nd-aktuell.de / 12.09.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Prävention weiter unterbelichtet

Herzbericht mahnt Anstrengungen zur Vermeidung von kardiologischen Krankheiten an

Ulrike Henning
Eingriffe an den Herzklappen sind oft minimal-invasiv möglich.
Eingriffe an den Herzklappen sind oft minimal-invasiv möglich.

Dass Erkrankungen von Herz und Kreislauf im Ranking der Todesursachen in Deutschland ganz weit oben stehen, ist Allgemeinwissen. Genauer ist es so, dass die Koronare Herzkrankheit (KHK) den ersten Platz einnimmt: Von den 2023 daran verstorbenen fast 120 000 Menschen erlitten etwa 44 000 einen akuten Herzinfarkt. Der Zusammenhang: Die KHK zeigt sich durch Ablagerungen in den Herzkranzgefäßen, die unter anderem durch erhöhte Blutfettwerte entstehen. Das kann bis zum Infarkt führen. Wird dieser überlebt, und das ist heute bei rechtzeitiger stationärer Behandlung immer häufiger der Fall, ist das Organ danach aber weniger leistungsfähig.

Diese Gruppe der Herzerkrankungen führt aber in Deutschland nicht nur anteilsmäßig zu den meisten Todesfällen, sondern auch zu 538 000 Behandlungsfällen in Krankenhäusern[1]. Auf diese Zahlen aus dem Jahr 2023 weist der Deutsche Herzbericht (Update 2025) hin. Vorgestellt wurde dieser Überblick zur kardiologischen und herzchirurgischen Versorgung in Deutschland am Donnerstag in Berlin. Herausgegeben wird er von der Herzstiftung in Zusammenarbeit mit vier medizinischen Fachgesellschaften.

»In der Reparaturmedizin sind wir schon ganz gut, aber in der Prävention müssen wir besser werden.«

Holger Thiele Deutsche Gesellschaft für Kardiologie

Fortschritte in der Technik von Operationen und anderen Eingriffen sind vielleicht noch nicht völlig ausgereizt, aber Katheter, Bypass-Operationen und neue bildgebende Verfahren haben Diagnose und Behandlung schon stark verbessert. Jedoch fehlt es am anderen Ende: »In der Reparaturmedizin sind wir schon ganz gut, aber in der Prävention müssen wir besser werden.« Das sagt Holger Thiele von der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. Der Internist, Kardiologe und Notfallmediziner ist Direktor der Universitätsklinik Kardiologie am Herzzentrum Leipzig. Versäumnisse bei der Prävention haben einen großen Anteil daran, dass Deutschland bei der Lebenserwartung trotz hoher Aufwendungen im Gesundheitssystem im westeuropäischen Vergleich hintere Ränge belegt. Unter 16 Staaten liegt Deutschland hier bei den Frauen auf Rang 14, bei den Männern auf Rang 15. Der Rückstand der Lebenserwartung bei Geburt vergrößerte sich zuletzt in dieser Gruppe auf 1,7 Jahre im Vergleich zu den anderen Ländern.

Prävention steht für eine lange Reihe verschiedener Maßnahmen. Thiele wählt eine mit aktuellem Bezug, nämlich die Impfungen gegen Influenza oder RSV, ebenfalls eine virale Atemwegserkrankung: »Dagegen lassen sich nur 30 Prozent der Patienten mit einer Herzerkrankung impfen«. Aber die Erkrankungen haben das Potenzial, Herzerkrankungen zu verschlimmern. Thiele meint, es wäre eine gute Idee, bei einer Krankenhausaufnahme von Herzpatienten diese Impfungen im Herbst und Winter regelhaft anzubieten.

Viele der ansonsten bekannten Risiken haben eher etwas mit einem ungesunden Lebensstil zu tun. Auffällig sind in dieser Beziehung jene Menschen, die eine Herz-Reha nach einem entsprechenden Klinikaufenthalt antreten: Jeder zweite von ihnen hat Bluthochdruck oder eine Fettstoffwechselstörung, jeder vierte Diabetes und jeder fünfte Adipositas[2]. Die Deutsche Herzstiftung und die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie setzen sich auch deshalb für einen regelmäßigen Herz-Kreislauf-Gesundheitscheck im besten Fall ab 35 und spätestens ab 50 Jahren ein. Einer der Gründe: Schon ab dem Alter von 40 Jahren nehmen die Klinikeinweisungen wegen KHK und Herzrhythmusstörungen[3] zu.

Während der Parlamentarische Staatssekretär Georg Kippels (CDU) bei der Übergabe des Herzberichts vor allem die Auseinandersetzung von Einzelnen mit ihren persönlichen Risiken betonte, scheint es mit der auch von ihm versprochenen Verankerung des Themas Gesundheit in allen Politikbereichen noch ein weiter Weg. Spezielle Steuern für ungesunde Produkte wie Tabak, Nikotin und Alkohol, niedrigere Preise für gesunde Lebensmittel, überall verfügbare Sportangebote und Möglichkeiten, sich kostenfrei im Grünen zu erholen – das sind nur einige Möglichkeiten, die dazu beitragen würden, dass die gesündere Entscheidung eben auch die einfachere ist. Das alles ließe sich sicher auch in einer nationalen Strategie gegen Herz-Kreislauf-Krankheiten festschreiben, aber auch dafür scheinen die Aussichten eher schlecht. Unter anderem deshalb, weil in den Haushaltsplanungen der Bundesregierung für 2025 und 2026 die Etats für Prävention insgesamt um rund 25 Prozent gekürzt werden sollen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185147.kardiologie-herzschwaeche-fuellt-kliniken.html?sstr=Herzkrankheiten
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1177758.typ-diabetes-diabetes-risiko-ungesunde-ernaehrung-jederzeit-verfuegbar.html?sstr=Adipositas
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1176648.kardiologie-stoerfeuer-im-herzen.html?sstr=Herzkrankheiten