nd-aktuell.de / 17.09.2025 / Berlin

»Rigaer94« in Berlin: Gute Aussichten für die »Kadterschmiede«

Richter hat erhebliche Zweifel an der Zulässigkeit einer Räumungsklage gegen die Rigaer Straße 94

Lola Zeller
Razzia in der Rigaer 94: Im August durchsuchten Polizist*innen mit einem Großaufgebot das Haus.
Razzia in der Rigaer 94: Im August durchsuchten Polizist*innen mit einem Großaufgebot das Haus.

Einmal mehr beschäftigt sich ein Berliner Gericht mit der Rigaer Straße 94: Neben den aktuell laufenden Berufungsverfahren zu angestrebten Räumungen von Wohnungen im teilbesetzten Haus[1] verhandelte das Landgericht am Mittwoch auch die Zulässigkeit einer Räumungsklage gegen die »Kadterschmiede«. Die Eigentümerfirma Lafone Investments Limited droht, wie schon in vielen vorherigen Verfahren, daran zu scheitern, dass ihren Anwälten die Prozessvollmacht abgesprochen wird. Eine Entscheidung will das Gericht aber erst am 8. Oktober verkünden.

»In diesem Verfahren fehlt jegliche Nachweiskette«, sagt Richter Sebastian Pörschke im Verhandlungsraum zu den zwei Anwälten der Eigentümerfirma und den zwei Anwältinnen des Kadterschmiede-Vereins. An der Gültigkeit der Prozessvollmacht[2], ausgefüllt von der mutmaßlichen Geschäftsführerin Lisa Close, hat der Richter erhebliche Zweifel. Denn es fehlten die Nachweise darüber, ob Close tatsächlich die Eigentümerfirma wirksam vertrete.

Dass solche Nachweise noch immer nicht erbracht worden seien, obwohl die Anerkennung der Prozessvollmacht schon in den vergangenen Verfahren der ausschlaggebende Punkt zur Entscheidung über die Zulässigkeit der Klage war, kritisiert Richter Pörschke. Er kündigt an, die Geschäftsführerin persönlich zu einem weiteren Verhandlungstermin einladen zu wollen, sollte er die Klage nicht direkt als unzulässig abweisen. Über die Zulässigkeit einer Räumungsklage gegen die Kadterschmiede hatte bereits das Landgericht verhandelt und die Klage 2022 abgewiesen[3], die Entscheidung wurde von der nächsthöheren Instanz, dem Berliner Kammergericht, bestätigt.

Ein weiteres Streitthema vor Gericht ist, ob der Verwaltungssitz der Lafone Investments Limited in Großbritannien oder in Deutschland liegt. Ausschlaggebend dafür ist laut Pörschke, wo die wichtigen Entscheidungen umgesetzt würden, und nicht, wo der Gründungssitz ist. Die Anwält*innen der Rigaer 94 behaupten, dass die Geschäftsführung in Großbritannien nur eine Strohmann-Funktion innehabe und die Lafone Investment Limited eine Briefkastenfirma sei, um den tatsächlichen Eigentümer zu schützen, der von Berlin aus agiere.

Sollte sich der Verwaltungssitz tatsächlich in Deutschland befinden, dann würde deutsches Recht greifen: Die Firma würde wie eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts behandelt werden und die Gesellschafter müssten die volle Haftung übernehmen. Mit der Regel sollen Mieter*innen davor geschützt werden, dass sich deutsche Firmen einfach irgendeinen anderen Staat für die Firmengründung aussuchen können, in dem die für sie günstigsten Gesetze gelten, sagt Richter Pörchke. Das Kammergericht hat allerdings 2024 in einem anderen Verfahren um die Rigaer 94 geurteilt, der Verwaltungssitz der Lafone Investment Limited befinde sich in Großbritannien.

Eigentümer-Anwalt Markus Bernau gefällt die Diskussion um den Verwaltungssitz der Firma gar nicht. Er sieht darin einen Versuch, dem Eigentümer das Recht auf sein Eigentum zu nehmen, sagt er mit rotem Kopf im Gerichtssaal. »Das finde ich gruselig.« Kein anderes Land habe diesbezüglich solch restriktive Gesetze. Rigaer-Anwältin Daniela Rohrlack versucht ihn damit zu beruhigen, dass Deutschland dafür ohne allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung die liberalsten Verkehrsregeln habe.

»In diesem Verfahren fehlt jegliche Nachweiskette.«

Sebastian Pörschke Richter

Sollten die Eigentümer in der Zukunft doch noch alle notwendigen Nachweise erbringen und eine Räumungsklage gegen die »Kadterschmiede« zugelassen werden, dann drohe laut Richter Pörschke die Räumung. »Die Beklagte verliert viel ihrer Prozesskraft, wenn das Zulässigkeitsproblem nicht mehr besteht.« Er plädiert deshalb dafür, dass sich beide Seiten auf ein langfristiges Nutzungsverhältnis einigen. Auch wenn sich am Mittwoch beide Seiten verhandlungsbereit zeigten, scheint eine Einigung bislang unwahrscheinlich.

Am Mittwoch wurden weitere Räumungsklagen gegen die Bewohner*innen der Rigaer Straße 94 verhandelt. Vor dem Landgericht deutete sich schon in der vergangenen Woche an, dass die Prozessfähigkeit der Lafone Investement Limited nicht anerkannt und die Klagen als unzulässig abgewiesen werden. Hier soll eine Hinweisentscheidung im Oktober verkündet werden. In den bisherigen Verfahren wurden in den Fällen gütliche Einigungen erzielt, in denen die Mietvertrags-Inhaber*innen von diesen zurückgetreten waren[4]. Gegen die aktuellen Bewohner*innen der Wohnräume müsste die Eigentümerfirma eigene Räumungsklagen initiieren.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193657.autonomes-hausprojekt-rigaer-hausdurchsuchung-solidemo-und-ganz-viel-polizei.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1184489.autonomes-hausprojekt-rigaer-ist-raeumungsbedroht.html
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1162338.rigaer-strasse-ein-weiterer-sieg-fuer-die-kadterschmiede.html
  4. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1184489.autonomes-hausprojekt-rigaer-ist-raeumungsbedroht.html