstaatssekretär Michael Schrodi (SPD) erfahren hat, gab es im gesamten vergangenen Jahr lediglich 606 Kontrollen bei den noch 80 448 Betrieben im Bundesland. Es wurden auf Basis dieser Kontrollen und nach Hinweisen 1355 Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet und 174 Bußgeldbescheide erteilt – und insgesamt 237 028 Euro verlangt.

Eine gängige Betrugsmethode ist, dass eine Putzfrau in vier Stunden eine bestimmte Anzahl von Büros reinigen soll. Für das Staubsaugen und Leeren der Papierkörbe benötigt sie zwar sechs Stunden, wird aber für die zwei zusätzlichen Stunden nicht bezahlt.

»Wir stellen niemanden unter Generalverdacht«, versichert Görke. »Anständige Arbeitgeber und die Beschäftigten leiden beide unter Mindestlohnbetrug. Es geht um einen wirklich fairen Wettbewerb, in dem bestraft wird, wer sich nicht an die Spielregeln hält.« Der Bundestagsabgeordnete fordert: »Wir brauchen mehr Kontrollen und eine deutliche Aufstockung bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die effektiv gegen organisierte Ausbeutung vorgehen kann und den Schutz der Betroffenen in den Mittelpunkt stellt.«

»Die Durchsetzung des Mindestlohns entscheidet darüber, ob dieser wirklich schützt oder nur auf dem Papier steht«, hatte der Landtagsabgeordnete Andreas Kutsche (BSW) bereits im April erklärt. Verstöße seien leider an der Tagesordnung und die Kontrollen lückenhaft[2]. »Wir nehmen als Teil der Landesregierung unsere Verantwortung ernst und werden weiter Druck machen – im Interesse der Beschäftigten«, versprach er. Die zum 1. Januar 2025 erfolgte Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns um 41 Cent auf 12,82 Euro nannte Kutsche einen Witz. »Es braucht einen Mindestlohn von 15 Euro, der vor Armut schützt und dabei helfen kann, die Binnennachfrage anzukurbeln.«

Im Juli legte der Landtagsabgeordnete nach: »Es ist ein unhaltbarer Zustand, dass 182 600 Brandenburgerinnen und Brandenburger trotz Vollzeitarbeit mit Niedriglöhnen abgespeist werden.« Wer hart arbeite, müsse davon leben können. Dies sei eine Frage von Respekt und Anstand, und ein fairer Lohn sei zudem die Grundlage für eine würdige Rente. Kutsche forderte Tariftreue[3] bei öffentlichen Aufträgen, einen armutsfesten Vergabemindestlohn und keine faulen Kompromisse. Öffentliche Aufträge dürften nicht länger an Firmen gehen, »die Tarifverträge umgehen oder ihre Beschäftigten mit Dumpinglöhnen abfertigen«. Kutsche versprach noch einmal: »Wir werden nicht lockerlassen.«

Der gesetzliche Mindestlohn wird bundeseinheitlich festgelegt. Ende Juni hat die verantwortliche Kommission beschlossen, dass der gesetzliche Mindestlohn am 1. Januar 2026 auf 13,90 Euro steigen soll und am 1. Januar 2027 auf 14,60 Euro. »Ich freue mich, dass es für viele Menschen in Brandenburg in den nächsten Jahren eine deutliche Lohnerhöhung geben wird«, hatte der hiesige Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD) reagiert. Er ging davon aus, dass gut 230 000 Beschäftigte im Bundesland von der Anhebung profitieren werden.

Doch einige von ihnen müssten nicht zwei Jahre warten, wenn Brandenburg vorher festlegt, dass Firmen ihren Mitarbeitern mindestens einen Stundenlohn von 15 Euro bezahlen müssen, wenn sie Aufträge vom Land oder von den Kommunen erhalten wollen. Seit 2021 sind 13 Euro Bedingung, um den Zuschlag zu erhalten. Spätestens alle zwei Jahre soll der Vergabemindestlohn überprüft und an die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse angepasst werden. So sieht es das Brandenburger Vergabegesetz vor. Eine Anpassung ist aus Sicht des DGB-Landesbezirks überfällig. SPD und BSW haben in ihrem Ende 2024 ausgehandelten Koalitionsvertrag eine Anhebung auf 15 Euro verheißen. Doch in der Brandenburger Mindestlohnkommission blockierten die Arbeitgeber am 20. August eine ensprechende Empfehlung.

»Die Landesregierung ist nicht an Vorschläge der Kommission gebunden, sondern an das Gesetz«, erinnerte DGB-Landesbezirkschefin Katja Karger. Sie appellierte an die Regierung und die Landtagsabgeordneten, zeitnah einen Vergabemindestlohn von 15 Euro zu beschließen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1167458.arbeit-zwoelf-euro-lohn-sind-das-mindeste.html?
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1089777.mindestlohn-wird-kaum-kontrolliert.html?
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1126526.arbeitslosigkeit-nicht-einmal-die-haelfte-der-beschaeftigten-erhaelt-tarifloehne.html?