Um zu erahnen, wie unterschiedlich die Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen ausgegangen ist, lohnt der Blick auf zwei Ergebnisse. In der Bezirksvertretung der Kölner Innenstadt kommen Grüne (33) und Linke (15) zusammen auf 48 Prozent der Stimmen. In den Stadtteilparlamenten von Ruhrgebietsstädten wie Essen, Gelsenkirchen und Hagen siegte hingen die AfD.[1] Bis zu 32 Prozent erreichte sie in einzelnen Bezirken. In Hagen, Gelsenkirchen und Duisburg kann die extrem rechte Partei[2] sogar in zwei Wochen zu den Oberbürgermeister*innenwahlen antreten. CDU und SPD haben sich allerdings schon am Wahlabend versprochen, die jeweiligen Kandidat*innen gegen die AfD zu unterstützen, was einen abschließenden Erfolg der rechten Partei unwahrscheinlich macht.
Klar ist allerdings, die AfD wird die Kommunalpolitik in einem neuen Ausmaß mitbestimmen. Bei den Kommunalwahlen 2020 schnitt sie mit 5,1 Prozent sehr schwach ab. Arbeit in Räten und Bezirksvertretungen wurde an vielen Orten nicht kontinuierlich gemacht. Viele Kanidat*innen der AfD bei den Kommunalwahlen waren weitgehend unbekannt. Deswegen kann das landesweite Ergebnis von 14,5 Prozent für sie schon aufhorchen lassen. So viele Menschen stimmten für die AfD trotz eines schlechten Wahlkampfs.
Mit großen Verlusten landen die Grünen bei den Kommunalwahlen[3] hinter der AfD. Doch das landesweite Ergebnis täuscht ein wenig darüber hinweg, dass die Grünen in ihren Hochburgen stark geblieben sind. In mehreren Kleinstädten wurden Grüne schon im ersten Wahlgang zu Bürgermeister*innen gewählt. Und entlang des Rheins, in Düsseldorf, Köln und Bonn haben es Kandidatinnen der Grünen in die Stichwahl zur Oberbürgermeister*in geschafft. In Bonn, wie auch in Aachen gelang das Amtsinhaberinnen, die eine ambitionierte Verkehrspolitik gemacht haben. In Köln hat die Grüne-Kandidatin Berivan Aymaz mit 28,1 Prozent sogar klar die erste Runde gewonnen.
Die Grünen Landesvorsitzenden Yazgülü Zeybek und Tim Achtermeyer stellen diese positiven Ergebnisse ihrer Wahlanalyse voran. Das Gesamtergebnis wollen sie auch nicht als Niederlage bewerten. Es sei das »zweitbeste Ergebnis überhaupt« bei Kommunalwahlen in NRW. Insgesamt sei das Ergebnis ein »Aufwärtstrend« und beweise, dass viele Wähler*innen einen »Aufbruch« und keinen »Rückschritt« wollten. »Und keine andere Partei steht so für Aufbruch wie wir Grünen«, so das Vorsitzendenduo.
Achim Post, Ko-Vorsitzender der SPD NRW, dürfte das zu wenig Selbstkritik sein. »Mit dem heutigen Abschneiden können alle Parteien der Mitte nicht zufrieden sein, die in den letzten Jahren in Bund und Land Regierungsverantwortung getragen haben«, erklärte er am Wahlabend. Nach der Kommunalwahl müsse die Politik die deutliche Botschaft senden: »Wir haben verstanden«. Für die SPD könne Post sagen: »Ein ›Weiter so‹ darf es jetzt nicht geben und wird es mit der NRW-SPD auch nicht.« Wie der sozialdemokratische Politikwechsel aussehen könnte, macht Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link[4] deutlich, der in der Stichwahl gegen einen AfD-Kandidaten antreten muss. Die SPD sei die Partei derjenigen, »die hart arbeiten und morgens früh aufstehen«, die begrüßten seinen Kurs gegen Armutszuwanderung und »Sozialbetrug«, der sei »absolut notwendig und richtig«. In der Auseinandersetzung mit der AfD ist damit zu rechnen, dass mehr Sozialdemokrat*innen einen ähnlichen Kurs einschlagen wollen.
In seinem Kurs bestätigt[5] fühlt sich der Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende Hendrik Wüst. Seine Partei liegt über dem Bundesschnitt. Die Christdemokrat*innen konnten sich vor allem im ländlichen NRW behaupten, zahlreiche Landrät*innen und Bürgermeister*innen wurden schon am Sonntag gewählt. In die Stichwahl gehen CDU-Amtsinhaber in Städten wie Düsseldorf und Essen mit guten Ergebnissen. In anderen wichtigen Orten wie Bonn und Münster hat die Partei die Chance die Rathausspitze zu erobern.
Keine Rolle bei Stichwahlen spielt das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Landesweit entfallen gerade einmal 1,1 Prozent der Stimmen auf die Abspaltung von der Linken. Auch Wahlkampfauftritte von Wagenknecht selbst konnten dem BSW nicht wirklich helfen. In Wuppertal, wo Wagenknecht noch am Donnerstag vor 150-200 Anhänger*innen sprach, wählten nur 2,5 Prozent die Partei. In Bochum und Duisburg, wo mehrere prominente Parteimitglieder herkommen, schnitt das Bündnis noch schlechter ab.
Apropos schlechtes Ergebnis: Die FDP schnitt bei den Kommunalwahlen zwar historisch schwach ab. Allerdings konnte Enrico Eppner mit über 85 Prozent den Bürgermeisterposten im sauerländischen Hallenberg verteidigen – mit 4400 Einwohner*innen die kleinste Stadt in NRW.