nd-aktuell.de / 17.09.2025 / Berlin

Friedrichshain-Kreuzberg: Wo Investoren träumen dürfen

In unmittelbarer Nähe zum Amazontower sind gleich zwei weitere Hochhäuser geplant

Hannah Blumberg
Der Amazontower thront über Friedrichshain. In Zukunft könnten in unmittelbarer Nachbarschaft weitere Hochhäuser entstehen.
Der Amazontower thront über Friedrichshain. In Zukunft könnten in unmittelbarer Nachbarschaft weitere Hochhäuser entstehen.

Mittelpunkt bedeutet das englische Wort »Hub« übersetzt, im technischen Gebrauch das Zentrum, um das sich alles dreht. »The Hub« ist auch der Name eines geplanten Hochhauses an der Warschauer Straße, direkt gegenüber des Amazontowers.[1]

Erst im April 2025 hatte der Senat die Planungshoheit über ein Grundstück in der Rudolfstraße an sich gezogen. Auch dort soll ein Wolkenkratzer entstehen. Damit sind an der Warschauer Straße gleich zwei neue Hochhäuser in Planung. »Mehr oder weniger nebenbei, über eine kurzfristige Einladung zu einem Vorbereitungstreffen zum Baukollegium« erfuhr der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg von dem neuen Projekt, wie es in einer Pressemitteilung des Bezirksamts heißt. Viel ist noch nicht bekannt über »The Hub« außer, dass er mit über 120 Metern Höhe an der Ostseite der Warschauer Brücke zwischen S- und U-Bahn gebaut werden soll.

Das Bezirksamt kann den neuen Hochhausplänen wenig abgewinnen. Es stelle den ganzen städtebaulichen Zusammenhang eines dichten Denkmalbestandes infrage, heißt es zur Begründung. Schon die positive Diskussion über eine mögliche Verwirklichung der Investorenträume in der Rudolfstraße und an der Warschauer Brücke könne die geordnete städtebauliche Entwicklung[2] in dem sensiblen Stadtteil in Unruhe und Schieflage versetzen. »Selbst wenn diese Megavorhaben am Ende nicht gebaut werden«, meint Bezirksstadtrat Florian Schmidt (Grüne), »eine kluge, substantiell durchdachte und partizipativ entstehende, demokratische Planungsentwicklung seitens der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist hier nicht mehr zu erkennen.« In undemokratischen Hinterzimmerverfahren seien am Bezirk vorbei riesige Hochhausprojekte auf den Weg gebracht worden, die zum Teil mit dem Senat gemeinsam entwickelte städtebauliche Ziele unterliefen.

Rückenwind bekommt das Bezirksamt aus dem Bezirksparlament. Am Montag verabschiedete es mit den Stimmen von Grünen, Linken und SPD einen Dringlichkeitsantrag mit dem Titel »Gegen den Hochhauswahn«. In diesem wird das Bezirksamt aufgefordert, sich gegen geplante Hochhäuser am Rudolfband einzusetzen. »Statt dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, droht hier vor allem hochpreisiger Wohn- und Büroflächenbau, der die Verdrängungstendenzen im Umfeld weiter anheizt«, heißt es dort.

Die Kritik richtet sich auch gegen das andere geplante Hochhaus in der Rudolfstraße, das mit 140 Metern sogar noch höher als »The Hub« werden soll. Die Senatsentscheidung, dem Bezirk die Planungshoheit zu entziehen, wurde vor allem damit begründet, Wohnraum schaffen zu wollen. Einen »undemokratischen Akt« nennt das der Abgeordnete Michael Efler (Linke). »Wir lehnen den Wohnturm ab, denn bezahlbares Wohnen ist in Hochhäusern nicht möglich«, sagt der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus. Er erklärt, dass aufgrund der erhöhten Baukosten spätestens ab 60 Metern Höhe Schluss sei mit annehmbaren Mieten.

Der Entzug der Planungshoheit ist keine Seltenheit. »Es herrscht ja fast schon ein Privatkrieg zwischen Herrn Gaebler und dem Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg«, sagt Efler. So überging Bausenator Christian Gaebler (SPD) den Bezirk bereits bei dem umstrittenen Bauprojekt »Urbane Mitte«[3] am Kreuzberger Gleisdreieckpark. Auch die Umsetzung des nicht weniger umstrittenen Zauns um den Görlitzer Park[4] hat der Senat an sich gezogen. »Es ist durchaus denkbar, dass der Senat hier weitermacht«, befürchtet Michael Efler mit Blick auf die Planungshoheit für »The Hub«.

Besonders intransparent kommt das im Rudolfkiez daher, weil hier ein unter Bürger*innenbeteiligung erarbeitetes Stadtentwicklungskonzept des Bezirks vorlag. Das sah für die Rudolfstraße eine gewerbliche Nutzung vor, in historischer Tradition der Elektroindustrie, die Anfang des 20. Jahrhunderts mit der Glühlampenfabrikation das Gebiet prägte. »Neben der S-Bahn darf es ruhig mal lauter werden«, sagt Efler. Die Vorschläge zur gewerblichen Nutzung seien bei den Anwohner*innen auf Zustimmung gestoßen.

Ziel des integrierten Entwicklungskonzepts Rudolfband war »ein lebendiges Quartier mit produzierendem Gewerbe, sozialen Nutzungen, Kultur und Clubs zu sichern und weiterzuentwickeln«. Bedroht sind der Rudolfkiez und mit ihm stadtbekannte Kultureinrichtungen wie die Clubs »Renate« und »about blank« sowie die »Neue Zukunft« auch durch den Ausbau der A100. Das Gebiet Stralauer Kiez an der Spree gilt seit 2019 als soziales Erhaltungsgebiet. Umso bezeichnender ist es, dass sich die Bebauungspläne nun konträr gegen die Interessen der Anwohner*innen [5]richten, denen es an Grünflächen mangelt, nicht aber an Büros oder Hotels. Nicht nur der Bezirk richtet sich gegen die Umgestaltung des Kiezes. Zahlreiche Gruppen aus der Nachbarschaft, wie die Initiative »Wem gehört der Laskerkiez?« sind auch[6] dagegen aktiv.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1188022.edge-east-side-amazon-tower-in-friedrichshain-symbol-fuer-den-ausverkauf-berlins.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191934.edge-east-side-tower-demo-gegen-amazon-turm-in-berlin-auf-schlechte-nachbarschaft.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191669.stadtentwicklung-in-berlin-urbane-mitte-in-kreuzberg-feindliche-uebernahme.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192121.goerlitzer-park-zaeune-und-ausgrenzung-am-goerli-n-das-ist-nicht-mein-kreuzberg.html
  5. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193345.stadtentwicklung-berlin-kein-herz-fuer-das-hotel.html
  6. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192815.protest-rudolfkiez-in-friedrichshain-hat-genug-von-luxusprojekten.html