nd-aktuell.de / 22.09.2025 / Wirtschaft und Umwelt

Philippinen: Massenproteste gegen Korruption bei Fluthilfe

Skandal wegen »Geister­projekten« im Hoch­wasser­schutz sorgt für Wut auf den Philippinen

Robert Lenz
Während der Kundgebung am »EDSA People Power Monument« am Sonntag in Manila
Während der Kundgebung am »EDSA People Power Monument« am Sonntag in Manila

Über der großen Bühne im Luneta-Park in Manila prangt in Riesenlettern: »Stürzt die Korruption«. Hier befindet sich das EDSA People Power Monument, das zur Erinnerung an den Aufstand gegen die Diktatur von Ferdinand Marcos Sr. in der philippinischen Hauptstadt errichtet wurde. Daneben liegt der Rizal-Park, benannt nach dem Nationalhelden Jose Rizal, der im 19. Jahrhundert gegen den Kolonialismus kämpfte.

Beide Orte mit großem Symbolwert waren klug gewählt für Massenkundgebungen am Sonntag, zu denen nach Veranstalterangaben 130 000 Menschen kamen. Auf den Philippinen sind seit 2023 bei öffentlichen Projekten zum Bau von Hochwasserschutzanlagen Milliarden in dunklen Kanälen versunken. Das Finanzministerium geht von einem Schaden von umgerechnet 1,8 Milliarden Euro aus. Greenpeace Philippinen spricht sogar von rund 17 Milliarden, die Unternehmen und Politiker mit »obszöner Gier« abgezockt haben sollen. Die Umweltorganisation bezieht sich auf Dokumente des Ausschusses des Senats zur Aufklärung des Korruptionsskandals.

Vetternwirtschaft und Missbrauch öffentlicher Gelder durch die politisch und wirtschaftlich dominierenden Familiendynastien sind Alltag auf den Philippinen. Entsprechend groß ist die Wut vieler Menschen über sogenannte Geisterprojekte und aufgeblähte Rechnungen beim Hochwasserschutz, die seit Langem gärt. Zum richtig großen Thema aber wurde der Skandal, als Präsident Ferdinand Marcos Jr. der Korruption bei der Fluthilfe Ende Juli breiten Raum in seiner jährlichen Rede vor beiden Häusern des Kongresses zur Lage der Nation einräumte. Viele Hochwasserschutzprojekte seien minderwertig oder bloße »Hirngespinste«, sagte Marcos und versprach unter stehendem Beifall der Abgeordneten – auch der Opposition – jene zur Rechenschaft zu ziehen, die den betroffenen Gemeinden »die Zukunft gestohlen« hätten.

Vor wenigen Tagen hatte Marcos Jr. Verständnis und indirekt Unterstützung für die angekündigten Demonstrationen gegen Korruption geäußert. Das entbehrt angesichts der Veruntreuung von Milliarden während der Diktatur seines 1989 verstorbenen Vaters und seiner noch lebenden Mutter Imelda nicht einer gewissen Ironie. So manche auf den Philippinen fragen sich, ob sich Marcos vielleicht zum Selbstschutz an die Spitze der Empörung setzt. Immerhin war in dieser Woche Parlamentssprecher Martin Romualdez wegen möglicher Verwicklung in den Skandal zurückgetreten. Der Politiker war nicht nur Marcos’ Statthalter im Repräsentantenhaus, sondern ist mütterlicherseits ein Vetter des Präsidenten.

Zu den Protesten hatte eine breite Koalition aus Studenten, Bürgerrechtlern und der auf den Philippinen mächtigen katholischen Kirche aufgerufen. Wie die Demo-Schauplätze war auch der Termin nicht ohne Hintersinn gewählt worden. Am 21. September vor 53 Jahren verhängte Marcos Sr. das Kriegsrecht. 14 Jahre später wurde dessen korrupte Diktatur durch den EDSA-Volksaufstand gestürzt.

Aufgrund ihrer geografischen Lage im Südpazifik sind die Philippinen besonders stark von Extremwetterereignissen betroffen. Jährlich fegen im Schnitt 20 Taifune über die Inselrepublik hinweg und verursachen Tod, Leid, Vertreibungen und massive wirtschaftliche Schäden. Die Stürme werden laut Wissenschaftlern durch den Klimawandel zwar nicht häufiger, aber immer extremer.

Die Weltbank prognostizierte 2022, dass die Philippinen aufgrund des Klimawandels bis 2030 bis zu 7,6 Prozent und bis 2040 bis zu 13,6 Prozent ihres Bruttoinlandprodukts verlieren könnten. Jefferson Chua von Greenpace Philippinen warnt: »Der Korruptionsskandal bringt die Filipinos in eine hoffnungslose Lage. Nicht nur ist unsere Klimafinanzierung völlig unzureichend, um künftige Verluste zu vermeiden – mehr als die Hälfte der wenigen Mittel, die uns für den Klimaschutz zur Verfügung stehen, wird möglicherweise gestohlen.«

Während in Manila die Menschen demonstrierten, ordneten die Behörden im Norden des Landes sowie in Taiwan Evakuierungen an. Supertaifun »Ragasa« wird voraussichtlich am Dienstag die Philippinen erreichen und Überschwemmungen und Erdrutsche verursachen.