Wie zu erwarten, geht die israelische Armee bei ihrer Bodenoffensive in Gaza-Stadt[1] mit aller Härte vor. Die palästinensische Nachrichtenagentur Wafa meldete seit Mittwochmorgen den Tod von 17 Menschen, darunter sieben in der Stadt Gaza. Unter den Opfern soll demnach auch eine schwangere Frau gewesen sein. Israels Armee erklärte, sie habe in Gaza-Stadt in den vergangenen zwei Tagen mehr als 150 Ziele angegriffen, darunter »Terroristen« und »militärische Strukturen«. Die meisten Angriffe soll es demnach in Gaza-Stadt gegeben haben, wo Israel seit der Nacht auf Dienstag auch die Bodenoffensive durchführt.
Ziel ist die Einnahme der Stadt Gaza, beschlossen vom israelischen Sicherheitskabinett im August gegen den Widerstand der Militärspitze. Die Offensive könnte nach Angaben von Armeesprecher Effie Defrin viele Monate dauern – und, so steht zu befürchten, Tausenden Menschen das Leben kosten. Bislang sind im Gaza-Krieg mindestens 65 000 Menschen getötet worden, ein Großteil davon Zivilisten; Schätzungen gehen von weit mehr aus[2].
Armeechef Ejal Samir erklärte, die Armee gehe »tief im Gebiet« vor. Dabei komme eine Kombination aus »Bodentruppen, Präzisionsschlägen und hochwertigen Geheimdienstinformationen« zum Einsatz. Ziel sei es, die Angriffe auf die Hamas zu verstärken, »bis sie endgültig besiegt ist«. Ein Militärvertreter sagte, die Armee rücke »in Richtung Zentrum« (der Stadt Gaza) vor. Nach seinen Angaben startete sie in der Nacht damit die »Hauptphase« des Kampfes gegen die Hamas. Die Armeeführung gehe von »2000 bis 3000« Hamas-Kämpfern in dem Gebiet aus. Das »Wall Street Journal« zitierte israelische und arabische Beamte, wonach die Hamas schätzungsweise über Zehntausende Kämpfer in ihren Reihen verfüge, vielfach seien es jedoch Rekruten mit wenig Ausbildung.
UN-Generalsekretär António Guterres fand am Dienstag scharfe Worte zur weiteren Eskalation durch Israel: »Was heute in Gaza passiert, ist entsetzlich. Wir erleben die massive Zerstörung ganzer Stadtteile, die systematische Zerstörung von Gaza-Stadt«, sagte Guterres in New York. Es handle sich um Gewalt in einem Ausmaß, wie er es in seiner fast neunjährigen Amtszeit als Generalsekretär in keinem Konflikt erlebt habe. »Die Wahrheit ist, dass dies moralisch, politisch und rechtlich unerträglich ist«, sagte Guterres.
Das Wort Genozid[3] nahm er jedoch nicht in den Mund. Guterres will ohne eine gerichtliche Entscheidung nicht von einem Völkermord an den Palästinensern in Gaza sprechen. »Die Geschichte wird sich daran erinnern, dass wir an vorderster Front für die Interessen des palästinensischen Volkes gekämpft haben«, sagte er. Das sei keine Frage der Wortwahl.
Was nun aus den Geiseln, die sich noch in Händen der Hamas befinden, werden wird, ist völlig unklar. Es ist nicht auszuschließen, dass die Hamas sie als Verhandlungsmasse aus den Verstecken auch mitten ins Kampfgeschehen verbringen könnte. Ein Abkommen mit der israelischen Regierung[4] ist mit der Bodenoffensive wohl endgültig vom Tisch. Das sieht auch der UN-Generalsekretär so: »Derzeit scheint Israel entschlossen, bis ans Ende zu gehen und nicht offen für ernsthafte Verhandlungen über eine Waffenruhe zu sein.«
Kurz vor Beginn der UN-Vollversammlung in New York[5] fordern Hilfsorganisationen Maßnahmen für ein Ende des Kriegs zwischen Israel und der Hamas. »Die Staaten müssen alle ihnen zur Verfügung stehenden politischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Mittel einsetzen, um zu intervenieren«, hieß es in einer im Namen von rund zwei Dutzend Hilfsorganisationen von »Save the Children« veröffentlichten Mitteilung. Sollten die UN-Mitgliedstaaten die aus dem Völkerrecht resultierenden rechtlichen Verpflichtungen weiterhin als optional betrachteten, machten sie sich nicht nur mitschuldig, sondern schafften auch einen gefährlichen Präzedenzfall für die Zukunft.
Am Mittwoch hat die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas in Brüssel ein »robustes Sanktionspaket«[6] vorgestellt, das unter anderem eine Teil-Aussetzung des Assoziierungsabkommens der EU mit Israel vorsieht sowie Sanktionen »gegen die Hamas-Terroristen, extremistische Minister in der israelischen Regierung und gewalttätige Siedler und Organisationen«, sagte Kallas. Allerdings gibt es wenig Aussicht, dass das Paket unter den EU-Ländern die nötige Mehrheit erreicht. Deutschland gehört zu den entscheidenden Blockierern. Mit Agenturen