Sie wissen die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich: Ein breites Bündnis der französischen Gewerkschaften hat am Donnerstag zum Mittel des hierzulande nahezu undenkbaren politischen Streiks gegriffen. Auf den sie begleitenden Demonstrationen, die größte in der Hauptstadt, wurden landesweit mindestens eine Million Teilnehmer erwartet, gegen die Paris ein Heer von 80 000 Polizisten aufbot. Das Innenministerium zählte Hunderte Protestveranstaltungen.
Der breite Widerstand gilt dem von der Regierung geplanten Sparhaushalt mit Einschnitten bei der Arbeitslosenversicherung, Sozialleistungen, Renten und Gesundheit und rechnet mit der marktliberalen Politik unter Emmanuel Macron ab. Es handelt sich um die größte Mobilisierung seit den Massenprotesten gegen die vom Präsidenten vor zwei Jahren durchgepeitschte Rentenreform. Der Generalstreik schließt unmittelbar an die in den sozialen Medien geborenen Blockadeaktionen vom 10. September an[1], um diese noch weit zu übertreffen.
Die aktuelle Welle scharfer Kämpfe um den Kurs des Landes wurzelt in der stetigen Verteuerung des Lebens in Frankreich und der Arroganz seiner Elite. Macron zieht das Chaos einer Korrektur seiner Politik vor. Er entzog sich einer Kohabitation mit dem Sieger der vergangenen Wahl und verbrennt nun Premiers. Nach dem Sturz von François Bayrou will der neue Regierungschef Sébastien Lecornu mit dessen Sparetat als Geschäftsgrundlage weitermachen. Die Gewerkschaften konnten diese Kampfansage nur auf eine Art beantworten. Und für die linke Opposition bietet sich eine neue Chance, Macrons Spiel zu durchkreuzen[2].