nd-aktuell.de / 15.09.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Ostdeutsche Autoindustrie im Umbruch

IG Metall diskutiert in Chemnitz über Joberhalt und Zukunft der Branche

Felix Sassmannshausen
Auch Beschäftigte im Zwickauer Volkswagen-Werk sind von der Krise und den Sparplänen des Konzerns betroffen.
Auch Beschäftigte im Zwickauer Volkswagen-Werk sind von der Krise und den Sparplänen des Konzerns betroffen.

Die IG Metall lädt am Dienstag zu einer Konferenz nach Chemnitz, um die Lage und Perspektiven der ostdeutschen Automobilindustrie[1] zu erörtern. »Die Mobilitäts- und Antriebswende läuft auch im IG-Metall-Bezirk Berlin-Brandenburg-Sachsen – nicht geräuschlos und konfliktfrei, aber auf Hochtouren«, erklärte Bezirksleiter Jan Otto im Vorfeld. Die Frage sei, wie die Transformation der Schlüsselbranche so gestaltet werden könne, dass sichere und gute Arbeitsplätze auch in Zukunft erhalten blieben.

Nach starken Wachstumsjahren steckt die Branche in einer tiefen Umbruchphase. Ursachen sind unter anderem zunehmende geopolitische Spannungen, fragile Lieferketten und wachsender Konkurrenzdruck. Vor allem chinesische Anbieter mit günstigen Preisen und Überkapazitäten setzen die Branche unter Druck. »Der zunehmende Wettbewerb aus Asien und der technologische Wandel stellen unsere Industrie vor große Herausforderungen«, warnte Petra Peterhänsel, Leiterin des Leipziger BMW-Werks und Vorsitzende des Wirtschaftsverbands Automobil Cluster Ostdeutschland.

Zwar steigen die Verkaufszahlen von Elektroautos wieder leicht – im August wurden 39 400 E-Autos neu zugelassen, was einem Plus von knapp 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Doch dieser Zuwachs resultiert vor allem aus den schwachen Absatzzahlen im Jahr 2024.

Gravierende Folgen für Arbeitsmarkt

Die Folgen für den Arbeitsmarkt sind gravierend: Zwischen Juni 2024 und Juni 2025 wurden in der Automobilindustrie mehr als 50000 Stellen gestrichen. Zudem kündigten Hersteller an, bis 2030 zahlreiche weitere Stellen abzubauen. Besonders betroffen ist Sachsen, wo knapp die Hälfte der ostdeutschen Autobeschäftigten arbeitet. Auch in der Zulieferindustrie[2] in Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt droht Stellenabbau. Für den IG-Metall-Bezirksleiter Otto ist klar: »Wir müssen alles tun, um eine zweite De-Industrialisierung in Ostdeutschland[3] zu verhindern.«

Mit Blick auf die Krise der Branche hatte der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zuletzt im Rahmen eines »Masterplans Westsachsen« gefordert, 100 Millionen Euro aus dem Bundes-Sondervermögen bereitzustellen. Damit sollen Investitionen in die Infrastruktur, in Forschung und in neue Technologien angestoßen werden. Gleichzeitig verlangt er die Rücknahme des EU-Verbots für Neuzulassungen von Autos mit Verbrennungsmotor ab dem Jahr 2035. Das wurde vor zwei Jahren von der EU-Kommission beschlossen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und die Elektromobilität voranzutreiben.

Verbrenner-Aus auf der Kippe

Aufgrund von ökonomischem und politischem Druck von rechts wackelt die Regelung nun. Bei einem Strategiedialog mit der Automobilindustrie am Wochenende zeigte sich Kommissionschefin Ursula von der Leyen zuletzt offen für die Forderung. »Wir haben die Bedenken der Industrie berücksichtigt«, erklärte sie. Die Flexibilisierungsvorschläge, zu denen auch das Verbrenner-Aus gehört, werden nun geprüft, erklärte eine Kommissionssprecherin auf nd-Anfrage.

Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) und die IG Metall hatten sich neben Forderungen nach umfassenden Subventionen für die Branche in einer gemeinsamen Stellungnahme für eine Lockerung der Regelung ausgesprochen. Insbesondere Hybridmodelle könnten demnach zu einer Stabilisierung der Industrie beitragen.

Umweltverbände warnen vor einem Rückschritt in der europäischen Klimapolitik. Und auch unter den Unternehmen gibt es keine Einigkeit. So bezeichnete Audi-Chef Gernot Döllner die Debatte als kontraproduktiv. Die wird auch auf der IG-Metall-Konferenz in Chemnitz aufgegriffen. Neben Gewerkschaftschefin Christiane Benner spricht auch der sächsische Wirtschaftsminister Dirk Panter auf der Veranstaltung.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191127.e-mobilitaet-vw-in-zwickau-autobranche-in-sachsen-sucht-nach-plan-b.html?sstr=automobilindustrie
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1187974.automobilkrise-absatzflaute-bremst-zulieferbranche-aus.html?sstr=automobilindustrie
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188636.industriepolitik-industrie-in-ostdeutschland-die-furcht-vor-dem-fadenriss.html?sstr=automobilindustrie