nd-aktuell.de / 22.09.2025 / Politik

UN-Generalversammlung mit gedrückter Stimmung

Multiple Krisen und US-Präsident Trump machen den Vereinten Nationen schwer zu schaffen

Max Böhnel, New York
New Yorker Polizei vor dem schwer bewachten UN-Hauptquartier am East River
New Yorker Polizei vor dem schwer bewachten UN-Hauptquartier am East River

Die Stimmung ist durch die Bank gedrückt. Was sich Diplomat*innen nicht anmerken lassen, äußern nach New York angereiste Vertreter*innen von internationalen Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die an UN-Nebenveranstaltungen teilnehmen, ganz offen: Fassungslosigkeit über den Zustand der USA und Unsicherheit über die multiplen Krisen weltweit. Thema Nummer eins bei einer privaten Party im Stadtteil Queens waren am Samstag die Sicherheitsvorkehrungen, die NGO-Vertreter*innen treffen, wenn sie zu Konferenzen in autoritäre Staaten wie den USA reisen. Niemand wollte im »nd«-Gespräch namentlich und per Herkunftsland genannt werden. Die Einreise am Wochenende erfolgte beispielsweise mit einem »sauberen« Extra-Laptop und Smartphone, Privat-Accounts in sozialen Medien sind längst gelöscht worden. Ähnliche Vorkehrungen treffen dem Vernehmen nach auch Diplomat*innen. Thema Nummer zwei war die Zukunft der USA. In welche weiteren autoritären Untiefen driftet das Land unter dem Trump-Regime ab? Thema beziehungsweise Statement Nummer drei: Von der UN-Vollversammlung[1] sind bestenfalls Absichtserklärungen zu erwarten.

Am Montagmorgen (Ortszeit) sollten Ansprachen der neu gewählten Präsidentin der UN-Vollversammlung Annalena Baerbock und des UN-Generalsekretärs António Guterres das 80-jährige Jubiläum der Organisation einleiten. Aber im Mittelpunkt der Woche wird Donald Trumps Auftritt an diesem New Yorker Dienstagmorgen stehen. Schon während seiner ersten Amtszeit hatte er die UN mehrmals als Bühne für Ausfälle gegen internationale Gegner und seine »Make-America-Great-Again«-Agenda genutzt. Erwartet wird dieses Mal, dass er von seinen »Erfolgen« schwadroniert, von angeblich beendeten Kriegen bis hin zu Ambitionen auf den Friedensnobelpreis. Entsprechend hatte vor Kurzem das Weiße Haus die steile These verbreitet, Trump habe »in acht Monaten mehr Kriege beendet als die UN in 80 Jahren«.

Unlautere Handelspraktiken

Laut dem langjährigen UN-Beobachter Richard Gowan, der in der International Crisis Group tätig ist, werden Trumps Aussagen zu China ein Signal für den zukünftigen außenpolitischen Kurs Washingtons sein. 2019 und 2020 hatte er das Land wegen unlauterer Handelspraktiken, Überfischung und dann Covid frontal angegriffen. Wie er sich zudem gegenüber Putin äußert, ob er erneut Gebietsfantasien – Kanada, Panama, Grönland – vortragen und sich überhaupt über die UN auslassen wird, versah Gowan vorab bei seinen Beiträgen auf mehreren Plattformen mit einem Fragezeichen.

UN-Spitzen hatten wenige Wochen nach Trumps Amtsantritt befürchtet, die USA würden vollständig aus der Organisation austreten. Er hatte mit einem Dekret Finanzmittel für mehrere UN-Teile gestrichen. So hatten die USA nach dem Rückzug aus dem Klimaschutzabkommen auch dem Uno-Menschenrechtsrat, der Unesco und der Weltgesundheitsorganisation den Rücken gekehrt. Dann erfolgten drastische Kürzungen für humanitäre Arbeit und die Entwicklungshilfe der UN sowie die Anordnung, sämtliche US-Verpflichtungen in multilateralen Organisationen zu überprüfen. Der entsprechende Bericht, ursprünglich für August vorgesehen, steht noch aus. Doch die Richtung ist klar: Im vergangenen Monat kündigte Washington an, sich nicht mehr an der Erstellung des Universal Periodic Review zu beteiligen, einem Report über die globale Menschenrechtslage. Einzig Israel hatte sich bisher nicht daran beteiligt.

Richard Gowan meint, die Befürchtung vor einem UN-Austritt habe bei Diplomat*innen etwas nachgelassen, aber der »Trump-Schock« wirke nach. Denn dessen zweite Regierung sei »viel ideologischer und entschlossener, die Uno anzugreifen als die erste«. So begreift das Trump-Kabinett die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen als »unvereinbar« mit seiner eigenen »Anti-Woke«-Agenda. Im Einklang mit der eigenen autoritären und nationalzentrierten Politik werden Ziele anderer auch im internationalen Rahmen als »Gender- und Klimaideologie« diffamiert. Zudem ist die Trump-Regierung neu aufgestellt, weniger von Widersprüchen geprägt und erfahrener als die erste.

Die Kritik internationaler Diplomat*innen werde sich in Grenzen halten, meint Gowan, aber in einem Punkt werde sich der Rest der Welt klar von den USA absetzen: beim israelisch-palästinensischen Konflikt[2]. Washington versuche, die Initiative zur Zweistaatenlösung und zur Anerkennung Palästinas zu torpedieren, und Israels Premier Benjamin Netanjahu werde die Bühne möglicherweise für eine rhetorische Eskalation nutzen.

USA mit Beiträgen im Milliardenrückstand

Die USA sind seit Jahren der mit Abstand größte Schuldner der UN mit derzeit ausstehenden Beiträgen von rund 1,5 Milliarden Dollar, gefolgt von China mit 600 Millionen Dollar. Eine Finanzierung durch andere Staaten, die das Vakuum füllen würde, bleibt aus. In einen Teil der Lücke stoßen Großunternehmen, die der UN seit 2000 im Rahmen des Konzepts »Global Impact« als Berater und in Form von Partnerschaften »beistehen« und dabei ihre Geschäftsinteressen nicht zu kurz kommen lassen. Jedenfalls ringt Generalsekretär António Guterres mit einem Sparprogramm (»UN80«), das Personalabbau und Standortverlagerungen vorsieht.

Auch viele progressive internationale Beobachter*innen und NGOs sehen die UN seit etlichen Jahren im Krisenmodus und seit der Trump-Regierung im freien Fall begriffen. Dennoch kehrt niemand der Organisation den Rücken. Stefan Liebich, der das Büro der Rosa-Luxemburg-Stiftung in New York leitet, sagte gegenüber »nd«, auf die UN müsse kritisch geblickt werden, »weil einige große und mächtige Staaten hier mehr Einfluss haben als andere kleine Staaten, und weil die Rolle von privaten Unternehmen und privaten Stiftungen stärker ist, als sie sein sollte.« Aber, so Liebich weiter, »die Uno muss erhalten bleiben. Um sie zu retten, muss sie verändert und verbessert werden.« Die Stiftung unterstützt deshalb vor Ort die Initiative »United Nation Charter Reform Coalition«. Dazu hat sie hochrangige Gäste, darunter offizielle Vertreter*innen der Vereinten Nationen und ehemalige Regierungschefs in ihr Büro geladen.

Links:

  1. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1185144.krise-der-uno-gipfel-der-zukunft.html
  2. https://www.nd-aktuell.de/artikel/1192662.globaler-sueden-konferenz-fuer-legalitaet.html