nd-aktuell.de / 19.09.2025 / Berlin

Räumungsklage: AfD soll ihre Sachen nehmen und gehen

Räumungsklage gegen die Bundeszentrale der Partei vor dem Landgericht Berlin verhandelt

Andreas Fritsche
Per Mietvertrag eigentlich ausgeschlossen: Große AfD-Symbole am 23. Februar am Geschäftshaus im Eichhorster Weg.
Per Mietvertrag eigentlich ausgeschlossen: Große AfD-Symbole am 23. Februar am Geschäftshaus im Eichhorster Weg.

Wie schnell die AfD ihre Bundeszentrale in Berlin-Reinickendorf nun räumen soll, erfährt sie erst am 26. September. Dann will Richter Burkhard Niebisch sein Urteil zu einer Räumungsklage der Quercus Grund GmbH verkünden. Am Freitag saßen sich Vermieter Lukas Hufnagl und der stellvertretende Parteichef Kay Gottschalk vor dem Landgericht Berlin gegenüber und schenkten sich nichts.

»Glauben Sie eigentlich, dass ich Ihre persönliche Prostituierte bin?« Diese Frage warf der Geschäftsführer der Quercus Grund GmbH dem Politiker an den Kopf, nachdem dieser im Geschacher um eine gütliche Einigung Angebote machte, über die Hufnagl nur lachen konnte. Erst Ende Oktober kommenden Jahres würde die AfD demnach definitiv aus dem Bürogebäude am Eichhorster Weg ausziehen und bis dahin sechs Prozent mehr Miete bezahlen als jetzt. Das war das Äußerste, was Gottschalk zusichern wollte – mit dem Versprechen, eventuell sogar eher zu gehen, wenn die AfD schneller eine Ausweichmöglichkeit gefunden hat.

»Es ist mir gesagt worden, es sei kein Problem, zwei, drei Busse mit strammen Jungs anzukarren.«

Lukas Hufnagl Geschäftsführer Quercus Grund GmbH

Aber sechs Prozent Aufschlag auf eine für Berliner Verhältnisse laut Hufnagl »lächerlich« niedrige Miete sind für ihn keine Grundlage für einen Kompromiss. Schon gar nicht ein Auszug Ende Oktober 2026. Denn die im Jahr 2022 nacheinander abgeschlossenen drei Mietverträge – erst für Büros, dann für einen Veranstaltungsraum und zuletzt für weitere Büros – laufen ohnehin nur bis September, November beziehungsweise Dezember 2027. Ein vereinbartes Sonderkündigungsrecht erlaubt es der GmbH, die AfD bereits früher vor die Tür zu setzen. Die ersten Büros müsste sie bereits im September 2026 freimachen, die letzten Räume Ende des kommenden Jahres.

Ein echter Kompromiss wäre für Hufnagl und seinen Rechtsanwalt ein Auszug Ende März oder spätestens Mitte Mai 2026 gewesen. Da es zu keiner Verständigung kam, muss nun also ein Urteil gefällt werden.

»Ich bin tiefenentspannt, weil ich den Gesamtvorgang seit 2023 kenne und wir uns nichts vorzuwerfen haben«, hatte Kay Gottschalk unmittelbar vor Verhandlungsbeginn vor Gerichtssaal 100 den zahlreichen Journalisten erklärt, die sich dort um ihn drängten. Der 59-Jährige absolvierte einst eine Banklehre, studierte Betriebswirtschaft und Jura, arbeitete in der Versicherungsbranche und gründete mit anderen im Februar 2013 die AfD. Seine niedrige Mitgliedsnummer ist von daher die 75. Heute ist Gottschalk Bundestagsabgeordneter.

AfD-Bundesvize Kay Gottschalk (l.) vor der Verhandlung: »Ich bin tiefenentspannt, weil wir uns nichts vorzuwerfen haben.«
AfD-Bundesvize Kay Gottschalk (l.) vor der Verhandlung: »Ich bin tiefenentspannt, weil wir uns nichts vorzuwerfen haben.«

Dass sich die AfD als Mieter nichts vorzuwerfen habe, stimmt so offensichtlich nicht. Richter Niebisch erklärte am Freitag bereits, dass die Wahlparty der AfD[1] am 23. Februar 2025 ein klarer Verstoß gegen die Mietverträge gewesen sei. Obwohl der Bundeszentrale Flaggen, Plakate und dergleichen Eigenwerbung am Gebäude ausdrücklich nicht erlaubt war, feierte sie am Abend des 23. Februar ohne Genehmigung des Vermieters auf dem Innenhof ihr Abschneiden bei der Bundestagswahl[2] – und ließ dazu vorher über drei Tage hinweg Material in Lastwagen ankarren und aufbauen, wie Hufnagl hinterher von der Hausmeisterin erfahren haben will. Es sei der Partei nicht gelungen, anderswo einen Ort dafür zu finden und sie habe sich wohl gedacht, der Vermieter sitze in Wien und werde das nicht mitbekommen. Der Österreicher Hufnagl konnte aber im Fernsehen zuschauen, wie und wo die AfD ihre Wahlparty feierte und dass sie das Gebäude in der Dunkelheit in der Parteifarbe blau anstrahlen ließ.

Hufnagl fühlte sich hintergangen und kündigte der Partei fristlos die Mietverträge. »Ich habe kein Problem mit der AfD«, versicherte er am Freitag vor dem Landgericht. Er habe auch kein Problem mit Gottschalk. Wenn er es immer nur mit dem Vize-Parteichef zu tun gehabt hätte, wäre vielleicht alles glatt gelaufen, mutmaßt Hufnagl – lässt aber auch fallen, parteiintern habe Kay Gottschalk den Spitznamen »Lügen-Kay«.

Leider habe er sich immer mit dem Schatzmeister und dem Bundesgeschäftsführer herumschlagen müssen, bedauert Hufnagl. Man habe Schmiergeldzahlungen von ihm erpressen wollen. Es sei angekündigt worden, die AfD würde ihre Büros notfalls besetzt halten und »es ist mir gesagt worden, es wäre kein Problem, zwei, drei Busse mit strammen Jungs anzukarren«. Schließlich sei in AfD-Kreisen das Gerücht gestreut worden, er sei ein Agent des israelischen Geheimdienstes Mossad, berichtet Hufnagl. Es sei außerdem behauptet worden, er wolle die AfD nur deshalb vor die Tür setzen, um in dem Haus ein Flüchtlingsheim einzurichten. Die Folge seien Drohanrufe gewesen. »Meine Frau sitzt zuhause und hat Angst.« In jeder anderen Partei oder großen Firma wäre die beiden Herren beurlaubt worden, bis die Vorwürfe aufgeklärt sind, sagt Hufnagl.

Zwischendruch trennt Richter Niebisch die Streithähne und ermahnt einen der Anwälte der AfD, Hufnagl ausreden zu lassen so wie es Menschen, die eine Schulbildung genossen haben, bereits in der ersten Klasse lernten.

Niebisch muss nun entscheiden, ob die Kündigung wegen Vertragsverletzung ausnahmsweise auch ohne vorherige Abmahnung rechtens ist. Die durch den Verfassungsschutz erfolgte Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch[3] ist nach Dafürhalten des Richters für die Mietsache ohne Belang.

Hufnagls Anwalt erzählte einen klassischen Fall, wo eine Abmahnunung nicht notwendig sei: Der Mieter stößt seinen Vermieter die Treppe hinunter und dieser bricht sich den Arm. Was Hufnagl habe erleben müssen, sei davon nicht weit weg.

Fest steht, dass die AfD früher oder später eine neue Bleibe benötigt. Kay Gottschalk zufolge werden alle Möglichkeiten geprüft, auch der Kauf oder Bau eines eigenen Hauses, welches dann am besten nicht mehr in einem Berliner Randbezirk, sondern zentraler stehen sollte. Was sich Vermieter Hufnagl wünscht, sagte er am Freitag klar und deutlich: »Dass Sie Ihre Sachen nehmen und gehen!«

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1191588.alternative-fuer-deutschland-afd-in-mietstreitigkeiten-verwickelt.html?
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1189426.bundestagswahl-wahlauswertung-die-normalisierung-des-voelkischen.html?
  3. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1193450.neue-studie-gute-chancen-fuer-verbot-einer-rechtsextremen-afd.html?