nd-aktuell.de / 11.09.2025 / Kultur

Onkel Donalds Märchenstunde

Während die Liberalen in der Geschichtspolitik auf Pluralismus setzen, bevorzugen Faschisten widerspruchsfreies Pathos – zu sehen in US-Museen

Tanja Röckemann
Faschistische Bildsprache am US-Arbeitsministerium in Washington D. C., August 2025
Faschistische Bildsprache am US-Arbeitsministerium in Washington D. C., August 2025

Während wir uns darauf vorbereiten, den 250. Jahrestag der Gründung unserer Nation zu feiern, ist es wichtiger denn je, dass unsere nationalen Museen die Einheit, den Fortschritt und die beständigen Werte widerspiegeln, welche die amerikanische Geschichte ausmachen.« Mit diesen vor Pathos triefenden Worten beginnt ein offener Brief des Weißen Hauses an den Leiter der Smithsonian Museen in den USA, Lonnie G. Bunch III, vom 12. August 2025.

Der staatliche Smithsonian-Museenkomplex ist der größte der Welt und befasst sich mit der natürlichen und soziokulturellen Geschichte des Territoriums, auf dem sich heute die Vereinigten Staaten von Amerika befinden. Sie sind der maßgebliche Ort der staatsoffiziellen musealen US-Geschichtsschreibung – und damit ganz folgerichtig im Visier der aktuellen US-Regierung mit ihrem Projekt weiß-christlicher, kapitalistischer Herrschaftssicherung. Persönlich beauftragt mit der ideologischen Bereinigung der Smithsonian-Museen ist der US-Vizepräsident J.D. Vance, Mitglied des »Smithsonian Board of Regents«, flankiert von dem erzkonservativen Obersten Richter des Supreme Court, John Roberts, der praktischerweise auch Vorstandsvorsitzender des Smithsonian ist.

Explizit aufgefordert, innerhalb von 75 Tagen »spaltende oder parteiische Narrative« – gemeint sind historische Fakten wie Sklaverei und Kolonialismus oder die Evolutionstheorie – aus sämtlichen Ausstellungen und Programmen zu entfernen, wurden unter anderem das National Museum of African American History and Culture und das National Museum of Natural History. Aber auch das noch in Planung befindliche American Women’s History Museum ist schon in der Schusslinie – vorläufig mit der transfeindlichen Begründung, dort würden »männliche Sportler gefeiert«.

Weitere Beispiele für Störfaktoren im Bild des »amerikanischen Exzeptionalismus«, auf den Trump und Konsorten die Smithsonian-Museen verpflichten wollen: die Erwähnung der Tatsache, dass der US-»Gründervater« Benjamin Franklin im Besitz von versklavten Menschen war, die Präsentation eines Films über den Polizeimord an George Floyd im Mai 2020 sowie ein Dokument aus der Ausstellung »¡Presente! Latino history« im National Museum of American History, das die kriegerische Aneignung mexikanischen Territoriums (heute Teile der US-Bundesstaaten Kalifornien, Arizona und Texas) 1848 durch die USA darstellt.

Geschichtspolitischer Rollback

So haarsträubend geschichtsrevisionistisch, so wenig originell ist diese Agenda der Trump-Administration. Sie räumt schlicht mit all jenen geschichtspolitischen Modernisierungen auf, die von US-amerikanischen Konservativen, seit Jahrzehnten organisiert in der Republikanischen Partei, schon immer aufs Schärfste bekämpft wurden – ein Kampf allerdings, der im Zuge von »68« und seinen (bewegungs-)politischen Folgeprojekten zumindest teilweise verloren worden war. Die allgemeine Stoßrichtung der trumpistischen Geschichtspolitik dürfte also bei der Rechten insgesamt gut ankommen. Aber die vollkommen ungezügelte Art und Weise, mit der die heutzutage faschistische Führung der Republikaner die Erzählung über die Nation nun wieder auf den Kurs der weißen Herrschenden bringt, gleicht einem konservativen Fiebertraum.

Die rechtliche Grundlage für seine Säuberungsbemühungen hatte der US-Präsident übrigens bereits im März 2025 erlassen: ein Dekret »Zur Wiederherstellung von Wahrheit und geistiger Gesundheit in der amerikanischen Geschichtsschreibung«. Wüsste man es nicht besser, könnte einem der Titel nur lachhaft erscheinen. Aber »die Produktion, Hypostasierung und Zirkulation dieser mächtigen, inhaltslosen, großgeschriebenen Signifikanten«, wie der Faschismusforscher Alberto Toscano die faschistische Kulturproduktion in seinem aktuellen Buch »Spätfaschismus. Rassismus, Kapitalismus und autoritäre Krisenpolitik«[1] beschreibt, steht im Dienste eines todernst gemeinten, bereits fortgeschrittenen Herrschaftsprojektes, das seinen Zenit sogar noch vor sich zu haben scheint.

Immer offensichtlicher treiben sich die Trumpisten in einer völkischen Vorstellungswelt herum.

Immer offensichtlicher treiben sich die Trumpisten in einer völkischen Vorstellungswelt herum, die auch etwa die Ideologie der »entarteten Kunst« im Nationalsozialismus definiert: Kritische – sprich, realistische – Darstellungen der gesellschaftlichen Verhältnisse werden nicht allein als falsch beschrieben oder künstlerisch abgewertet, sondern als pathologisch, ja »volksfeindlich« gekennzeichnet. Ebenso wie die Deutschen 1937 in die NS-Ausstellung – wenn auch teils aus anderer Motivation – strömen derzeit US-Bürger*innen »in die Museen, um bestimmte Ausstellungen zu sehen, bevor sie abgebaut werden« (»Cronkite News«). Einige Besucher*innen äußern gegenüber der Presse zwar ihre Empörung über die geplanten Änderungen, aber insgesamt scheint ein Fatalismus zu überwiegen. Und auch aus dem Smithsonian selbst – wie ja derzeit auch in anderen demokratischen US-Institutionen zu beobachten ist – kommt keine wirkliche Gegenwehr. Anstatt die Äußerungen Trumps als die demagogischen Begriffsverdrehungen anzugreifen, die sie sind, lässt der Chef des Smithsonian sich in einer internen Mitteilung an die Belegschaft voll und ganz auf dessen Register ein: »Wir überprüfen unsere Inhalte kontinuierlich, um sicherzustellen, dass unsere Programme unparteiisch und sachlich sind.«

Im Fall des Smithsonian geht es um Museen, die sich weniger mit bildender Kunst als mit historischen Themen befassen. Dennoch lässt sich hier etwas über faschistische Ästhetik lernen. Wie Walter Benjamin 1937 in »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« festhielt, ist eines der Wesensmerkmale des Faschismus eine starke Tendenz zur Ästhetisierung des Politischen: Affektive Regungen treten an die Stelle einer rationalen Durchdringung der Verhältnisse; sachlich-wissenschaftliche Inhalte werden rein gefühlsmäßig erfasst. Vernunft und Affekt sind nicht dialektisch vermittelt, wie es ein Kunstwerk tun würde, sondern Darstellung und Rezeption sind vereinseitigt zu Kitsch und Ornament. Die widerspruchsfreie Bebilderung der »Größe der Nation« als Imperativ für museale Auseinandersetzung mit der Geschichte ist hierfür ein Beispiel.

Deutlich zeigt sich diese Ästhetisierung des Politischen aber auch in der Propaganda, welche die Trump-Regierung in ihrer Umgestaltung anderer staatlicher Institutionen verwendet. Zwei Beispiele gingen in den vergangenen Wochen durch die Medien: Erstens ein Rekrutierungsaufruf der Immigration and Customs Enforcement (ICE) – »No age limit! Join ICE now!« –, das ein blondes, arisch aussehendes Vater-Sohn-Paar mit Gewehren vor einer amerikanischen Flagge zeigt; zweitens die Aufhängung eines gigantischen Trump-Konterfeis am Gebäude des US-Arbeitsministeriums, darunter die Parole »American Workers First«. (Auf den faschistischen Charakter der Verwendung von pseudo-klassenkämpferischem Vokabular bei gleichzeitigem Frontalangriff auf Gewerkschaften, Arbeitsrecht und Sozialstaat, den ja auch die Trump-Administration derzeit führt, kann an dieser Stelle nur hingewiesen werden.)

Kontrolle über Kultur

Die große Aufmerksamkeit, welche die Trump-Adminstration den Bereichen Kultur, Kunst und nationale Geschichtsschreibung zumisst, teilt sie mit den nationalsozialistischen Herrschenden – und tatsächlich auch, ohne hier eine Gleichsetzung vornehmen zu wollen, mit den historischen sozialistischen Staaten. Das anything goes der pluralistischen Demokratie, in welcher der Markt die Zensurfunktion ausübt und die ihre Stärke gerade daraus zieht, möglichst diverse Meinungsäußerungen zuzulassen, ist jedem autoritären Staat verdächtig – auch weil er in seiner auf offener Gewalt basierenden Herrschaft in gewisser Hinsicht tatsächlich prekärer aufgestellt ist als die Demokratie.

Um aber die Illusion zu zerstören, Faschismus und Demokratie wären unvereinbare Gegensätze, sei abschließend noch einmal Toscano zitiert: »Wie uns die Schriften inhaftierter Schwarzer Revolutionär*innen aus den USA zeigen, können politische Ordnungen, die weiterhin als liberal und demokratisch gelten, Institutionen beherbergen, die, in einer Art rassistischen Doppelung des Staates, für weiter Teile ihrer Bevölkerung ein Herrschafts- und Terrorregime darstellen.« Was wir derzeit in den USA beobachten, ist also mehr die Ausweitung dieses Regimes auf immer größere Teile der Bevölkerung als ein kompletter Bruch mit dem Status Quo. Bleibt zu hoffen, dass diese Betroffenheit nicht weiter spaltet, sondern Solidarität schafft.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191626.dokumentiert-alberto-toscano-demokratischer-imperialismus.html?sstr=albert|toscano